Europa

Feministische Außenpolitik – ein neues Konzept zur Konfrontation

DGAP und SWP publizieren zeitnah zum Thema "Feministische Außenpolitik". Das ist kein scharfer, geschweige denn konkreter Begriff. Dennoch soll er offenkundig forciert etabliert werden. Seine Umsetzung dürfte zu neuen außenpolitischen Konfrontationen führen. Zudem wird er die deutsche Gesellschaft weiter spalten.
Feministische Außenpolitik – ein neues Konzept zur KonfrontationQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Janine Schmitz/photothek.de

von Gert Ewen Ungar

Mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) widmen sich die beiden wichtigsten deutschen Thinktanks nahezu zeitgleich dem Thema "Feministische Außenpolitik".

In ihrem Beitrag zum genannten Thema kündigt die DGAP für das erste Quartal 2023 unverhohlen eine Medienoffensive zwecks Etablierung dieser Begrifflichkeit an. Auch der Beitrag der SWP ist zweifelsohne ein Versuch, das Thema in die Medien zu drücken und ihm so eine breitere Öffentlichkeit zu verschaffen. 

Eine breite Diskussion über den Begriff ist sicherlich notwendig, denn die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bekennt sich zu einer solchen feministischen Außenpolitik. Er wurde zudem sogar im Koalitionsvertrag der "Ampel"-Regierung verankert.

Die beiden großen deutschen Thinktanks weisen jedoch ganz richtig auf die grobe Unschärfe des Begriffs hin. Was damit gemeint ist, sei unklar. Zwar legt die deutsche Außenministerin großen Wert auf die Verwendung dieses Begriffs, er bleibt aber angesichts ihres außenpolitischen Handelns dennoch unklar. Baerbocks Diplomatie lässt bisher keine Schlüsse darauf zu, was mit "feministischer" Außenpolitik gemeint sein könnte. Im Gegenteil – sie agiert erstaunlich konfrontativ statt diplomatisch, verweigert Gespräche, gibt sich belehrend und maßregelnd. Mit dem Vokabular der "Genderstudies" könnte man auch sagen, als Diplomatin geriert sich Baerbock zutiefst patriarchal. 

Es ist das Verdienst dieser beiden deutschen Thinktanks, dass sie zumindest den Versuch einer genaueren Begriffsbestimmung unternehmen. 

Die SWP unternimmt den Versöhnungsversuch zwischen einerseits feministischer Außenpolitik und andererseits einer noch zu entwickelnden nationalen Sicherheitsstrategie. Aber wie geht feministische Außenpolitik mit Militarisierung zusammen? Wie vollzieht sich gesellschaftliche Transformation unter Überwindung von als patriarchal verstandenen staatlichen Strukturen? Wie passt das zu einer nationalen Sicherheitsstrategie mit dem vorrangigen Ziel des Schutzes dieses Staates und seiner Grenzen. Um es vorweg zu nehmen: Der Spagat gelingt nicht. Es gelingt der Autorin der SWP keineswegs, die offenkundigen Widersprüche zu erklären oder gar aufzulösen. 

Es gelingt ihr lediglich, auf bestehende Widersprüche hinzuweisen und eine weitergehende Diskussion anzuregen, immerhin. Man scheint in den deutschen Denkfabriken schon zu verstehen, dass sich hier etwas Ungutes entwickelt. 

Auch die DGAP schafft keine Auflösung der Widersprüche. Sie empfiehlt daher, die feministische Außenpolitik parallel zur nationalen Sicherheitsstrategie zu entwickeln. Feministische Außenpolitik solle dabei

... auf einer Überprüfung der Umsetzung des ressortgemeinsamen Ansatzes zur Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung aufbauen.

Das klingt ziemlich absurd? Ja, es ist auch absurd.
Für die SWP wie auch die DGAP stellt es angeblich bereits einen gesellschaftlichen Gewinn dar, den Begriff feministisch auf bundespolitischer Ebene etabliert zu haben. Denn trotz aller Ungenauigkeit fordere er gewohnte Denkmechanismen heraus, glauben die Autoren unisono. 

Das ist natürlich ziemlich dürftig, zumal die Etablierung des Begriffs nicht ohne massive Kollateralschäden auskommen dürfte. Aber dazu später mehr. 

Das Autorenteam der DGAP erkennt ebenso wie die Autorin der SWP, wie sehr der Begriff "feministische Außenpolitik" in die Kategorie "Geschwurbel" fällt. In seiner fehlenden Konkretheit droht er zudem, eher zu spalten als zu einen, da er insbesondere in Zeiten der Krise die Widersprüchlichkeit der aktuellen deutschen Außenpolitik noch einmal deutlich akzentuiert. Was ist an Waffenlieferungen in Krisengebiete feministisch? Wie deckt sich das mit dem feministischen Anspruch althergebrachte Herrschaftsverhältnisse zu überwinden? Wie vertragen sich Sanktionen, welche eine fremde Zivilgesellschaft treffen sollen, um damit einen Regime-Change herbeizuführen, mit den Zielen einer angeblich feministischen Außenpolitik? 

