Europa

Gerecht statt ausbeuterisch – Junge Briten bevorzugen Sozialismus

Laut einer aktuellen Studie des Institute of Economic Affairs (IEA) stehen jüngere Menschen in Großbritannien dem Kapitalismus ablehnend gegenüber und sehen sozialistische Alternativen positiv. Deutlich mehr als die Hälfte würde demnach ein sozialistisches Wirtschaftssystem befürworten.
Gerecht statt ausbeuterisch – Junge Briten bevorzugen SozialismusQuelle: www.globallookpress.com © UPPA/ ZUMAPRESS/ Global Look Press

Wenn junge Menschen mehr Gerechtigkeit fordern und sich gegen sozioökonomische Ungleichheit aussprechen, wird dies von selbsternannten Erwachsenen, Konservativen oder jenen, die vom aktuellen System profitieren, schon mal als jugendliche Laune abgetan oder aber als übergriffiges Gesellschaftsverständnis dargestellt.

Doch die Idee des Sozialismus scheint sich trotz aller Siegeserklärungen oder der seit Margaret Thatcher scheinbar wenig hinterfragten Behauptung, die Marktwirtschaft sei alternativlos ("There is no alternative", abgekürzt TINA), zunehmend wieder durchzusetzen. So hegt bei der jungen Generation in Großbritannien eine klare Mehrheit Sympathien für den Sozialismus, wie eine aktuelle Untersuchung des Londoner Institute of Economic Affairs (IEA) zeigt, für die im Frühjahr knapp 2.000 Menschen zwischen 16 und 34 Jahren in Großbritannien befragt wurden.

Demnach würden 67 Prozent gerne in einem sozialistischen Wirtschaftssystem leben, beinahe 80 Prozent machen den Kapitalismus für Großbritanniens eklatante Wohnungskrise verantwortlich und mehr als 70 Prozent würden die (Rück-)Verstaatlichung verschiedener Industrien wie Energie, Wasser und der Eisenbahn unterstützen.

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Dr. Kristian Niemietz, Leiter der Abteilung Politische Ökonomie am Institut für Economic Affairs, das sich als "Thinktank für die freie Marktwirtschaft" beschreibt, kommt anhand der Studie mit dem Titel "Left Turn Ahead?" zu dem Ergebnis, dass "Millennial Socialism" weder nur ein Social-Media-Hype noch eine vorübergehende Modeerscheinung ist, die "mit Jeremy Corbyns Rücktritt" endete.

Vielmehr sei das Klischee vom "woken, sozialistischen Millennial" wahr, warnt Niemetz, und sollte entsprechend ernst genommen werden, da es sich um einen langfristigen Gesinnungswandel handelt, der nicht von allein verschwinden wird. Menschen würden derartige Einstellungen auch nach dem 40. Lebensjahr beibehalten, so der Studienautor. Es sei – anders als oft behauptet – nicht mehr wahr, dass Menschen mit zunehmendem Alter aus sozialistischen Ideen "herauswachsen".

Junge Menschen assoziieren der Studie zufolge "Sozialismus" überwiegend mit positiven Begriffen wie "Arbeiter", "öffentlich", "gleich" und "gerecht", wohingegen der Kapitalismus überwiegend mit Begriffen wie "ausbeuterisch", "unfair", "die Reichen" und "Konzerne" assoziiert wird. Der Kapitalismus fördert nach Ansicht von 73 Prozent der Befragten Egoismus, Gier und Materialismus, während ein sozialistisches System Solidarität, Mitgefühl und Kooperation voranbringen würde.

Niemetz, der auch Bücher zum Thema verfasst hat, unter anderem mit dem Titel "Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt", meint jedoch, die Befürworter der Marktwirtschaft sollten angesichts der Studienergebnisse nicht "verzweifeln und das Handtuch werfen", "die Niederlage im Kampf der Ideen eingestehen und einfach akzeptieren, dass die Zukunft dem Sozialismus gehört". Das Hauptargument der Studie sei nicht, dass eine sozialistische Revolution vor der Tür stehe, denn während antikapitalistische, pro-sozialistische Einstellungen weit verbreitet sind, seien sie auch "dünn gesät", da viele Befragte auch pro-kapitalistischen Aussagen zugestimmt hätten. Doch sollten Kapitalismus-Befürworter "Millennial Socialism" viel ernster nehmen, als sie es derzeit tun, und ihn als eine Herausforderung betrachten.

Befürworter der Marktwirtschaft fänden es "rätselhaft, wie jemand alle Annehmlichkeiten des modernen Kapitalismus genießen kann und ihn dann trotzdem ablehnt. Warum sollte man dafür plädieren, die Gans zu töten, die die goldenen Eier legt?", schreibt Niemetz und bezieht sich damit wohl auf die jungen Menschen, die den Sozialismus als attraktiv ansehen. Niemetz kontrastiert dies mit "Engpässen, Brotausgaben und Monotonie", die ihm zufolge den Sozialismus ausmachen.

"Angesichts dessen, was uns über ein Jahrhundert Wirtschaftsgeschichte gelehrt hat, stünden die Befürworter der Marktwirtschaft auf festerem Boden", behauptet Niemetz, dessen Studie unterschiedliche Beispiele wie China oder das sanktionsgebeutelte Kuba außen vor lässt.

Wenige Abschnitte zuvor stellt Niemetz fest, dass viele der Befragten "keine Erinnerungen an den Kalten Krieg, den Fall der Berliner Mauer und das darauffolgende Gefühl des Endes der Geschichte" haben.
"Sie erlebten die Finanzkrise von 2008/09 und ihre Folgen in einer relativ frühen Phase ihrer Karriere, sodass sie nicht das Gefühl hatten, eine längere Periode relativen wirtschaftlichen Erfolgs und Stabilität zu erleben. Zumindest in Großbritannien haben diese Generationen nie eine Periode mit billigem Wohnraum erlebt." Auch erhalten Essensausgaben seit Beginn des 21. Jahrhunderts in Westeuropa und in den USA wieder deutlich Zulauf; Austerität und Prekariat sind in kapitalistischen Ländern keine Fremdwörter, sondern prägen das Leben vieler Menschen durch niedrige Löhne, unsichere Arbeitsverhältnisse, mangelnde soziale Absicherung und teils unerschwingliche Mietkosten.

Eine frühere Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gelangte zu dem Resultat, dass weltweit die Hälfte der Menschen sozialistische Ideale für wertvoll für den gesellschaftlichen Fortschritt halten. Acht von zehn Menschen weltweit sind laut der im Jahr 2018 durchgeführten Untersuchung der Überzeugung, dass die Reichen stärker besteuert werden sollten, um die Armen zu unterstützen. Weltweit sind demnach neun von zehn Menschen der Meinung, dass Bildung kostenlos sein sollte und dass eine kostenlose Gesundheitsversorgung ein Menschenrecht ist.

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