Die eskalierende Lage in Moldawien: Eine Übersicht
Von Thomas Röper
Weitgehend unbeachtet von den deutschen Medien eskaliert die Lage in Moldawien. Es droht ein neuer kriegerischer Konflikt. Die prowestliche Regierung des Landes hat eine schnelle Verarmung im Land zu verantworten und gibt Russland die Schuld für die andauernden Proteste im Land. Außerdem will die Regierung das Land, in dem viele nationale Minderheiten leben, "rumänisieren" und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Regierung einen Anschluss Moldawiens an Rumänien betreiben möchte.
Darüber hinaus will die Regierung das Land in die NATO führen, was in Moldawien, das sich ausdrücklich den Status eines neutralen Staates in die Verfassung geschrieben hat, von einer sehr großen Mehrheit abgelehnt wird. Hinzu kommt noch der Konflikt mit der abtrünnigen Republik Transnistrien, die mehrheitlich prorussisch ist. Nach einem Bürgerkrieg Anfang der 90er Jahre sichert eine russische Friedenstruppe die Kontaktlinie, an der es seit Jahrzehnten keine Zwischenfälle gegeben hat.
Allerdings hat die russische Einheit in dem Gebiet auch ein riesiges Munitionslager, eines der größten der Welt. Dort lagern ungefähren Schätzungen zufolge 20.000 Tonnen Waffen. Hinzu kommt noch das Äquivalent von 2.600 Güterwaggons an Munition und weiterer 500 Güterwaggons an purem Sprengstoff. Das Waffenlager weckt bei Kiew Ambitionen und die Lage an der ukrainisch-transnistrischen Grenze wird daher zusehends angespannter.
Ich werde hier die Entwicklungen in Moldawien zusammenfassen, die sich dort seit meinem letzten Artikel über die Lage in dem Land vor etwa drei Wochen ereignet haben.
Die angespannte Lage in Transnistrien
Am 27. Februar erklärte Natalja Gumenjuk, die Sprecherin des Operationskommandos Süd der ukrainischen Streitkräfte, dass Einheiten der ukrainischen Truppen in der Nähe der Grenze zu Transnistrien konzentriert werden:
"Unsere Kräfte sind entlang der Grenze konzentriert und entsprechen der hypothetisch möglichen Bedrohung."
Diese Begründung macht hellhörig. In Transnistrien sind bis zu 1.500 russische Soldaten als Friedenstruppen zur Sicherung der Kontaktlinie zwischen Moldawien und Transnistrien stationiert. Die Streitkräfte Transnistriens umfassen maximal 20.000 Soldaten. Da es keine Landverbindung zwischen Russland und Transnistrien gibt, ist es für Russland unmöglich, die russischen Truppen im Falle eines Krieges zu verstärken, zu versorgen und mit Nachschub zu beliefern. Eine militärische Bedrohung für die Ukraine geht von den dort stationierten, aber von Russland abgeschnittenen 1.500 russischen Soldaten sicherlich nicht aus, solange Russland keinen Landkorridor entlang der Schwarzmeerküste von der Krim bis Transnistrien inklusive der Stadt Odessa kontrolliert. Und davon ist Russland derzeit weit entfernt.
Am 28. Februar wurde in der Ukraine auch erklärt, man werde Grenzbefestigungen entlang der Grenze zu Transnistrien bauen.
Experten vermuten daher, dass die Ukraine – eventuell zusammen mit Moldawien, das die Kontrolle über Transnistrien zurückhaben möchte – versuchen könnte, Transnistrien anzugreifen, um erstens die russischen Truppen dort zu vernichten und zweitens die dringend benötigte Munition unter Kontrolle zu bekommen. Das wäre für Kiew umso reizvoller, als die russischen Einheiten einem solchen Angriff von allen Seiten kaum lange widerstehen könnten, was Kiew einen propagandistisch nutzbaren Sieg bringen und Russland erniedrigen würde.
