Peru: Umfrageergebnisse gegen die Putschregierung ‒ Die Medien verlieren an Einfluss
Eine Analyse von Maria Müller
Am 16. Januar veröffentlichten zwei Meinungsforschungsfirmen ihre Umfrageergebnisse in Peru. Das mexikanische Marktforschungsinstitut Ipsos und das "Institut für peruanische Studien" IEP. Ihre Daten stimmen weitgehend überein.
Die Umfragen widerlegen die Behauptung, dass die Proteste gegen die Putschregierung von der Mehrheit der Bürger abgelehnt würden. Sie bestätigen hingegen eine überwältigende Ablehnung des Parlaments. Ganze 88 Prozent lehnen den Kongress ab, nur neun Prozent unterstützen ihn. Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in die überwiegend als korrupt geltenden Abgeordneten. In diesem Zusammenhang lehnen 71 Prozent der Peruaner auch die Regierungsführung in den Händen der neuen Präsidentin Boluarte ab. Man kann sagen, dass fast die gesamte peruanische Bevölkerung Regierung und Kongress für die Intrigen verantwortlich macht, die zu der nun herrschenden Diktatur führten und bereits 48 Todesopfer verursachten. Illegale Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen werden berichtet.
Falls die neue Präsidentin zurücktritt, würde die Nachfolge an José Williams fallen. Er ist pensionierter Militär und war im Jahr 2006 unter Fujimori Chef der Streitkräfte Perus. Williams wird von 62 Prozent der Bevölkerung abgelehnt und erhält nur 16 Prozent Zustimmung.
Die Gesamtbevölkerung identifiziert sich mit den Protesten
Damit übereinstimmend halten 60 Prozent der Gesamtbevölkerung die Proteste für gerechtfertigt, während 35 Prozent anderer Meinung sind. Die Demonstrationen und Blockaden haben auch für die Mehrheit der Befragten in Perus Hauptstadt Lima gerechte Gründe (52 Prozent insgesamt, und 72 Prozent der Jugendlichen). Ähnlich im Norden des Landes (55 Prozent).
Allerdings glauben in Lima 38 Prozent, dass die Protestierenden Terroristen seien, wohingegen im übrigen Land 50 Prozent meinen, dass es sich bei den Hauptakteuren um spontane oder organisierte Bürger handele.
Ablehnung von Gewaltaktionen
Gleichzeitig werden Aktionen wie Angriffe auf öffentliche Gebäude, Besetzung von Flughäfen, Gewalt gegen Polizeibeamte ganz überwiegend abgelehnt (80 Prozent). Nur Blockaden von Landstraßen werden von 30 Prozent gutgeheißen.
Andererseits glauben 58 Prozent der Befragten, dass die Polizeieinsätze gerade mit exzessiver Gewalt unternommen werden, während 26 Prozent der Ansicht sind, dass die Polizei angemessen gehandelt habe.
Das Meinungsgefälle zwischen Nord und Süd
Diese Daten zeichnen ein ganz anderes Bild, als es bisher in den peruanischen und internationalen Medien dargestellt wurde. Danach sei das Land tief in zwei Hälften gespalten, und die autoritäre Gewaltpolitik der Putschisten werde nur im Süden des Landes abgelehnt. Dort sind die Umfragedaten zwar noch eindeutiger, doch das Meinungsgefälle zwischen den beiden Landesteilen ist nicht so extrem, wie bisher behauptet wurde.
41 Prozent für die Freilassung von Ex-Präsident Castillo
Das "Institut für peruanische Studien" (IEP) fragte auch nach dem Fall des ehemaligen, zurzeit inhaftierten Präsidenten Castillo. Dabei missbilligen 66 Prozent seinen Versuch, den Kongress aufzulösen, während 30 Prozent diesen Schritt gutheißen. Darüber hinaus schlagen 41 Prozent vor, ihn unter Auflagen oder vollständig freizulassen.
Zwei Drittel für verfassungsgebende Versammlung
Die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung hat es geschafft, eine Mehrheit zu erhalten. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung – 69 Prozent – sind damit einverstanden, sie einzuberufen, während 27 Prozent dagegen sind.
In Bezug auf den Umfang der Verfassungsänderung glauben 40 Prozent, dass die Verfassung vollständig geändert werden sollte, und 45 Prozent, dass sie nur teilweise zu modifizieren sei.
Allerdings sind nur 12 Prozent der Meinung, dass die unter dem Regime von Fujimori vor fast 30 Jahren verabschiedete Carta Magna nicht verändert werden sollte, entsprechend der Mehrheit des Parlaments. Die große Entfernung zwischen den Volksvertretern und dem Volk könnte gar nicht deutlicher zum Ausdruck kommen. Mehr noch: Die Parlamentarier haben mehrere Initiativen für ein Referendum blockiert, mit denen über die Einberufung einer Verfassungsversammlung entschieden werden sollte.
Verstaatlichung lebenswichtiger Betriebe
Eine Mehrheit (51 Prozent) sind der Meinung, dass die neue – oder reformierte – Verfassung festlegen sollte, die wichtigsten Industrien und Unternehmen zu verstaatlichen. Das ist unter der gegenwärtigen Carta Magna verboten. Sie erlaubt Staatsbetriebe nur in Wirtschaftsbereichen, an denen keine privaten Unternehmen interessiert sind.
Des Weiteren wird gefordert, die Abtreibung zu entkriminalisieren (32 Prozent) und die gleichgeschlechtliche Ehe zu legalisieren (22 Prozent).
Nach den Worten des peruanischen Historikers Martín Tanaka wollen die Befürworter einer Verfassungsreform diese Aufgabe nicht dem unpopulären Parlament anvertrauen, das von rechtsextremen Gruppen und deren Verbündeten aus dem Mitte-Rechts-Spektrum kontrolliert wird, sondern nur einer speziell dafür gewählten Versammlung.
Für die Direktorin der Consulting-Firma IMASEN in Peru, Giovanna Peñaflor, verdeutlicht die Umfrage, dass ein Großteil der Peruaner inzwischen sofortige Neuwahlen nicht als die Problemlösung ansieht, solange es keine grundlegenden Veränderungen in der Carta Magna gibt. Ohne sie seien reale Verbesserungen im Staat nicht möglich, um den seit 2016 andauernden Zyklus der Instabilität zu überwinden.
Am 7. Dezember hatten laut einer IEP-Umfrage 83 Prozent der Befragten gesagt, vorgezogene Wahlen seien notwendig, um die gegenwärtige politische Krise zu überwinden ‒ wobei 71 Prozent die Präsidentschaft von Dina Boluarte ablehnten.
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