Scott Ritter: Kiew muss für den Angriff auf das AKW Saporoschje zur Rechenschaft gezogen werden
Ein Kommentar von Scott Ritter
Während UN-Generalsekretär António Guterres am anderen Ende der Welt zu den Überlebenden des US-Atombombenabwurfs auf Hiroshima sprach, schienen die Streitkräfte der Ukraine wild entschlossen zu sein, einen modernen nuklearen Holocaust über Europa zu entfesseln, indem sie Artillerie-Raketen auf das Kernkraftwerk Saporoschje – dem größten des Kontinents – abfeuerten. Dieser Angriff, bei dem Sicherheitseinrichtungen der Anlage beschädigt wurden und zeitweise die Stromversorgung zusammenbrach, wurde von Guterres als "selbstmörderisch" gebrandmarkt.
Kiew war rasch zur Stelle und machte umgehend Russland für den Angriff verantwortlich, beschuldigte Moskau, "nuklearen Terrorismus" zu betreiben und forderte die internationale Gemeinschaft auf, eine Delegation "internationaler Friedenstruppen" zu entsenden, um "das Territorium der Anlage vollständig zu entmilitarisieren".
Das Kernkraftwerk Saporoschje befindet sich seit seiner militärischen Besetzung im vergangenen März unter der Kontrolle russischer Truppen. Seitdem wird die Anlage von ukrainischen Technikern betrieben, die unter Aufsicht russischer Atomenergieexperten arbeiten. Die Anlage umfasst sechs Kernreaktoren, die vor Beginn der Militäroperation etwa ein Fünftel des ukrainischen Stroms erzeugten. Bei drei dieser Reaktoren wurde der Betrieb kontrolliert heruntergefahren, nachdem die russischen Truppen die Anlage unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Ein weiterer Reaktor musste nach dem Beschuss der Anlage am 5. August abgeschaltet werden; die Leistung der beiden übrigen Reaktoren wurde aus Sicherheitsgründen auf die Hälfte reduziert.
Der Gesandte der Ukraine bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), Jewgeni Tsymbaliuk, behauptete, dass russische Streitkräfte versucht hätten, in der Südukraine Stromausfälle zu verursachen, indem sie das Kraftwerk beschossen. Die ukrainische staatliche Nuklearbehörde Energoatom warf dem russischen Militär vor, Sprengstoff im gesamten Areal des Kernkraftwerks angebracht zu haben. Im Falle eines ukrainischen Angriffs, der die Anlage einzunehmen drohe, solle dieser gezündet werden. Zudem beschuldigte das ukrainische Militär Russland, militärische Ausrüstung, einschließlich Munition, in Gebäuden in der Nähe der Atomreaktoren zu lagern.
Das einzige Problem an dieser ukrainischen Saga ist, dass – freundlich ausgedrückt – nichts davon wahr ist. Der Angriff vom 5. August auf die Nuklearanlage Saporoschje wurde von Artillerie-Raketen durchgeführt, deren Aufprallmuster eindeutig darauf hindeuten, dass sie aus dem ukrainisch kontrollierten Gebiet abgefeuert wurden. Darüber hinaus haben mit Sicherheit russische Radareinrichtungen der Luftverteidigung und der Gegenartillerie, die sich in der Nähe der Anlage befinden, die ballistische Flugbahn der anfliegenden Raketen erfasst und somit unanfechtbare Beweise für den Ursprung des Angriffs gesammelt.
Dasselbe gilt für die Spionageflugzeuge der USA und der NATO, die rund um die Uhr über der Ukraine und im Umfeld des Landes im Einsatz sind. Und angesichts des propagandistischen Paukenschlags, der durch die Veröffentlichung solcher Beweise ertönen würde, kann man sicher sein, dass die USA das gleiche Szenario wiederholt hätten, wie damals bei der Veröffentlichung der Aufnahmen vom Spionageflugzeug U2 während der Kubakrise oder wie bei der Veröffentlichung des Funkverkehrs zwischen einem sowjetischen Piloten und seiner Kommandostelle, die während des Abschusses des Korean-Air-Lines-Flugs 007 im Jahr 1983 abgehört wurden.
Aber ein solches Szenario wird hier natürlich nicht eintreten. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Russland an der Verteidigung der Anlage in Saporoschje beteiligt ist, ist unwahrscheinlich, dass aufschlussreiche Informationen über Radarfähigkeiten preisgegeben werden, nur um billige Propaganda-Punkte zu sammeln. Russland hat sich bisher mit billigen Propagandaschachzügen zurückgehalten und es vorgezogen, seine Leistungen auf dem Schlachtfeld für sich sprechen zu lassen.
Jedoch nicht die Vereinigten Staaten und die Ukraine, die eine gemeinsame Erfolgsgeschichte der Zusammenarbeit vorweisen können, wenn es darum geht, Informationen zu verbreiten, die darauf abzielen, die russische Informationspolitik zu untergraben und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "schlaflose Nächte zu bereiten" – selbst wenn die Informationen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, gelogen sind.
