Warum Bosnien und Herzegowina keine Visumpflicht für Bürger Russlands einführt
Von Marinko Učur, Banja Luka
Die Europäische Kommission fordert Bosnien und Herzegowina (BiH) seit längerem auf, eine Visumpflicht für sieben nach Ansicht Brüssels umstrittene Länder einzuführen. Russland, China und die Türkei befinden sich an der Spitze dieser Liste, aber auch Saudi-Arabien, Aserbaidschan, Oman und Katar erachtet die Brüsseler Regierung als nicht erwünscht. In BIH herrscht ein erfolgreicher Widerstand gegen diese Absicht vor, nicht weil diesbezüglich keine einheitliche und konsistente interne Vereinbarung getroffen werden kann, sondern weil durch das System der Entscheidungsfindung in diesem Land ein nationenübergreifender Konsens in Fragen von vitalem nationalen Interesse festgesetzt ist.
In der Republika Srpska, einer der beiden Entitäten des trinationalen Landes, ist es aus mehreren Gründen von vitalem Interesse, der Diskriminierung von Bürgern mit russischen und chinesischen Reisedokumenten vorzubeugen. Der erste Grund liegt darin, dass die Bürger von Bosnien und Herzegowina kein Visum benötigen, um in die beiden genannten Länder einzureisen. Man geht davon aus, dass Moskau und Peking automatisch und im Gegenzug gleich reagieren würden auf einen solchen möglichen Schritt dieses kleinen Balkanstaates mit seinem schweren Erbe des blutigen Bürgerkriegs und ethnischen Konfliktes in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Ein weiterer Grund sind die Geschäftsbeziehungen, insbesondere zwischen der Republika Srpska und der Russischen Föderation, sowie die Nähe dieser beiden Völker – Serben und Russen. Schließlich lehnt die Republika Srpska die Einführung von Sanktionen gegen die Russische Föderation energisch ab, da die offizielle Politik von Banja Luka darin besteht, dass Bosnien und Herzegowina im Hinblick auf die spezielle russische Militäroperation in der Ukraine am besten ihren neutralen Status aufrechterhält.
Die anderen beiden Völker, Kroaten und Bosniaken, sind damit nicht einverstanden, aber wenn man bedenkt, dass sie auch ihre eigenen Sonderinteressen vertreten, dauert in der Szene eine Art Pattsituation an. Was auch immer die Beweggründe der einheimischen Bosniaken sein mögen, sich gegenüber Brüssel unterwürfig zu verhalten und dessen Forderungen in Bezug auf die Einführung der Visumpflicht für russische Staatsbürger zu erfüllen, liegt es ihnen sehr am Herzen, ihre guten Beziehungen mit der Türkei aufrechtzuerhalten, die sie als starkes internationales Rückgrat wahrnehmen.
Es bleibt jedoch rätselhaft, dass die Bosniaken als einzige muslimische Nation bereit sind, die Brüsseler Regierung in Hinblick auf die antirussischen Sanktionen zu unterstützen. Bisher erfolglos, zumindest was den Druck der EU angeht, für Russen eine Visumpflicht einzuführen, weil die Republika Srpska sich strikt dagegen ausspricht. Was die Kroaten betrifft, so verlassen sie sich mehr oder weniger auf das offizielle Zagreb und seine Politik, sind sich jedoch bewusst, dass sie aufgrund der komplexen internen Struktur von Bosnien und Herzegowina und der Art der Entscheidungsfindung mit heterogenen Interessen und oft unvereinbaren Einstellungen konfrontiert sind. Mit anderen Worten, eine Einführung der Visumpflicht für Russen, Chinesen, Türken et cetera wird vorerst nicht verwirklicht, da die Republika Srpska solche Ankündigungen auf das Schärfste ablehnt.
Bosnien und Herzegowina sowie Serbien wurden mehrfach aufgefordert, "ihre Außenpolitik mit der Europäischen Union zu harmonisieren", da beide Länder Beitrittskandidaten und verpflichtet sind, die Anforderungen Brüssels, einschließlich der Visapolitik, einzuhalten. Keines der beiden Länder, insbesondere Serbien, hat solche Ultimaten bisher vollständig erfüllt.
"Wir werden ihnen nicht Folge leisten, wenn ich über die Türkei spreche. Sie sind Freunde von Bosnien und Herzegowina, und es gibt keinen Umstand, in dem es passieren könnte, dass Minister der Republika Srpska ihre Hand zur Einführung der Visumpflicht für Russen oder Chinesen heben würden",
bekräftigte jüngst mit einem gewissen Sinn für die Realität der bosniakische Außenminister Elmedin Konaković.
Die Politik der Konditionierung und Erpressung der Balkanstaaten durch Brüssel ist immer noch am Werk, sodass der Euroskeptizismus immer präsenter wird, da es keinen Hinweis darauf gibt, wann sich die EU-Erweiterung auf den Westbalkan ausweiten könnte. Obwohl einzelne BiH-Diplomaten in Brüssel für EU-Sanktionen gegen Russland, Weißrussland und einige ihrer Bürger stimmten, wurden diese Sanktionen in Bosnien und Herzegowina nicht umgesetzt, weil diesbezüglich der Ministerrat von Bosnien und Herzegowina einen Sonderbeschluss unterzeichnen muss, und in diesem Gremium blockieren bekanntlich die serbischen Minister jeden Versuch, solche Absichten zu legalisieren, einschließlich der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Visapolitik.
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