Für die Profite der Rüstungsfirmen: Kiew soll mehr junge Rekruten einziehen
Von Robert Bridge
Während sich europäische Verteidigungskonzerne in Kiew die Klinke in die Hand drücken, um Pläne für die Errichtung von Produktionsanlagen für Waffen auf ukrainischem Boden zu besprechen, werden im Westen die Stimmen lauter, die fordern, dass Kiew mehr Kanonenfutter für die katastrophale Gegenoffensive gegen Russland aufbietet.
Von Soldaten, die in schlammigen Schützengräben inmitten von links, rechts, vorne und hinten einschlagender Artilleriegranaten festsitzen, wurde der Begriff "Krieg" im Laufe der Zeit zu Recht als "Hölle" umschrieben. Aber für diejenigen, die sich weit weg vom Kriegsgeschehen befinden, in innerstädtischen Glaspalästen, ist der Krieg zu einer regelrechten Geldmaschine geworden, die auf Kosten von Menschenleben Profite verspricht.
"Der Krieg ist möglicherweise das älteste, bei Weitem profitabelste Geschäft und sicherlich das bösartigste", bemerkte der pensionierte US-Generalmajor Smedley D. Butler (1881–1940) in seinem 1935 veröffentlichten Text "War is a Racket" (Krieg ist ein schmutziges Geschäft).
Im heutigen Zeitalter, in dem der militärisch-industrielle Komplex praktisch wie ein Süchtiger an der Nadel hängt, ist der verabscheuungswürdige menschliche Instinkt, Kriegsgewinne zu machen, offensichtlich immer noch vorhanden. Tatsächlich drängen die großen Volkswirtschaften der westlichen Welt in Richtung Kiew, um sozusagen "die Ernte einzutreiben", nach all den Milliarden Dollar an Waffen und finanzieller Unterstützung, die man der Ukraine seit Februar 2022 bisher kostenlos zur Verfügung gestellt hat.
Im vergangenen Monat genehmigte das deutsche Bundeskartellamt die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen der Rheinmetall Landsysteme GmbH und der Ukrainischen Verteidigungsindustrie (UDI) mit Sitz in Kiew. Rheinmetall ist ein Technologiekonzern, der in den Bereichen Rüstungsindustrie und Automobilkomponenten tätig ist. UDI ist ein ukrainisches Staatsunternehmen der Verteidigungsindustrie mit rund 67.000 Mitarbeitern und wird vom Ministerkabinett der Ukraine beaufsichtigt.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, wurde mit den Worten zitiert: "Angesichts der geopolitischen Lage befindet sich die Rüstungsindustrie im Umbruch. Das hier geprüfte Gemeinschaftsunternehmen zwischen Rheinmetall und der ukrainischen Verteidigungsindustrie wird Militärfahrzeuge in der Ukraine produzieren und warten. Wir haben umgehend unsere Zustimmung zu diesem Vorhaben gegeben."
Um an der Front der Kriegsgewinnler nicht übergangen zu werden, beteiligte sich die französische Verteidigungsindustrie an einer "beispiellosen Werbemaßnahme" in Kiew. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu besuchte die Hauptstadt der Ukraine zu einem internationalen Waffenforum, allerdings nicht in Begleitung von hochrangigen Militärs, sondern in Begleitung der Vorstandsvorsitzenden von rund 20 französischen Verteidigungsunternehmen.
"Kostenlose Waffenlieferungen können nicht auf unbestimmte Zeit erfolgen", sagte Lecornu während seines Besuchs, bei dem er Präsident Wladimir Selenskij und seinen neuen Verteidigungsminister Rustem Umerow traf. "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir den Kurs ändern müssen. Lokale Industriepartnerschaften sollten zur Norm werden, während Waffenlieferungen aus dem Ausland die Ausnahme sein sollten", berichtete Le Monde unter Berufung auf Quellen, die dem Minister nahestehen.
Lecornu bestätigte auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter), dass es Frankreich gelungen sei, "rund zehn Vereinbarungen zwischen französischen Herstellern abzuschließen, was die Solidität und Zuverlässigkeit unseres Engagements beweist". Unterdessen hat auch das britische Unternehmen BAE Systems seine Pläne für die Produktion von Waffen auf dem Territorium der Ukraine bekannt gegeben.
Es versteht sich von selbst, dass dieser Ansturm auf die Kriegsgewinne der Verteidigungsindustrie das dazu passende Narrativ erfordert, insbesondere in einer Phase, in der in vielen westlichen Hauptstädten die Besorgnis über die spürbaren Rückschläge der ukrainischen Armee gegenüber den russischen Streitkräften zum Ausdruck gebracht wird.
Am selben Tag, an dem die Partei des prorussischen Populisten Robert Fico siegreich aus den Parlamentswahlen in der Slowakei hervorging und dadurch möglicherweise die europäische Einheit gegenüber der Ukraine destabilisieren wird, verfasste Ben Wallace, der ehemalige britische Verteidigungsminister, einen Hammer von einem Meinungsartikel für den britischen Telegraph, wo er ohne jede Spur von Ironie behauptete, dass "die Gegenoffensive der Ukraine erfolgreich ist."
