Nahost

Internationaler Gerichtshof fordert Ende israelischer Besatzung

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen hat am Freitag sein Gutachten zur israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete vorgelegt. Diese ist nach Auffassung der Richter völkerrechtswidrig, auch die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten verstößt demnach gegen internationales Recht.
Internationaler Gerichtshof fordert Ende israelischer BesatzungQuelle: Gettyimages.ru © Selman Aksunger/Anadolu

Der Internationale Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen betrachtet die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete als De-facto-Annexion, sagte der Vorsitzende Nawaf Salam bei der Verlesung eines Gutachtens zu rechtlichen Folgen der Besatzung am Freitag.

Die Politik und die Praktiken Israels seien darauf ausgelegt, auf unbestimmte Zeit in Kraft zu bleiben und unumkehrbare Auswirkungen auf das Gebiet zu haben. Folglich stellt das Gericht fest, dass diese Politiken und Praktiken auf die Annexion eines großen Teils der besetzten palästinensischen Gebiete hinauslaufen, erklärte der Richter.

Das Gericht stellte zudem fest, dass die israelischen Siedlungsaktivitäten in den palästinensischen Gebieten gegen das Völkerrecht verstoßen und dass die Maßnahmen des jüdischen Staates das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser verletzen.

In dem Gutachten wird betont, dass Israel verpflichtet ist, seine "illegale Präsenz in den besetzten Gebieten Palästinas" so bald wie möglich zu beenden und Wiedergutmachung zu leisten.

Die Erstattung von Gutachten ist eine der im Statut des IGH vorgesehenen Verfahren, mit denen der oberste Spruchkörper im Völkerrecht Recht sprechen kann, auch wenn ihm die Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Entscheidung fehlen. In der Frage der rechtlichen Bewertung des Vorgehens Israels auf palästinensischem Gebiet wurde das Gutachten von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in einer am 30. Dezember 2022 beschlossenen Resolution (Resolution 77/247) beauftragt. Mit Schreiben vom 17. Januar 2023, eingegangen bei der Kanzlei des IGH am 19. Januar 2023, hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen dem Gerichtshof offiziell den Beschluss der Generalversammlung mitgeteilt.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat bereits auf die Entscheidung des Gerichts reagiert. Laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung lehnt der jüdische Staat das Urteil ab. Das jüdische Volk sei "kein Besatzer in seinem eigenen Land: weder in unserer ewigen Hauptstadt Jerusalem, noch im Land unserer Vorfahren in Judäa und Samaria". Kein "falsches Urteil in Den Haag" werde diese historische Wahrheit verfälschen, noch könne es die Rechtmäßigkeit der israelischen Siedlungen in "allen Gebieten unseres Heimatlandes" infrage stellen, so der Premierminister. Damit hat Netanjahu offenbar ungewollt dem IGH sogar Recht gegeben: Selten erklärte ein israelischer Regierungschef den Anspruch Israels auf das gesamte Territorium des früheren Mandatsgebiets Palästina so offen.

Die palästinensische Seite begrüßte dagegen das Gutachten. Es sei ein "großartiger Tag für Palästina", erklärte die Staatsministerin der Palästinenserbehörde für Auswärtige Angelegenheiten, Warsen Aghabekian Schahin. 

Der palästinensisch-israelische Konflikt, bei dem es um die territorialen Interessen der Parteien geht, ist seit vielen Jahrzehnten eine Quelle von Spannungen und Feindseligkeiten in der Region. Der UN-Beschluss von 1947, bei dem die UdSSR eine aktive Rolle spielte, sah die Schaffung zweier Staaten vor ‒ Israels und Palästinas ‒, aber nur der israelische Staat wurde gegründet.

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