Einen Hinweis darauf, dass das nicht aus der Luft gegriffen ist, lieferte der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates Alexei Danilow am 3. März, als er in einem Interview sagte, wenn die moldawische Präsidentin Sandu um militärische Hilfe bei der Situation um Transnistrien bittet, "kann das unter Berücksichtigung aller Prozesse und Umstände in Betracht gezogen werden. Umso mehr, weil wir Nachbarn sind".
Am 9. März hat der transnistrische Geheimdienst gemeldet, er habe einen Attentatsversuch gegen den transnistrischen Regierungschef vereitelt. Demnach seien zwei Männer festgenommen worden, die im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes eine Autobombe neben dem Fahrzeug des Regierungschefs zünden sollten. Kiew bestreitet natürlich, etwas damit zu tun zu haben.
Die Rumänisierung Moldawiens
Dass die moldawische Präsidentin Sandu – nicht einmal allzu heimlich – versucht, Moldawien zu rumänisieren, habe ich schon öfter berichtet. Am 27. Februar hat die moldawische Regierung ein Gesetz ins Parlament eingebracht, das die Umbenennung der Staatssprache von Moldawisch in Rumänisch beschließen soll.
Der Streit über den Namen der Sprache tobt in Moldawien seit 1989, als das Parlament im Zuge der Perestroika Moldawisch zur Staatssprache erklärte und die bis dahin verwendete kyrillische Schrift durch die lateinische Schrift ersetzte. Gleichzeitig wurde der Feiertag "Unsere Sprache" eingeführt, benannt nach dem gleichnamigen Gedicht von Alexei Mateevici (1888–1917), einem Klassiker der moldawischen Literatur. 1994 wurde dieses Gedicht zum Text der Nationalhymne.
2013 flammte die Kontroverse erneut auf, nachdem das moldawische Verfassungsgericht Rumänisch zur Amtssprache erklärt hatte und sich dabei auf die "Vorrangigkeit" des Textes der moldawischen Unabhängigkeitserklärung vor der Verfassung berief, in der die rumänische Sprache erwähnt wurde. Die Unabhängigkeitserklärung wurde 1991 vom Parlament verabschiedet und die Verfasser haben eingestanden, dass sie mithilfe von Diplomaten aus dem benachbarten Rumänien verfasst wurde. Die Verfassung wurde jedoch nicht geändert und die Frage der Bezeichnung der in Moldawien gesprochenen Sprache bleibt eine der Ursachen für Spannungen in der Gesellschaft.
Der ehemalige moldawische Präsident Igor Dodon und die oppositionelle Sozialistische Partei argumentieren, dass Moldawisch die Staatssprache ist und dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts, sie umzubenennen, illegal ist. Umfragen zufolge ist die Mehrheit der Bevölkerung des Landes der Meinung, die Staatssprache sei Moldawisch.
Die aktuelle Streitfrage ist nun, ob für die Umbenennung der Staatssprache von Moldawisch in Rumänisch eine einfache Mehrheit genügt, die die Regierung im Parlament hat, oder ob das eine Verfassungsänderung ist, die eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Bei der Debatte über diesen Streit kam es am 2. März im Parlament zu Schlägereien zwischen Abgeordneten von Regierung und Opposition.
Proteste gegen die Regierung
Über die Proteste, die es in Moldawien seit letztem Sommer gibt, habe ich schon oft berichtet. Die Proteste richten sich in erster Linie gegen die Politik der prowestlichen Regierung, die faktisch auf russisches Gas verzichtet hat und Gas zu den um ein Vielfaches höheren europäischen Börsenpreisen kauft, was in dem ohnehin schon bettelarmen Land zu einer Explosion der Preise für Strom und Heizung geführt hat. Dazu finden Sie am Ende des Artikels mehr Details.
