Nahost

Selbstjustiz der Siedler: Wie es in Huwara zu einer Enthemmung von Gewalt gegen Palästinenser kommt

Die palästinensische Stadt Huwara stand am Wochenende in Flammen, nachdem hunderte israelische Siedler als eine Rachereaktion Häuser und Läden von Palästinensern verwüstet hatten. Der Überfall der radikalen Siedler auf die kleine Stadt überschattete das Treffen zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der israelischen Regierung in Jordanien.
Selbstjustiz der Siedler: Wie es in Huwara zu einer Enthemmung von Gewalt gegen Palästinenser kommtQuelle: AFP © Jaafar Ashtiyeh

Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi

Die Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) trafen am Sonntag in Jordanien mit israelischen Vertretern zusammen, um direkt über Möglichkeiten zur Beendigung der zunehmenden Gewalt in den israelisch besetzten Gebieten in den vergangenen Wochen zu sprechen. Das Treffen im Hafen von Akaba am Roten Meer fand vor dem Hintergrund der israelischen Aggression in den besetzten Gebieten im Westjordanland sowie im Gazastreifen und in Ostjerusalem statt, bei denen seit Anfang des Jahres mehr als 60 Palästinenser durch israelische Armee, darunter auch Zivilisten, getötet wurden. Ein Überfall der radikalen Siedler auf einer palästinensischen Stadt  überschattete das Treffen in Jordanien. Eine Horde israelischer Siedler war in der kleinen Stadt Huwara mit 7.000 palästinensischen Einwohnern eingefallen, aus Rache für den Mord an zwei jungen Juden, die Stunden zuvor mutmaßlich von einem Palästinenser getötet wurden.

Mindestens bis zu 400 Palästinenser wurden bei dem Überfall auf die Stadt verletzt, als israelische Siedler in Huwara und Ortschaften in der Umgebung zahlreiche Häuser, Läden und Autos von Palästinensern in Brand setzten. Ein Palästinenser soll auch durch Schüsse tödlich verletzt worden sein. Die Siedler hatten zuvor in den sozialen Netzwerken für ihren Rachefeldzug mobilgemacht. Drei Stunden soll das gewaltsame Mob-Gewalt der Siedler in Huwara gedauert haben. Ein ranghoher Funktionär der Sicherheitsbehörden wurde am Montag im israelischen Radiosender Kan mit den Worten zitiert, es habe sich um einen "Pogrom" gehandelt. 

Die Vorgänge von Huwara können als beispielhaft dafür gelten, wie die Lage Schritt für Schritt nach dem Amtsantritt der radikal-rechtsorientierten Netanjahu-Regierung außer Kontrolle gerät. Nun wird in Israel befürchtet, dass die Funken aus der keinen Stadt Huwara die gesamten Palästinensergebiete in Brand setzen könnten. Jetzt wird vor einer neuen Intifada gewarnt. Als Reaktion auf die angespannte Lage wurden bereits drei zusätzliche Bataillone ins israelisch besetzte Westjordanland verlegt.

Die Biden-Regierung erklärte am Montag, sie erwarte, dass Israel die an dem tödlichen Überfall von Siedlern auf die palästinensische Stadt beteiligten Personen strafrechtlich verfolgt und den Palästinensern, deren Häuser und Eigentum zerstört oder beschädigt wurden, Entschädigung gewährt.

Auf die Eskalationen von Sonntag können weitere Ausschreitungen folgen. Auf palästinensischer Seite gewinnen nun neue militante Kräfte immer mehr Einfluss, während die Palästinensische Autonomiebehörde längst ihre frühere Legitimationsbasis unter Palästinenser verloren hat. Das Gipfeltreffen im Hafen von Akaba stieß aufgrund des wachsenden Misstrauens gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde auf Widerstand und Ärger. Zugleich sympathisieren Palästinenser mehr mit den neu formierten Milizen Gruppe wie "Löwengrube", die gegen Siedlerkolonialismus kämpfen.

Der Palästinenser, der zwei junge Israelis am Sonntag tötete, soll ein T-Shirt mit dem Logo der Löwengrube getragen haben. Die Koexistenz von Juden und Arabern in Israel und israelisch besetzten Westjordanland ist immer schon fragil gewesen. Die zukünftige Eskalation um die Palästina-Frage scheint wohl nicht mehr zwischen Gaza und Israel ausgetragen zu werden, sondern im Westjordanland, wo israelische F-35-Jets in den gemischten Ortschaften nicht einfach zum Einsatz kommen könnten. 

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