In den Ausführungen der DGAP wird auf jeden Fall deutlich: friedlicher wird es mit feministischer Außenpolitik offenbar keinesfalls – im Gegenteil. Wenn die Autoren konstatieren: Feministische Außenpolitik

... muss sich mit kurzfristigen, akuten Herausforderungen auseinandersetzen, ohne dabei ihre langfristigen Ziele und Werte aus den Augen zu verlieren. Hilfreich kann dabei ein Rückgriff auf Strukturen der völkerrechtlichen Schutzverantwortung, der Responsibility to Protect (R2P), sein,

dann sollten alle Alarmglocken läuten. Die Responsibility to Protect als ein völkerrechtlich gar nicht kodifiziertes Prinzip diente bisher stets zur Legitimation von Angriffskriegen. 

Der Überfall der NATO auf Jugoslawien mit der Begründung, dort einen Genozid verhindern zu wollen, ist dafür das bekannteste Beispiel. Es gab keinen Genozid, die Meldungen darüber waren falsch, die Bombardierung Belgrads mit all den Folgen war jedoch fürchterlich real. Die angebliche Schutzverantwortung wurde schamlos instrumentalisiert, um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu rechtfertigen.  

Nun wird über den Begriff der feministischen Außenpolitik ein weiteres Instrument geschaffen, mit dem man – am UN-Sicherheitsrat vorbei – die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder bis hin zur militärischen Intervention legitimieren will. Gleichzeitig wird der Anspruch erhoben, dass feministische Außenpolitik nicht Staaten, sondern Menschen und Personengruppen in den Mittelpunkt außenpolitischen Handelns stellt. Auch das deutet auf die Instrumentalisierung einer an sich leeren Worthülse. Mit ihr soll offenkundig das schriftlich fixierte Völkerrecht weiter ausgehöhlt und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten vermittels von westlichen Akteuren finanzierter NGOs und Stiftungen legitimiert und verstetigt werden. 

Was sowohl die Stiftung Wissenschaft und Politik als auch die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik sicherlich nicht zufällig völlig unbeachtet lassen, ist die Tatsache, dass die am meisten verbreitete Form von Diskriminierung nicht etwa die nach Geschlecht, Hautfarbe und sexueller Orientierung, sondern die nach dem Einkommen und nach der sozialen Herkunft ist, letztere in Deutschland ein ganz besonders großes Defizit von gern vollmundig geforderter Chancengleichheit. Die sogenannte vertikale Durchlässigkeit bezüglich der sozialen Stellung ist in Deutschland besonders gering. Mit anderen Worten, ein sozialer Aufstieg ist für Kinder aus armen Familien oder mit Migrationshintergrund unwahrscheinlicher als für Kinder aus einer deutschen Familie der oberen Mittelschicht. Davon ist in den beiden Beiträgen allerdings kein Wort zu lesen. 

Und es ist auch kein Zufall, dass diese Themen unbeleuchtet bleiben. Feministische Außenpolitik, so unscharf sie bisher begrifflich gefasst ist, folgt durchweg dem Prinzip einer marktkonformen, neoliberalen Agenda. Zudem – und das ist wohl das besonders Gefährliche daran – behauptet sie gar, "universell" zu sein. Sie begreift tradierte, in anderen Kulturen etablierte Konzepte keineswegs als gleichwertig.

Obwohl sich ihre Umrisse bisher nur vage andeuten, erscheint somit die sogenannte feministische Außenpolitik nur als eine weitere Variante des Neokolonialismus in einem "zeitgemäßen", vermeintlich progressiven Tarnkleidchen. Neben den ausschließlich im Westen – und auch dort erst kürzlich – etablierte Konzepte wie das Sichtbarmachen und die Katalogisierung von unterschiedlichen sexuellen Identitäten samt der Behauptung ihrer Gleichwertigkeit (und damit ihre vollständige Nivellierung) soll nun auch der Welt unter einem "modernen" Schlagwort die feministische Außenpolitik übergestülpt werden soll. Die Welt wird sich gegen diesen Übergriff aber vermutlich zur Wehr setzen. 

Feministische Außenpolitik ist ein unausgereiftes Konzept, das dennoch offensichtlich unbedingt durchgesetzt werden soll. Analog zur ebenfalls unausgereiften "regelbasierten Ordnung" wird mit dem Beharren auf "feministischer Außenpolitik" Deutschland einen Beitrag zur zunehmenden Instabilität in der Welt leisten, denn feministische Außenpolitik ist im Kern konfrontativ angelegt. Vor diesem Hintergrund erscheinen Baerbocks außenpolitische Brüskierungen in einem anderen Licht. Sie vollzieht bereits solche feministische Außenpolitik in ihrer ganzen Fragwürdigkeit. Feminismus ist das neue Patriarchat, feministische Außenpolitik die neue deutsche Herablassung gegenüber dem Rest der Welt.

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