Trotz eines Verbotes von Demonstrationen hat die Polizei am 28. Februar nach kurzen Verhandlungen mit den Organisatoren einer großen Demo den Weg freigegeben und der große Demonstrationszug mit tausenden Teilnehmern konnte ungehindert durch das Zentrum der Hauptstadt ziehen. Dabei skandierten die Menschen "Sieg", "Die Polizei ist mit uns", "Wir sind das Volk", "Nieder mit Präsidentin Maia Sandu" und "Nieder mit der Diktatur".
Die wichtigste Forderung der Demonstranten war an dem Tag, dass der Verteidigungshaushalt des Landes zugunsten sozialer Maßnahmen, die die explodierten Wohnnebenkosten kompensieren sollen, gekürzt wird. Die Regierung hatte den Verteidigungshaushalt für 2023 gegenüber dem Vorjahr um 68 Prozent erhöht.
Die moldawische Gaskrise
Moldawiens Liefervertrag für Gas mit Gazprom ist Ende 2021 ausgelaufen und die Verhandlungen über einen neuen Vertrag waren schwierig, weil Moldawien unbeglichene Gasrechnungen hatte. Trotzdem hat sich Gazprom schließlich zum Abschluss eines neuen Vertrages bereiterklärt und die Begleichung der Schulden aufgeschoben. Wie wir heute wissen, war das nicht die Entscheidung von Gazprom, sondern Gazprom hat die Lieferungen fortgesetzt, weil Putin das angeordnet hatte, um eine humanitäre Katastrophe in Moldawien zu vermeiden. Der Streit hat damals einigen Wirbel in den Medien gemacht, die Details finden Sie hier.
Moldawien ist aber auch danach ein unzuverlässiger Zahler geblieben und hat nur einmal pünktlich bezahlt. Daher hielt die Gaskrise unvermindert an, was der Regierung den Vorwand zur Verlängerung des Ausnahmezustandes gegeben hat, denn der muss in Moldawien alle 90 Tage explizit verlängert werden. Die Regierung hat sich den Vorwand zur Verlängerung des Ausnahmezustandes und zur damit verbundenen – formaljuristisch legalen – Einschränkung von Pressefreiheit und Freiheitsrechten selbst geschaffen.
Damit aber nicht genug. Das bettelarme Land hätte das Gas von Gazprom zu einem Preis von 430 Dollar pro tausend Kubikmeter beziehen können, wenn es seinen Verpflichtungen aus den Lieferverträgen nachgekommen wäre und pünktlich bezahlt hätte. Zu dem Zeitpunkt lag der Gaspreis in Europa bei 2.000 Dollar, das war also ein echter "Schnäppchenpreis". Da die Gaspreise bei solchen langfristigen Verträgen an einen Warenkorb aus Energieträgern gebunden sind, wäre der Gaspreis heute noch niedriger und läge in jedem Falle weit unter dem, was Moldawien an der europäischen Börse für Gas bezahlen muss.
Die moldawische Regierung aber keinen Vertrag mit Gazprom und hat ihn daher mit der fortgesetzten Nichtzahlung sabotiert. Nun kauft sie das Gas für den bis zu vierfachen Preis auf dem europäischen Markt ein. Und weil Moldawien das nicht bezahlen kann, hat Präsidentin Sandu bei der EU um Geld gebettelt, das Deutschland und Frankreich ihr auch prompt bereitgestellt haben. Im November 2022 haben die beiden Länder Moldawien auf einer Geberkonferenz 130 Millionen Euro versprochen, damit Moldawien sein Gas in der EU kaufen kann, die selbst in einer Gaskrise steckt.
Zuerst veröffentlicht am 10. März auf dem Medienportal Anti-Spiegel.
Thomas Röper ist Herausgeber und Blogbetreiber der Webseite Anti-Spiegel.
Mehr zum Thema - Wie bereitet sich Transnistrien auf einen möglichen Angriff der ukrainischen Streitkräfte vor?
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