"Flüstern Sie es, wenn Sie es nötig haben. Trauen Sie sich, es zu denken. Aber jetzt müssen wir den Job beenden. Die Gegenoffensive der Ukraine ist erfolgreich. Langsam aber sicher durchbrechen die ukrainischen Streitkräfte die russischen Linien. Manchmal Meter für Meter, manchmal Dorf für Dorf, die Ukraine hat den Schwung und gewinnt an Boden."
Es gibt nur ein Problem mit der übertriebenen Euphorie von Ben Wallace – was er von sich gibt, ist völliger Blödsinn. Und doch schlürfen zahlreiche Menschen diese Kriegspropaganda mit dem Löffel auf und bitten um noch mehr davon. An der gesamten Frontlinie, angesichts einer undurchdringlichen, tief gestaffelten russischen Verteidigungslinie – mit Minen, Artillerie und nahezu völliger Luftüberlegenheit – haben die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen vier Monaten ihrer Gegenoffensive jeweils einen Schritt vorwärts und zwei zurück gemacht. Wenn es den ukrainischen Streitkräften gelingt, ein Dorf oder einen Bauernhof zu erobern, zu Fuß, da sie sich nicht mehr in die Todesfallen von gepanzerten Fahrzeugen trauen, so erweist sich dies am Ende fast immer als selbstzerstörerischer und mit hohem Blutzoll erkaufter Scheinerfolg.
Seit Juni haben die ukrainischen Streitkräfte schätzungsweise 81.000 Soldaten bei ihren Versuchen verloren, von Russland eroberte Gebiete in den Regionen Saporoschje, Donezk, Lugansk und Cherson einzunehmen. Unter Zuhilfenahme einer von den russischen Streitkräften eingerichteten speziellen Funkfrequenz haben sich seit dem vergangenen Sommer 10.000 ukrainische Soldaten über diese Frequenz gemeldet und sich den Russen ergeben. Unnötig zu erwähnen, dass das erklärte Ziel von Kiew, die russischen Streitkräfte endgültig von der Landbrücke zur Halbinsel Krim zu verdrängen, bisher illusorisch geblieben ist.
Und hier bekommt die Botschaft von Ben Wallace an das ukrainische Volk einen sehr dunklen und sogar finsteren Beigeschmack. Während der ehemalige britische Verteidigungsminister in seinem Meinungsartikel die Ukraine praktisch anflehte, "ihren Teil beizutragen" – als ob sie sich bisher auf ihren Lorbeeren ausgeruht hätte – belehrte er Kiew über die mangelnden Bemühungen bei der Mobilisierung von Soldaten, insbesondere über den Mangel an neuen Rekruten.
"Das Durchschnittsalter der Soldaten an der Front liegt bei über 40 Jahren. Ich verstehe den Wunsch von Präsident Selenskij, die Jugend für die Zukunft der Ukraine zu bewahren. Aber Tatsache ist, dass Russland bereits das ganze Land heimlich mobilisiert hat." Tatsächlich sind die Rekrutierungsbemühungen Russlands nicht "heimlich", da allgemein bekannt ist, dass sich seit Beginn der militärischen Sonderoperation im Februar 2022 rund 300.000 Russen freiwillig zum Militärdienst gemeldet haben.
Es ist der absolute Gipfel der Arroganz und des Zynismus, wenn ein Vertreter eines Landes, ein ehemaliger Verteidigungsminister Großbritanniens, ein anderes Land darum bittet, das Rekrutierungsalter zu senken. Vor allem, wenn das primäre Ziel nicht darin besteht, einen Sieg auf dem Schlachtfeld zu erringen, sondern darin, einen stetigen Fluss der Profite für westliche Waffenhersteller aufrechtzuerhalten. Keine Soldaten, kein Bedarf an teuren Waffensystemen. So einfach ist die Rechnung.
Und damit wir es nicht vergessen: Millionen junger Ukrainer sind bereits aus ihrem Land geflohen und werden nie wieder zurückkehren. Doch irgendwann muss die Ukraine ihre gefährlich drastisch gesunkene Bevölkerungszahl wieder hochfahren, wenn sie in irgendeiner Form als Staat überleben will – eine Tatsache, die Ben Wallace praktischerweise übersehen hat.
Moskau ist übrigens nichts von all dem entgangen. Während die Franzosen in Kiew waren, Champagner tranken und über Kriegsprofite verhandelten, waren die Russen damit beschäftigt, industrielle Anlagen in Schutt und Asche zu legen, in einem breiten Industriegürtel im ukrainischen Territorium, der sich von den Städten Tscherkassy, die etwa 200 km südlich von Kiew liegt, bis hin nach Charkow, der zweitgrößten Stadt des Landes, erstreckt.
Damit richtete Moskau eindeutig eine direkte Botschaft an westliche Kriegsinvestoren, eine nicht wirklich subtile Warnung, dass sich alle Versuche, die Ukraine zu militarisieren und den Konflikt im Namen ihrer Kriegsprofite auszuweiten, sich nicht positiv auf das von ihnen angestrebte Endergebnis auswirken wird.
Dieser Text erschien in englischer Sprache bei Strategic Culture Foundation.
Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist Autor von "Midnight in the American Empire": Wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören. Man findet ihn auf X unter @Robert_Bridge.
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