Nahost

Normalisierung der Beziehungen zwischen Türkei und Israel: Ankara als neues Gas-Drehkreuz für EU?

Ankara hat weitgehend seine auf die Unterstützung der Muslimbruderschaft ausgerichtete Außenpolitik in der Region aufgegeben und versucht sich – vor allem im Zuge des Ukraine-Krieges – als Brücke und Vermittler zwischen Ost und West positionieren. Die Türkei zielt nun darauf ab, zur Drehscheibe für Gas-Exporte nach Europa zu werden.
Normalisierung der Beziehungen zwischen Türkei und Israel: Ankara als neues Gas-Drehkreuz für EU?Quelle: AFP © Ozan Kose

von Seyed Alireza Mousavi

Seit dem Jahr 2013, als sich mit dem Putsch in Ägypten die Hoffnungen der Türkei zerschlagen hatten, in der islamischen Welt eine führende Rolle zu übernehmen, hat die neue Realität die Türken zum Umdenken ihrer Strategie in der Region bewegt. Die Türkei gehörte zudem zu jenen Ländern, die vergeblich versucht hatten, die syrische Regierung in Damaskus um jeden Preis zu stürzen – sogar mit der Unterstützung von islamistischen Terrorgruppierungen. In letzter Zeit aber gab Ankara seine auf die Unterstützung der Muslimbruderschaft ausgerichtete Außenpolitik in der Region auf, indem es die Beziehungen zu Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wieder verbesserte.

Nach Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Saudi-Arabien hat nun auch die Türkei einen Annäherungskurs mit Israel eingeschlagen. Tel Aviv und Ankara kündigten am Mittwoch an, dass die beiden Länder ihre diplomatischen Beziehungen durch eine Hochstufung vollständig wieder aufnehmen wollen. Beide Staaten entschieden dabei, Botschafter und Generalkonsuln wieder einzusetzen.

Obwohl sich der türkische Präsident Erdoğan in letzter Zeit gern als Fürsprecher palästinensischer Anliegen in Szene setzte, traf er sich im März in einem überraschenden Schritt mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog. Indem Ankara in den vergangenen Monaten mehrere Hamas-Aktivisten ausgewiesen hat, zeigte die Türkei, dass sie der Hamas-Bewegung den Rücken gekehrt hatte. Mit diesem Schritt ebnete die Türkei den Weg für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel. 

Indessen sucht die EU derzeit alternative Wege, um sich schnell von russischer Energie unabhängig zu machen. Seit der Militäroperation Russlands in der Ukraine zielt die Türkei darauf ab, ihr Land zur Drehscheibe für Exporte nach Europa zu machen, um ihre geschwächten Positionen auszugleichen. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu deutete bereits an, dass die Türkei der einzige Absatzmarkt für israelisches Gas sein wird, falls Israel beschließe, es nach Europa zu exportieren.

Nachdem Washington seine Meinung bezüglich der EastMed-Gaspipeline, die Israel, Zypern und Griechenland mit Europa verbinden sollte, geändert hat, besteht eine "realistische" Option darin, eine Pipeline von Israel in die Türkei zu bauen, um Gas nach Europa zu leiten.  

Zypern, Griechenland und Israel hatten im Jahr 2020 mit der Unterstützung der EU und der USA ein Grundsatzabkommen für den Bau der Mittelmeer-Gaspipeline EastMed unterzeichnet, um Erdgas aus Vorkommen im östlichen Mittelmeerraum an die europäischen Märkte zu liefern. Das Projekt erwies sich aber als zu teuer und wirtschaftlich unrentabel. 

Eine Pipeline von Israel in die Türkei ist eine kürzere Alternative, um Gas nach Europa zu liefern. Die Türkei könnte damit ein Gas-Drehkreuz nach Europa werden und durch die Pipeline eine Alternative zum russischen Gas bieten. Experten schätzen, dass innerhalb von zwei bis drei Jahren die Bedingungen geschaffen werden könnten, israelisches Gas aus den Mittelmeerfeldern Leviathan und Tamar in die Türkei und von dort nach Europa zu befördern. Ein Land wie die Türkei, das bislang kein eigenes Erdgas fördert, dabei aber viel importiert – aus Iran, Russland, Ägypten, Aserbaidschan – wäre als möglicher Zwischenhändler, der Erdgas aus verschiedenen Regionen sammelt und gen Westen weiterleitet, für Europa geeignet.

Es bleibt allerdings zu fragen, inwieweit ein solcher Plan politisch machbar sei. Sollte die beabsichtigte Pipeline durch Syrien oder Libanon in die Türkei führen, ist es nicht vorstellbar, dass Syrien, Iran und Russland die Umsetzung dieses Projektes tolerieren.   

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