Bulgarien: Pro-NATO-Regierung durch Misstrauensvotum gestürzt – Premier beschuldigt Mafia und Moskau
Der bulgarische Premierminister Kiril Petkow hat am Mittwoch ein Misstrauensvotum im Parlament verloren. Der Juniorpartner seiner schwachen Regierungskoalition hatte sich der Opposition angeschlossen. Das Misstrauensvotum brachte die Oppositionspartei GERB des Ex-Premiers Bojko Borissow ein und konnte dafür eine Mehrheit von 124 Abgeordneten im Parlament von Sofia versammeln. Petkow wurde nur noch von 115 Abgeordneten unterstützt. Bei der Abstimmung gab es keine Enthaltungen.
Die bulgarischen Staatsmedien bezeichneten die Abstimmung als das erste erfolgreiche Misstrauensvotum in der modernen Geschichte des Landes. Nach der Parlamentssitzung machte Petkow seinen Vorgänger Borissow sowie Russland für seinen Sturz verantwortlich.
Der Harvard-Absolvent und ehemalige kanadische Staatsbürger bezeichnete seine Kritiker als russische Agenten, die dem organisierten Verbrechen verpflichtet seien. Zugleich versprach der 42-Jährige, weiter dafür zu kämpfen, Bulgarien zu einem "normalen europäischen Land" zu machen. Nach der Niederlage sagte er:
"Dieses Votum ist nur ein kleiner Schritt auf einem sehr langen Weg. Eines Tages werden wir ein Bulgarien ohne Aktionen hinter den Kulissen, ohne Mafia haben.
Der Oppositionspartei Wasraschdane (zu Deutsch: Wiedergeburt) warf Petkow vor, ein Sprachrohr für "russische Interessen" zu sein, und erklärte, es sei ihm eine Ehre gewesen, eine Regierung zu führen, die Korruption und organisiertes Verbrechen an der Wurzel packen wollte. Der 42-Jährige war knapp ein halbes Jahr im Amt. Nach dem Misstrauensvotum unterstrich er:
"Wir werden weiter dafür kämpfen, dass wir eines Tages ein Bulgarien ohne Mafia haben werden, ein normales, erfolgreiches europäisches Land."
Bulgarien ist das ärmste EU-Land und wird seit Jahrzehnten unter anderem von weit verbreiteter Korruption geplagt.
Präsident Rumen Radew hat nun drei Versuche, eine neue Regierung zu ernennen. Sollten alle Versuche scheitern, müsste er das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen – die vierten seit April 2021.
Dieses Parlament habe der bulgarischen Demokratie "nur Scham und Schande gebracht", sagte der Vorsitzende der Wasraschdane-Partei, Kostadin Kostadinow im staatlichen Radio. "Je eher es in die Geschichte eingeht, desto besser für Bulgarien", fügte Kostadinow hinzu. Der stellvertretende Vorsitzende der Oppositionspartei GERB, Daniel Mitow, sagte, Petkows Versuch, Russland die Schuld zu geben, sei nur die "Suche" des abgewählten Premierministers "nach einem Alibi" für seine Niederlage.
Das Misstrauensvotum wurde im Grunde dadurch ausgelöst, dass die ITN-Partei des ehemaligen TV-Moderators Slawi Trifonow wegen Haushaltsproblemen und der Bereitschaft der Regierung, das EU-Beitrittsgesuch des benachbarten Nordmazedoniens zu unterstützen, aus Petkows Regierungskoalition austrat. Die Partei war darin mit vier Ministern vertreten. Trifonow warf dem Regierungschef unter anderem vor, im Alleingang Zugeständnisse an das Nachbarland machen zu wollen. Sofia blockiert seit Ende 2020 den Beginn der Gespräche zwischen Brüssel und Skopje zur Aufnahme des Landes in die EU. Hintergrund ist ein Streit der beiden Länder um Geschichte und Sprache.
Der Bruch erfolgte zudem inmitten zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Land. Die hohen Treibstoffpreise machen der Bevölkerung zu schaffen. Die Inflationsrate in Bulgarien lag im Mai bei 15,6 Prozent. Zudem hatte die antirussische Haltung des Premiers dazu geführt, dass Bulgarien von 90 Prozent seiner Erdgaslieferungen abgeschnitten worden war.
Petkow hatte im Februar den Verteidigungsminister Stefan Janew, einen pensionierten Brigadegeneral, entlassen und ihm vorgeworfen, "russische Narrative" zu fördern. Zuvor hatte Janew den Konflikt in der Ukraine als "militärische Operation" und nicht als Krieg bezeichnet. Die Regierung von Petkow verpflichtete sich außerdem, ukrainische Militärausrüstung zu reparieren und eine stärkere NATO-Präsenz im Osten zu unterstützen.
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hatte dem 42-jährigen Petkow am Mittwoch öffentlich via Kurznachrichtendienst Twitter für "seine Bereitschaft" gedankt, sich dafür einzusetzen, dass seinem Land "der Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen wird".
Petkow hat einen Abschluss in Finanzwesen der Universität von British Columbia und einen Master of Business Administration der US-Eliteuniversität Harvard. Er gab an, seine kanadische Staatsbürgerschaft im April 2021 aufgegeben zu haben, um im vorherigen Kabinett Wirtschaftsminister zu werden. Später stellte sich jedoch heraus, dass er das Verfahren erst im August abgeschlossen hatte.
Im September 2021 gründete Petkow dann zusammen mit seinem Harvard-Kommilitonen Assen Wassilew die Partei "Wir setzen den Wandel fort" (PP). Bei der Parlamentswahl im November gewann sie 25 Prozent der Stimmen. Der Politiker wurde im Dezember mit der Unterstützung von 134 Abgeordneten und 104 Gegenstimmen schließlich Premierminister.
Mehr zum Thema - Kremlsprecher Peskow: "Russland kann dem Westen nie wieder vertrauen"
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.