Europa

"Interessantes Hütchenspiel" ‒ EU-Abgeordneter Sonneborn kommentiert jüngste EU-Pfizer-Pläne

Die Financial Times erhielt Einblick in die neuesten Kungeleien in Brüssel, basierend auf den weiterhin geheim gehaltenen Vertragsabsprachen der EU-Kommissionspräsidentin und des Pharma-Giganten Pfizer. Pfizer winkt die finale EU-Monopolstellung beim Thema "Impfungen".
"Interessantes Hütchenspiel" ‒ EU-Abgeordneter Sonneborn kommentiert jüngste EU-Pfizer-PläneQuelle: www.globallookpress.com © Robert Michael

Bereits Ende April veröffentlichte die Financial Times (FT) einen Artikel mit dem Titel "BioNTech/Pfizers geplanter EU-Deal für 70 Millionen COVID-Spritzen bedroht Rivalen" (Bezahlschranke). In dem Artikel heißt es einleitend:

"Ein vorgeschlagenes Abkommen zwischen BioNTech/Pfizer und der EU über etwa 70 Millionen COVID-19-Impfungen pro Jahr bis 2026 droht, die Konkurrenten Moderna, Novavax und Sanofi vom Markt zu verdrängen, wodurch die Gefahr besteht, dass die regionale Prävention von COVID-19 auf ein einziges Produkt beschränkt bleibt."

Der für seine spitze Feder und Zunge gefürchtete EU-Abgeordnete der Partei "Die Partei", Martin Sonneborn, und bekennender politischer Gegner von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, kommentiert in einem längeren Twitter-Beitrag diesbezüglich:

"Wenn deren Berichte zutreffen, dann schlägt die Kommission vor, die Pfizer gegenüber bestehende Zahlungverpflichtung in Höhe von 10 MILIARDEN EURO durch eine Pfizer gegenüber bestehende Zahlungsverpflichtung in Höhe von 10 MILIARDEN EURO zu ersetzen. Ein interessantes Hütchenspiel." (Fehler in der Rechtschreibung entstammen der Originalquelle)

Laut dem FT-Artikel verhandele die Europäische Union aktuell mit dem US-Pharma-Giganten Pfizer "über eine geänderte Vereinbarung, obwohl die europäische Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Untersuchung der ursprünglichen Vereinbarung eingeleitet hat". Der jüngste Vorschlag seitens der EU sieht demnach nun vor, die verabredete abzukaufende Impfstoffmenge von 500 Millionen Dosen auf insgesamt 280 Millionen zu reduzieren.

Abgenommen werden sollen künftig 70 Millionen Dosen pro Jahr bei gleichzeitiger Streckung des Lieferzeitraums bis 2026. Pfizer sei dann bereit, die ursprünglich bestellten, nun aber nicht abgenommenen Einheiten gegen eine "Stornogebühr" von 10 Euro pro Dosis zu streichen. Dies aber nur, wenn die EU im Gegenzug einen höheren Preis für die bis 2026 zu liefernden Dosen akzeptiere. Sonneborn erinnert in seiner Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse dieses milliardenschweren Skandals:

"Im Mai 2021 hatte die Kommission den größten Deal der Pharmageschichte abgeschlossen. Nach zwei ersten Vereinbarungen (vom November 2020 und Februar 2021) mit Pfizer/Biontech über den Kauf von (insgesamt) 600 Millionen Dosen gab sie eine nochmalige Bestellung über zusätzliche 900 Millionen Dosen auf ‒ mit einer Option auf 900 Millionen weitere, die (dankenswerterweise) nie ausgelöst wurde."

Der FT-Artikel hält bezüglich der aktuellen Hintergrunddynamiken Folgendes fest: Sollten die härtesten Kritiker des Vertrags-Status quo, "Polen und einige andere mitteleuropäische Länder", doch noch überzeugt werden können, die geplante Vertragsmodalität zu ändern,

"würde ein überarbeitetes Abkommen die Beinahe-Monopolstellung von BioNTech/Pfizer in der gesamten EU unterstreichen."

