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Tödlicher Beschuss einer Zivilisten-Überfahrt in Cherson – Vier Opfer, darunter zwei Journalisten

Bei einem Raketenbeschuss auf die Antonowski-Brücke in Cherson kamen laut Behörden vier Menschen ums Leben, mehrere wurden verletzt. Überlebende Journalisten melden sich zu Wort und berichten von einem gezielten Angriff.
Tödlicher Beschuss einer Zivilisten-Überfahrt in Cherson – Vier Opfer, darunter zwei Journalisten© Readovka

Laut den örtlichen Behörden von Cherson haben ukrainische Streitkräfte am späten Donnerstag einen zivilen Flussübergang in Cherson beschossen. Bei dem Angriff sollen von den USA gelieferte HIMARS-Mehrfachraketenwerfer zum Einsatz gebracht worden sein. Eine Rakete soll nahe der Antonowski-Brücke eingeschlagen haben. Nach vorläufigen Angaben wurden insgesamt vier Menschen getötet und 13 weitere verletzt.

"Ich weiß von vier Toten, ener Frau und drei Männern", sagte Kirill Stremoussow, der Vize-Leiter der lokalen Verwaltung, am Freitagmorgen. Insgesamt seien zehn Fahrzeuge angegriffen worden.

Bei dem Angriff seien zwei Mitarbeiter des Fernseh- und Rundfunkunternehmens Tawrija ums Leben gekommen, teilte Jekaterina Gubarewa, die stellvertretende Gouverneurin des Gebiets, mit. Bei einem der Getöteten soll es sich um den russischen Produzenten Oleg Klokow aus Kaliningrad handeln. 

Berichten zufolge sollen auch mehrere Zivilfahrzeuge zerstört worden sein. Das russische Internetportal Readovka veröffentlichte auf seinem Telegram-Kanal Foto eines vom Beschuss beschädigten Kleinbusses.

Das russische Ermittlungskomitee leitete ein Strafverfahren wegen des Beschusses ein.

Mittlerweile bestätigte die Ukraine den Angriff. Natalja Gumenjuk, die Pressesprecherin des Operationskommandos der ukrainischen Streitkräfte im Süden, sagte im Fernsehen, dass Zivilisten dabei jedoch nicht zu Schaden gekommen sein könnten, da der Angriff während der Ausgangssperre erfolgt sei. Sie mutmaßte, dass russische Soldaten in Zivilkleidung verletzt worden sein könnten, um den Eindruck zu erwecken, dass es sich um Zivilisten handele.

Journalisten berichten als Zeugen

Dieser Darstellung widersprachen mehrere Zeugen der Tragödie. Alexander Malkewitsch, Journalist und Mitglied der Russischen Gesellschaftskammer, erklärte in einer auf sozialen Kanälen geposteten Videobotschaft, dass ukrainische Streitkräfte Journalisten gezielt ins Visier genommen hätten. Er sagte, dass er selbst am Kopf der Kolonne von 40 bis 50 Personen war, die zum sicheren linken Ufer übersetzten.

Viele Journalisten seien mit Familienangehörigen und Kindern unterwegs gewesen. Die ukrainische Seite habe auf zynische und kalkulierte Weise zugeschlagen. Sie hat mit US-Präzisionswaffen vom Typ HIMARS in Anfang, Mitte und Ende der Kolonne geschossen, so Malkewitsch weiter.

Er räumte ein, dass auch er möglicherweise angegriffen werden sollte, und erinnerte daran, dass russische Journalisten zuvor bereits am 25. September nach dem Referendum in Cherson in einem Hotel unter Beschuss geraten waren. Auf seinem Telegram-Kanal schrieb Malkewitsch:

"Ein solcher Angriff auf Journalisten ist ein direkter Verstoß gegen die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle. Dies ist ein weiterer Beweis für die Kriminalität des ukrainischen Regimes. Wir erwarten die Reaktion der internationalen Gemeinschaft, der Journalisten und der UNO."

Auch eine andere Journalistin, die 16-jährige Moderatorin des lokalen Fernsehsenders Tawrija Wlada Lugowskaja, meldete sich zu Wort. Sie berichtete von ihren Erlebnissen und Verletzungen aus dem Krankenhaus. Sie zeigte einen Granatsplitter, den die Ärtze aus ihrem Körper entfernt haben. Bei dem Beschuss der Überfahrt kam ihr Großvater ums Leben.

"Ein Konvoi von Journalisten und ich standen und warteten auf die Überfahrt. Jeder konnte das 'Feuerwerk' hören – die Arbeit der Luftabwehr natürlich. Alle dachten: Na ja, Luftverteidigung ist Luftverteidigung, keine große Sache.

Ich saß auf dem Rücksitz – da gab es eine plötzliche Explosion, und ich spürte, wie das Glas auf mich herabfiel. Danja, mein Kollege, unser Korrespondent bei Tawrija, rettete mich einfach mit seinem eigenen Körper und zog mich aus dem Auto, legte mich an den Straßenrand – ins Gebüsch, in ein Loch, ich weiß es nicht – und deckte mich mit sich selbst zu."

Evakuierung der Zivilisten aus Cherson

Diese Woche hatte Wladimir Saldo, der Interimsgouverneur der Region Cherson, eine Verlegung der Zivilbevölkerung vom rechten Ufer des Flusses Dnjepr angekündigt. Er begründete den Schritt mit schweren Kämpfen, die dort bald erwartet würden. Zudem warnte er vor einer möglichen Überschwemmung, falls die ukrainischen Truppen den Staudamm am Wasserkraftwerk Kachowka beschießen sollten. Rund 15.000 Menschen seien bereits umgesiedelt worden, sagte Stremoussow am Donnerstag. Insgesamt sei geplant, rund 60.000 Personen zu evakuieren.

Das Gebiet Cherson wurde Anfang Oktober zusammen mit Saporoschje und den Volksrepubliken Donezk und Lugansk offiziell in die Russische Föderation aufgenommen, nachdem die Menschen in diesen Gebieten den Beitritt zu Russland unterstützt hatten. Kiew und der Westen betrachten die Gebiete weiterhin als Teile der Ukraine.

Mehr zum Thema - Cherson: Zivilbevölkerung wird in Sicherheit gebracht

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