Russlands Hinwendung in Richtung Palästina
Von Pepe Escobar
Die komplexe, nuancierte Frage der geopolitischen Neutralität Russlands in der israelisch-palästinensischen Tragödie wurde in den vergangenen Tagen und Wochen endlich und unmissverständlich geklärt.
Beweis Nummer eins zeigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin, wie er am 30. Oktober persönlich vor dem Sicherheitsrat seines Landes, vor hochrangigen Regierungsbeamten und den Vorstehern von Sicherheitsbehörden spricht. Zu seinen Zuhörern gehörten unter anderem der Ministerpräsident der Russischen Föderation Michail Mischustin, der Vorsitzende der Duma des Landes Wjatscheslaw Wolodin, der Sekretär des Sicherheitsrates Nikolai Patruschew, Außenminister Sergei Lawrow, der Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikow und der Direktor des SVR, des Auslandsgeheimdienstes der Russischen Föderation, Sergei Narischkin.
Putin nahm kein Blatt vor den Mund, als er auf den Punkt kam und den offiziellen Standpunkt der Russischen Föderation im aktuellen geopolitischen Flammenherd zweier miteinander verflochtener Kriege – jenes in der Ukraine und jenes im israelisch-palästinensischen Konflikt – detailliert darlegte. Seine Ansprache richtete sich sowohl an sein hochkarätiges Publikum als auch an die politische Führung der westlichen Hegemonialmächte.
"Es gibt keine Rechtfertigung für die schrecklichen Ereignisse, die derzeit im Gazastreifen stattfinden, wo Tausende unschuldige Menschen wahllos getötet werden, ohne dass sie irgendwohin fliehen oder sich vor den Bombenangriffen verstecken können. Wenn man mit Blut überströmte Kinder sieht, tote Kinder. Wenn man das Leid von Frauen und alten Menschen sieht, ballt man natürlich die Fäuste, während einem die Tränen in die Augen schießen."
Dann folgte ein Ausblick auf den Kontext: "Wir müssen klar verstehen, wer in Wirklichkeit hinter der Tragödie der Menschen im Nahen Osten und in anderen Regionen der Welt steckt, wer dieses tödliche Chaos organisiert hat und wer davon profitiert."
Ohne Zweifel beschrieb Putin die gegenwärtig herrschenden Eliten in den Vereinigten Staaten und ihren Satellitenstaaten als "die Hauptnutznießer der globalen Instabilität, die sie nutzen, um ihre blutige Rendite einzustreichen. Auch ihre Strategie ist klar. Die Vereinigten Staaten als globale Supermacht werden schwächer und verlieren ihre globale Position. Und jeder sieht und versteht das, selbst wenn man die Trends in der Weltwirtschaft betrachtet".
Der russische Präsident stellte einen direkten Zusammenhang zwischen dem US-amerikanischen Bestreben, "eine globale Diktatur" auszuweiten, und der politischen Besessenheit her, ein ununterbrochenes Chaos zu fördern: "Dieses Chaos wird dazu beitragen, die Rivalen der USA, oder wie sie es nennen, ihre geopolitischen Gegner, einzudämmen und zu destabilisieren. Dazu zählen sie auch unser Land, das in Wirklichkeit Teil eines neuen globalen Wachstumszentrums und Teil von souveränen unabhängigen Ländern besteht, die nicht bereit sind, sich zu beugen und die Rolle von Dienern einzunehmen."
Entscheidend ist, dass Putin Wert darauf legte, sowohl vor seinem heimischen Publikum als auch vor seinem Publikum im globalen Süden noch einmal zu bekräftigen, dass "die herrschenden Eliten der Vereinigten Staaten und ihrer Vasallen hinter der Tragödie der Palästinenser, dem Massaker im Nahen Osten im Allgemeinen" stehen, genauso wie hinter dem Konflikt in der Ukraine und vielen anderen Konflikten auf der Welt – in Afghanistan, im Irak, in Syrien und so weiter.
