Ukraine als Aufmarschgebiet der NATO: Bereits 10.000 Soldaten der westlichen Allianz im Land
Moskau wirft der NATO eine schleichende Vereinnahmung der Ukraine für antirussische Zwecke vor. Eine mögliche Mitgliedschaft des nach Russland zweitgrößten Staates in Osteuropa im transatlantischen Militärbündnis ist gegenwärtig womöglich der größte geopolitische Zankapfel weltweit. In den vergangenen Wochen erhöhten sich die diplomatischen Spannungen um diese Frage noch einmal deutlich.
Der Kreml bezeichnet eine mögliche NATO-Mitgliedschaft des Nachbarlandes als inakzeptabel. Im Wesentlichen besteht die Ukraine aus Territorien, die über Jahrhunderte hinweg zu den Kerngebieten Russlands gehörten. Auf diese Tatsache machte der russische Präsident Wladimir Putin im Juni in einem Essay über die Geschichte der beiden Länder aufmerksam.
In einem begleitenden Fernsehinterview sagte er, dass eine Stationierung von Raketensystemen in der Ukraine eine existenzielle Bedrohung für Russland darstelle. Putin sprach von einer fortschreitenden "militärischen Erschließung" der Ukraine durch die NATO.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa gab während ihrer wöchentlichen Pressekonferenz am Mittwoch Aufschluss über die Anzahl der in der Ukraine befindlichen NATO-Soldaten. Im Land seien etwa 10.000 NATO-Soldaten stationiert, wobei 4.000 von den USA und 6.000 weitere von anderen Staaten der Allianz gestellt würden.
Sie betonte, dass für das Jahr 2022 neun gemeinsame Militärübungen der Ukraine mit NATO-Staaten geplant seien und wies darauf hin, dass die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte in dem Land gegen die Minsker Vereinbarungen verstoße. Mit Friedensbemühungen hätten dies nicht zu tun, kritisierte die Diplomatin:
"Die Übungen haben eines gemeinsam – sie sind gegen Russland gerichtet."
Zum Vergleich: Mehr US-Soldaten östlich der Oder sind nur in Polen stationiert (5.000). In kaum einem anderen Land entlang der gesamten östlichen Flanke der NATO von Griechenland bis Estland befinden sich so viele ausländische Soldaten der Allianz wie im Nichtmitgliedsland Ukraine. Das Gleiche gilt für die Zahl der gemeinsamen Militärübungen und Einrichtungen. Verschiedenen Schätzungen zufolge, gibt es in der Ukraine zwischen zehn und 20 NATO-Einrichtungen, die laut einer Recherche als Trainingszentren getarnt sind. Auch die Zahl der tatsächlich in der Ukraine tätigen Soldaten aus verschiedenen NATO-Staaten könnte die von Sacharowa genannte übersteigen.
Russische Zeitung: Ukraine ist de facto NATO-Mitglied
"Bis zu 4.000 US-Soldaten und weitere 8.300 Soldaten aus anderen NATO-Ländern könnten sich heute auf ukrainischem Gebiet befinden", schreibt etwa die russische Zeitung Komsomoskaja Prawda mit Verweis auf Insiderquellen in den ukrainischen Militärstrukturen.
Laut dem Autor der Recherche, dem Kriegskorrespondenten und Militäranalysten Alexander Kots, seien offizielle Waffenlieferungen der USA und Großbritanniens an Kiew nur die Spitze des Eisbergs. "Ihr unsichtbarer Teil sind Militärbasen, Sabotage und Cyber-Informationszentren sowie psychologische Angriffe", die der Vorbereitung eines Kriegs gegen Russland dienen könnten.
Allein auf dem Übungsplatz Yworiw im Westen der Ukraine seien 400 NATO-Angehörige stationiert. Wie am Fließband würden dort ukrainischen Streitkräften die Kriegsführung nach NATO-Standards beigebracht. Allein seit April hätten 13 Bataillone und acht Brigaden der ukrainischen Armee diese Militärausbildung durchlaufen, hieß es.
In dem beachtenswerten Artikel ist auch die Rede von geheimen Lieferungen tödlicher Angriffswaffen wie etwa Schiffsminen oder Scharfschützengewehren und dem Bau von NATO-Stützpunkten für die Marine der USA und Großbritanniens in südukrainischen Hafenstädten. NATO-Instrukteure seien unmittelbar an Vorbereitungen von Sabotageakten, Terrorangriffen und Entführungen auf der russischen Halbinsel Krim beteiligt. So sei im Jahr 2019 die Entführung von Wladimir Zemach, einem angeblichen Zeugen des Abschusses der malaischen Boeing MH17, und dessen Überführung nach Kiew die Examensarbeit ukrainischer Absolventen eines US-Sabotagekurses gewesen. Auch Militäraufklärer und geheimdienstliche Organe aus den NATO-Staaten seien tief in die Strukturen der ukrainischen Streitkräfte integriert. Der Autor schlussfolgert:
"Das heißt, wenn wir sagen, dass die Ukraine den Beitritt zur NATO anstrebt, müssen wir verstehen, dass sie de facto bereits Mitglied der NATO ist. Das heißt, sie ist bereits von ausländischen Kontingenten besetzt."