Sollten BioNTech/Pfizer dann als kooperatives Alleinstellungsmerkmal "in den nächsten Jahren etwa 70 Millionen Dosen pro Jahr liefern, ist das so ziemlich der gesamte Markt", so eine mit den Verhandlungen vertraute Person gegenüber der Financial Times. Sonneborn wertet das gesamte Ereignis mit der Feststellung:

"Von der Leyen hat die offiziellen EU-Vertragsgespräche mit der Pharmaindustrie, die nach einem festgelegten Protokoll von mandatierten Verhandlungsführern und Experten der Kommission durchzuführen waren, allem Anschein nach erfolgreich unterlaufen und die Verhandlungen für diesen dritten, größten, teuersten, wettbewerbsverzerrendsten und stümperhaftesten Pfizer-Vertrag in seinen entscheidenden Teilen an sich gezogen ‒ unter Überschreitung ihrer Amtszuständigkeit als Kommissionspräsidentin und Verletzung der für EU-Beamte verbindlichen Verfahrensvorschriften."

Wenig überraschend lehnte das Unternehmen Pfizer wie auch die Pressestelle der EU-Kommission "unter Verweis auf die Vertraulichkeit eine Stellungnahme ab". Pfizer erklärte lediglich, die Gespräche seien "in gutem Glauben von allen Parteien" geführt worden und man sei bestrebt, "pragmatische Lösungen" für die öffentliche Gesundheit zu finden, so der FT-Artikel. Sonneborn kommentiert, mit EU-Regularien bestens vertraut, etwas spitzer formuliert:

"Seit zwei Jahren verweigern Kommission und von der Leyen, die ihre Transparenzverbundenheit immer mit ohrenbetäubend geschmacklosen Verbalkaskaden simuliert hatte, nun schon die Veröffentlichung der abgeschlossenen VERTRÄGE ‒ selbst Parlament und Untersuchungsausschuss bekommen nichts als durch Schwärzung unkenntlich gemachte Ausfertigungen zu Gesicht. Wir halten das langsam wirklich für lächerlich. So nachvollziehbar alles Geraune um Geschäfte, Gewinne und Geheimnisse in den sonderbaren Zeiten der Pandemie (für einige) noch gewesen sein mag, so unhaltbar ist es heute."

Laut FT-Informationen existiere mittlerweile keine geplante neue EU-Vereinbarung mit dem Unternehmen Moderna, dem bedeutendsten Konkurrenten von Pfizer, so eine mit dem Unternehmen vertraute Person. Moderna legte in einer Erklärung dar, dass es "eine diversifizierte Versorgung mit Impfstoffen geben muss, um künftige Varianten der Besorgnis abzuschwächen und eine angemessene und abgeschwächte Versorgung sicherzustellen".

Die neuen EU-Verhandlungen finden zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Europäische Staatsanwaltschaft die weiterhin unbekannten Details zwischen Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Albert Bourla, dem Vorstandsvorsitzenden von Pfizer, untersucht, bevor das Geschäft abgeschlossen wurde.

Brüssel hat sich bis dato standhaft geweigert, diese Nachrichten zu veröffentlichen. Sonneborn erläutert abschließend die finanziellen Dimensionen des möglichen anstehenden "Hütchenspieler"-Vertrags:

"Fassen wir kurz zusammen: Die Kommission schlägt vor, auf 220 Millionen ursprünglich bestellte Pfizer-Dosen gegen eine Stornogebühr von 2,2 MILLIARDEN Euro zu verzichten, und gibt im Gegenzug eine als umwidmende Nachverhandlung getarnte Neubestellung über 280 Millionen Einheiten auf, die mit einer Summe zwischen 5,6 MILLIARDEN und einer anderen, die wir nicht mehr zuverlässig ausrechnen können, zu Buche schlägt. Damit ersetzt sie eine Pfizer gegenüber bestehende Zahlungsverpflichtung in Höhe von (ziemlich genau) 10 MILLIARDEN Euro durch eine Pfizer gegenüber bestehende Zahlungsverpflichtung in Höhe von (mindestens) 10 MILLIARDEN Euro. Ein interessantes Hütchenspiel."

Vollkommen unnötig sei laut Sonneborn zu erwähnen, "dass Pfizer ‒ Stichwort Steueroptimierung ‒ seine in der EU erwirtschafteten Gewinne, bevor sie endgültig abfließen, natürlich über die (noch) legalen EU-Steueroasen Irland, Niederlande und Luxemburg abwickelt ‒ zu einem Steuersatz, der Ihnen da draußen Tränen in die Augen treiben dürfte (12,5%)".

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