Dies ist ein äußerst wichtiger Punkt, den Putin vorbrachte. Indem der russische Präsident die Urheber des Ukraine-Konflikts und des Krieges im Gazastreifen – "die Vereinigten Staaten und ihre Vasallen" – in einem Satz nennt, hat er Israel faktisch mit dem westlichen Hegemon und dessen Agenda des Chaos in einen Topf geworfen.
Moskau schließt sich der wahren "internationalen Gemeinschaft" an
Im Wesentlichen bedeutet dies, dass sich die Russische Föderation eindeutig mit der überwältigenden Mehrheit der öffentlichen Meinung des globalen Südens und der globalen Mehrheit verbündet – von der arabischen Welt bis zu allen islamischen Ländern und darüber hinaus in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Interessanterweise schließt sich Moskau den Analysen des iranischen religiösen Führers Ajatollah Ali Chamenei an – eines strategischen Partners Russlands – und jenen des Generalsekretärs der Hisbollah Hassan Nasrallah, der in seiner scharfsinnigen, raffinierten, an Sun Tzu erinnernden Ansprache kürzlich über "die Spinne, die versucht, den gesamten Planeten und die ganze Welt in sein Spinnennetz zu verwickeln", sprach.
Eine weitere offizielle Position Russlands, insbesondere zum Konflikt zwischen Israel und Palästina, kam vom Ständigen Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen Wassili Nebensja auf einer Sondersitzung der UN-Generalversammlung zu Palästina, zwei Tage nach Putins Ansprache. Nebensja machte deutlich, dass Israel als Besatzungsmacht kein "Recht auf Selbstverteidigung" habe – eine Tatsache, die durch ein Konsultationsurteil des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2004 bestätigt worden war. Damals hate das Gericht in einer amtlichen Abstimmung mit 14 von 15 Stimmen außerdem festgestellt, dass Israels Bau einer massiven Mauer rund um das besetzte Palästina, einschließlich Ostjerusalem, gegen das Völkerrecht verstößt.
Nebensja machte juristisch gesehen das von Tel Aviv und der gesamten NATO-Galaxie immer wieder beschworene Argument des "Rechts auf Selbstverteidigung" zunichte. Der US-Hegemon, der Beschützer von Tel Aviv, legte kürzlich sein Veto gegen Brasiliens Vorschlag eines humanitären UN-Sicherheitsratsbeschlusses ein, nur weil dieser Israels "Recht auf Selbstverteidigung" nicht erwähnte.
Während betont wurde, dass Moskau das Recht Israels anerkennen und seine Sicherheit zu gewährleisten hat, betonte Nebensja, dass dieses Recht "nur im Falle einer fairen Lösung des Problems der palästinensischen Frage, auf der Grundlage anerkannter Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, vollständig garantiert werden" könne. Die Protokolle zeigen jedoch, dass Israel keinerlei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats in Bezug auf Palästina jemals respektiert hat.
Die Prioritäten von Lawrow für das besetzte Palästina
Eine weitere offiziellen Position Russlands, insbesondere zur Frage des Konflikts zwischen Israel und Palästina, wurde von Außenminister Lawrow in einer Pressekonferenz mit dem kuwaitischen Außenminister Salem Abdullah as-Sabah zwei Tage nach der Intervention Nebensjas bei den Vereinten Nationen vorgelegt.
Lawrow bekräftigte Moskaus Prioritäten, die bereits von Putin und Nebensja betont worden waren: ein sofortiger Waffenstillstand, humanitäre Korridore und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, um "einen unabhängigen palästinensischen Staat zu verhandeln, wie vom UN-Sicherheitsrat innerhalb der Grenzen von 1967 vorgesehen wurde, der in Frieden und in Sicherheit mit Israel koexistieren würde". Lawrow betonte erneut, dass von den USA und Israel mehrere Ablenkungstaktiken eingesetzt wurden, "die darauf abzielten, die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates zur Gründung eines palästinensischen Staates zu verzögern – wenn nicht sogar zu begraben".