Russland fordert Sicherheitsgarantien und NATO-Abzug aus der Ukraine
Am Freitag hatte das russische Außenministerium an die Adresse der USA und der NATO zwei russische Vertragsentwürfe veröffentlicht. In diesen Dokumenten fordert Moskau unter anderem den Verzicht auf eine weitere NATO-Osterweiterung und schlägt gegenseitige Sicherheitsgarantien vor. Explizit ist in dem Papier von der Ukraine und Georgien als den wahrscheinlichsten Kandidaten für den Beitritt zur NATO die Rede.
Wie jüngste Analysen allerdings zeigen, genießt die Ukraine auch ohne NATO-Mitgliedschaft einen Sonderstatus im Netzwerk des Bündnisses. Nicht zuletzt dank der militärischen Zusammenarbeit auf direktem Wege mit NATO-Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Litauen und der Türkei. Dabei können diese Staaten zusammen mit den USA ihre Ziele im militärisch-politischen Bereich in der Ukraine auch ohne Beistandsverpflichtungen nach Paragraph fünf der NATO-Bestimmungen erreichen.
Das weiß Russland und fordert mehr als nur die Garantien für einen Nichtbeitritt der Ukraine. Russland schlägt eine Rückkehr zum Status quo des Jahres 1997 vor:
"Die Nichtverlegung von Streitkräften und Rüstungsgütern durch Russland und die NATO-Länder in das Hoheitsgebiet aller anderen europäischen Staaten, zusätzlich zu den Streitkräften, die sich am 27. Mai 1997 bereits in diesen Hoheitsgebieten befanden."
Darüber hinaus sollen die NATO-Staaten in der Ukraine sowie in anderen osteuropäischen, transkaukasischen und zentralasiatischen Staaten auf alle militärischen Aktivitäten verzichten. Das würde im Grunde nichts anderes als einen kompletten Rückbau aller bisher fortgeschrittenen militärischen Verflechtung zwischen der NATO und der Ukraine bedeuten. Russland appelliert direkt an die USA:
"Die USA sollten keine Militärstützpunkte auf dem Territorium ehemaliger Sowjet- und Nicht-NATO-Staaten errichten, deren Infrastruktur nicht für militärische Aktivitäten nutzen und keine bilaterale militärische Zusammenarbeit mit ihnen entwickeln."
Bisherige Reaktionen aus US- und NATO-Kreisen auf Russlands Forderungen deuten darauf hin, dass die Verhandlungen über die neue Sicherheitsarchitektur in Europa extrem schwierig sein werden – falls sie überhaupt je zustande kommen. Der Kommentar des litauischen Verteidigungsministers Arvydas Anušauskas bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner deutschen Amtskollegin Christine Lambrecht dürfte hierfür als Beispiel dienen.
Anušauskas zufolge (Zitat dpa) dürfe Russland nicht erlaubt werden, "rote Linien zu ziehen". Es sei auch nicht akzeptabel, dass die Führung in Moskau über Einflusszonen in Europa verhandeln oder einen Rückzug der NATO-Partner aus östlichen Mitgliedsstaaten des Bündnisses als Verhandlungsziel auf den Tisch legen könne. Er erklärte zudem, dass sein Land zu Waffenlieferungen an die Ukraine bereit sei.
Bislang haben die russischen Vize-Außenminister in ihren Kommentaren zum Vertragsentwurf bekräftigt, dass Russland fest entschlossen ist, die grundlegende Änderung der Sicherheitsarchitektur durchzusetzen. Im Notfall durch die Schaffung einer neuen Bedrohung für die NATO und die USA. In einem Interview sagte der stellvertretende russische Außenminister Aleksandr Gruschko:
"Entweder man nimmt das ernst, was wir auf den Tisch gelegt haben, oder man hat es mit einer militärisch-technischen Alternative zu tun."
Er wies zudem darauf hin, dass Moskau seine Bereitschaft signalisiere, die Überführung des militärischen Szenarios in einen politischen Prozess zu diskutieren, der die militärische Sicherheit im OSZE-Raum, im euro-atlantischen Raum und in Eurasien stärken würde. Für den Fall, dass dies nicht gelänge, habe Moskau gegenüber der NATO bereits angedeutet, dass man in den Modus einer reziproken Bedrohung übergehen werde.
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