Der ukrainische Angriff auf die Nuklearanlage von Saporoschje wurde von den Vereinigten Staaten in typisch orwellscher Manier vier Tage im Voraus vorhergesagt. Während einer Pressekonferenz am 1. August bei den Vereinten Nationen, beschuldigte US-Außenminister Antony Blinken Russland, die Nuklearanlage als Basis für Artillerieangriffe gegen die Ukraine zu nutzen. Blinken erklärte, dass das Abfeuern von Artillerie-Raketen aus der Nähe des Kernkraftwerks "der Gipfel der Verantwortungslosigkeit" sei, womit er implizierte, dass diese Raketen auf das Kraftwerk selbst stürzen könnten. Blinken fügte hinzu, dass die Russen die Nuklearanlage als "nuklearen Schutzschild" benutzen würden, weil jeder ukrainische Angriff aus Angst vor einer Beschädigung der Kernreaktoren nicht erfolgen kann.
Blinkens dreistes Nachplappern von Beschuldigungen, die von der ukrainischen Regierung gegen Russland ertönen, wurde durch den Umstand noch absurder, dass es an jeglichen Beweisen mangelt, mit denen er seine kraftvollen Anschuldigungen hätte untermauern können.
Wenn jemand von der Statur eines Außenministers sich öffentlich so über ein Thema von derartiger Bedeutung äußert, dann werden dabei normalerweise geheimdienstliche Erkenntnisse veröffentlicht – zum Beispiel Satellitenbilder, auf denen die Standorte russischer Truppen in der Nähe der Nuklearanlage Saporoschje gezeigt werden –, und sei es nur, um die Vorwürfe aufrechtzuerhalten. Solche Aufnahmen oder andere Beweise wurden jedoch nicht präsentiert, weil Blinken längst aufgehört hat, als Leiter des amerikanischen diplomatischen Dienstes zu agieren und stattdessen zu kaum mehr als einem ukrainischen Propagandisten mutiert ist.
Russland seinerseits hat deutlich gemacht, dass sich in der Nähe der Nuklearanlage Saporoschje keine russischen Streitkräfte befinden, abgesehen von einem kleinen Kontingent von Truppen zur Sicherung der Anlage – schließlich handelt es sich um ein aktives Kernkraftwerk. Während Russland eindeutige Satellitenbilder seiner Truppendisposition in der Nähe der Anlage liefern könnte, verbietet es die Betriebssicherheit, dies zu tun, um dem Feind nicht die Positionen der Truppen zu verraten. Und schließlich liegt die Verantwortung, Beweise für ein Verbrechen zu liefern, immer noch beim Ankläger und nicht beim Angeklagten.
Die Erklärung Blinkens vom 1. August diente als Auftakt zu einer Propaganda-Kampagne, die in einen ukrainischen Artillerieangriff auf die Nuklearanlage Saporoschje mündete. Das Ziel dieser Kampagne scheint zweierlei zu sein. Erstens, Russland in ein schlechtes Licht zu rücken und zweitens, der Ukraine zu ermöglichen, das zu erreichen, was sie mit militärischer Gewalt bisher nicht erreichen konnte – die Vertreibung russischer Truppen aus Saporoschje. Die Rufe nach internationaler Intervention, die im Westen laut werden, weisen auf eine konzertierte Anstrengung hin, um ein pro-ukrainisches Narrativ voranzutreiben, selbst wenn alle beteiligten Seiten wissen, dass die zugrunde liegenden Tatsachen, die dieses Narrativ stützen sollen, gelogen sind. Um dem entgegenzuwirken, hat Russland eine Einladung zu einem Besuch des Kraftwerks an Beobachter der IAEO ausgesprochen und zudem ein Treffen des UN-Sicherheitsrates einberufen, um die Situation zu klären.
Dies alles ist weitaus ernster als eine simple und erneut fehlgeschlagene Kampagne im Informationskrieg. Während die Nuklearanlage von Saporoschje nach Standards gebaut ist, die einen direkten Treffer einer Artillerie-Rakete überstehen würden, könnte die Unterbrechung der Stromversorgung und/oder die Beschädigung der Sicherheitseinrichtungen zu einem außer Kontrolle geratenden Ereignis führen, das nur mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl vergleichbar ist. Das russische Verteidigungsministerium stellte fest, dass der ukrainische Angriff auf das Kraftwerk eine Überspannung im internen Stromnetz verursacht hat, die eine Notabschaltung auslöste. Der Leiter des ukrainischen Unternehmens, das das Kraftwerk offiziell betreibt, stellte zudem fest, dass alle bis auf eine Stromleitung, die das Kraftwerk mit dem Energiesystem der Ukraine verbindet, zerstört worden sind, und erklärte, dass jegliche Stromausfälle "sehr riskant für eine solche Nuklearanlage" sein können.
Der UN-Generalsekretär Guterres nannte den Angriff auf die Nuklearanlage Saporoschje zu Recht "selbstmörderisch". Die an dieser Gräueltat beteiligten "Nuklear-Terroristen" sitzen jedoch nicht in Moskau, sondern in Washington und Kiew.
Wenn sich der Nebel nach dem Ende der Militäroperation Russlands endlich lichten wird und die Verantwortlichen für Verbrechen wie den Angriff auf die Nuklearanlage Saporoschje zur Rechenschaft gezogen werden können, sollte der Name Antony Blinken, wenn es überhaupt Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt, ganz oben auf der Liste stehen.
Übersetzung aus dem Englischen.
Anmerkung der Redaktion: Während der Übersetzung dieses Textes, soll die Ukraine am Nachmittag des 11. August das Kernkraftwerk Saporoschje erneut angegriffen haben.
Scott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie und Autor von "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung betreffen. Man kann ihm auf Telegram folgen.
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RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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