Dies bedeute, so der russische Außenminister, die Verurteilung der Palästinenser "zu einer ewigen Existenz ohne Rechte". Dies wird weder Frieden noch Sicherheit in der Region gewährleisten, sondern den Konflikt lediglich verschärfen. Und man wird nicht in der Lage sein, dies zu beenden. Die nächsten "Samen des Zorns" werden gesät, die sehr schnell sprießen werden.
Die von Lawrow eingenommene Haltung stimmt ebenso wie jene von Putin mit der von Ajatollah Chamenei und Nasrallah überein: "Hier geht es nicht um den Gazastreifen, sondern um den israelisch-palästinensischen Konflikt. Ein Staat Palästina ist ein integraler Bestandteil dieser Lösung."
Russland legt den Grundstein für die Ausübung der Rolle des vertrauenswürdigen Vermittlers zwischen allen Parteien im Konflikt zwischen Israel und Palästina – eine Rolle, die für den US-Hegemon völlig ungeeignet ist, insbesondere nach der stillschweigenden Zustimmung der aktuellen israelischen ethnischen Säuberung des Gazastreifens.
Es ist alles vorhanden und von Lawrow klar formuliert: "Es wird für uns von grundlegender Bedeutung sein, die einhellige Meinung der arabischen Welt anzuerkennen." Diese Botschaft richtet sich speziell an die Regime sunnitischen Glaubens, die von Washington unterjocht werden. Wenn sie sich zusammenreißen, "werden wir die arabische Lösung für dieses sehr schwierige Problem unterstützen", so Lawrow.
Voraussetzung der Multipolarität: Frieden in Palästina
Zusammen betrachtet zeigen die oben genannte Umstände, dass Moskau seinen geopolitischen Rivalen weit voraus ist. Die Gesamtbotschaft – die im gesamten globalen Süden, in der globalen Mehrheit, minutiös wahrgenommen wird – ist, dass das unveränderliche, ausschließende zionistische Projekt selbst angesichts der ununterbrochenen Schachzüge des Imperiums des Chaos nun seinem Ende zugeht.
Die bisher am wenigsten schlechte Lösung ist die Arabische Friedensinitiative von 2002, der sich alle angeschlossen haben, von den islamischen Ländern bis hin zu Russland und China – ein unabhängiger palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt.
Das Problem besteht darin, den außer Kontrolle geratenen Zionismus davon zu überzeugen, sich zurückzuziehen. Zu den zwingenden Tatsachen vor Ort müsste gehören, dass die als Waffe genutzte und verbriefte Nabelschnur zwischen Washington und Tel Aviv durchtrennt wird – und die neokonservative christlich-zionistische Matrix in den USA, die zufällig tief in den Silos in den gesamten Strukturen des Tiefen Staats verwurzelt ist, aus dem geopolitischen Spektrum verbannt wird.
Unterdessen zeigt ein einfacher Blick auf die Landkarte, dass die Zweistaatenlösung – vom Westjordanland bis zum Gazastreifen – praktisch tot ist. Für die Fürsprecher der Multipolarität kann es herzzerreißend sein, dies zuzugeben. Es wird einige Zeit und eine Verschiebung des öffentlichen Diskurses erfordern, um zu erkennen, dass die einzig gangbare Lösung für das zionistische Projekt ein absolutes Gräuel ist: ein einzelner Staat, in dem Juden und Araber in Frieden zusammenleben können.
All das bringt uns zu einer nüchternen Formulierung: Ohne eine gerechte Lösung für Palästina bleibt ein greifbarer Friede im gesamten entstehenden Spektrum der Multipolarität unerreichbar. Der derzeit ermöglichte Horror im Gazastreifen zeigt, dass Frieden für das Imperium des Chaos weiterhin keine Priorität hat und es einer Macht wie Russland bedarf – vielleicht auch einer Macht wie China –, um das Spiel zu ändern.
Mehr zum Thema - Bericht: Schwere israelische Verluste bei Versuch einer Bodenoffensive im Gazastreifen
Aus dem Englischen. Zuerst erschienen bei The Cradle.
Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.
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