Montenegro: Neue Regierung zwischen antirussischen Sanktionen und angestrebtem EU-Beitritt
Von Marinko Učur
Auf der Grundlage einer befristeten oder dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung leben derzeit 20.000 russische Staatsbürger in Montenegro – und verfügen dort über knapp 19.000 Immobilien. Offiziellen Angaben zufolge handelt es sich hierbei um die zahlenstärkste ausländische Bevölkerungsgruppe in dem kleinen Land, das laut letzter Volkszählung insgesamt wenig mehr als 600.000 Einwohner zählt.
Doch als Russland die militärische Sonderoperation in der Ukraine startete, beschloss man in Montenegro als ein Land, das seine auf dem Berliner Kongress im Jahr 1878 erlangte Unabhängigkeit und Existenz größtenteils Russland zu verdanken hat, dennoch quasi Vorreiter unter jenen Balkanländern zu sein, die Sanktionen gegen Moskau verhängten. Ob als loyales NATO-Mitglied oder als Anhänger der Brüsseler EU-Bürokratie spielt dabei keine Rolle. Es ist vielmehr wichtig festzuhalten, dass die Führung dieses Landes offenbar ein erstaunliches Maß an Vergesslichkeit und ein solides Potenzial zur Unterwürfigkeit gegenüber seinen neuen Freunden zeigte.
Dennoch dachte jemand in Brüssel daran, die Wirksamkeit der gegen Russland und gegen die Vermögen von dessen Bürgern verhängten Sanktionen in Montenegro zu überprüfen. Dadurch kamen für Brüssel erschreckende Daten ans Tageslicht.
Es wurde von der staatlichen Katasterverwaltung bestätigt, dass das Vermögen nur eines einzigen Russen eingefroren worden war, was ein Alarmsignal für die Erfinder und Befürworter antirussischer Sanktionen war.
Es wird behauptet, dass Montenegro europäische Beamte mit jener Aussage in die Irre geführt habe, wonach Vermögenswerte von 34 russischen Bürgern eingefroren worden seien, gegen die gemäß den Forderungen der EU Sanktionen verhängt werden sollten. Dies behauptete einst der ehemalige Innenminister Filip Adžić und erklärte, dass die Regierung der europäischen Praxis folgend die Immobilien der sanktionierten Russen eingefroren habe.
Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen, und nun wird nach "Schuldigen" gesucht, die zu "wohlwollend" gegenüber solchen russischen Bürgern waren, die einst Milliarden Euro in Montenegro investierten, vor allem in Immobilien sowie in der Hotellerie- und Tourismusbranche. Dieses frische Kapital war einst die wichtigste treibende Kraft hinter dem Wirtschaftswachstum in Montenegro – zu jener Zeit, als sich die Beziehungen zwischen Moskau und Podgorica in einem Aufwärtstrend befanden.
Aber dass es keine ewigen Freundschaften gibt, sondern nur ewige Interessen, wurde bei dieser Gelegenheit bestätigt. Die neue Regierung von Premierminister Jakov Milatović wird diese Fragen beantworten müssen, obwohl die antirussischen Sanktionen ein Erbe des Regimes des ehemaligen Präsidenten Milo Đukanović sind.
Es ist kein Zufall, dass dieses Thema gerade in diesem Moment ans Tageslicht kommt. Denn dem Đukanović-Regime fällt es schwer, sich damit abzufinden, dass seiner Meinung nach ein proserbischer und prorussischer Mann wie Andreia Mandić, der Vorsitzende der Partei Neue Serbische Demokratie (NSD), zum Vorsitzenden des montenegrinischen Parlaments gewählt wurde.
Mandićs Gegner hören seit Januar 2019 nicht auf, in den Medien Fotos zu veröffentlichen, die ihn und einige andere Montenegriner, damals Oppositionsführer, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin während dessen einstigen Besuchs in Belgrad zeigen. Sie behaupten, nun sei Putins Mann an die Spitze des Parlaments gewählt geworden, dessen Partei laut US-amerikanischen Vorwürfen angeblich von Russland finanziert worden wäre.
Mandić ist eine der führenden Persönlichkeiten einer Koalition der Demokratischen Front, der wiederholt die Ansicht geäußert hat, dass Montenegro auch seine Anerkennung der selbsternannten "Republik Kosovo" zurückziehen solle. Er macht keinen Hehl daraus, dass er die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland befürwortet und die Mitgliedschaft Montenegros in der NATO ablehnt.
Dies ist also die "heiße Kartoffel" in den Händen der neuen Regierung in Podgorica, die ein gewisses Maß an Loyalität gegenüber ihren europäischen Partnern zeigen muss, aber auch die Entschlossenheit, sich von der jahrzehntelangen autokratischen Herrschaft des früheren Regimes zu distanzieren, das Montenegro von seinen traditionellen Freunden und Verbündeten Serbien und Russland entzweit hatte.
In der Zwischenzeit wurde auch die Identität des einzigen russischen Staatsbürgers bekannt gegeben, dessen Vermögen in Montenegro eingefroren wurde. Die Rede ist von Marat Baschirow, dem ehemaligen Ministerpräsidenten der Volksrepublik Lugansk.
Damit sind die "Falken" aus den Reihen der Vorgängerregierung offensichtlich nicht zufrieden und fordern nun eine dringende Überprüfung von Entscheidungen, die nicht im Einklang mit der Gesetzgebung der EU stehen und auf diese Weise antirussische Sanktionen außer Acht lassen, obwohl die von den Bürgern Montenegros selbst als eine Art Demütigung empfunden wurden.
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