Europa

Auch Zwei-Plus-Vier-Vertrag? Russland will Tausende Abkommen mit "Feindstaaten" kündigen

Bis zu 15.000 internationale Verträge könnten von Russland gekündigt werden. Die Initiative geht vom Föderationsrat aus und kann nach einer Fachprüfung dem russischen Präsidenten vorgelegt werden, teilte der Vize-Sprecher des Rates mit.
Auch Zwei-Plus-Vier-Vertrag? Russland will Tausende Abkommen mit "Feindstaaten" kündigenQuelle: Sputnik © Michail Klementjew

Die Vorschläge der Senatoren zur Kündigung von für Russland nachteiligen internationalen Abkommen werden dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgelegt, erklärte der stellvertretende Sprecher des Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, im Fernsehsender Rossija-24. Der Präsident habe laut Verfassung das Recht, die Kündigung internationaler Verträge zu veranlassen, so der Vize-Sprecher.

Ihm zufolge gibt es in Russland mehr als 15.000 aktive bilaterale und multilaterale Abkommen, von denen die meisten mit unfreundlichen Ländern geschlossen wurden. "Wir werden zunächst die Abkommen mit diesen (unfreundlichen) Staaten analysieren", betonte der stellvertretende Sprecher des Föderationsrates.

Die Arbeit an den Vorschlägen ist bereits im Gange. Auf der Plenarsitzung am Mittwoch beauftragte die Sprecherin des Föderationsrates, Walentina Matwijenko, den Rat, gemeinsam mit dem Außenministerium und den parlamentarischen Fachausschüssen internationale Abkommen zu prüfen, veraltete und für Russland nachteilige Abkommen zu identifizieren und deren Kündigung vorzubereiten. Zu den entsprechenden Verträgen zählen solche, die den "feindlichen Ländern" einseitige Vorteile böten, betonte Matwijenko. Sie drängte auch darauf, diese Arbeit nicht zu verzögern. 

"Sie wurden von Chruschtschow [und] einigen anderen, ich werde keine Namen nennen, unterzeichnet und entsprechen nicht mehr unseren heutigen nationalen Interessen. [Diese enthalten] Privilegien [und] Vorteile für feindliche – ich sage nicht unfreundliche – feindliche Länder geben", sagte Matwijenko mit Nachdruck. 

Es gilt als sicher, dass auch der am 12. September 1990 geschlossene "Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland", auch als Zwei-plus-Vier-Vertrag bekannt, zumindest geprüft wird. Im vergangenen Monat ist eine Petition der Gemeinschaft der Krimdeutschen im Föderationsrat eingegangen, die fordert, dieses Abkommen zu kündigen. Sie fand offenbar die Unterstützung einiger Senatoren und Duma-Abgeordneter. So sagte Dmitri Belik, ein Mitglied des Auswärtigen Ausschusses der Duma, die Aufkündigung des Abkommens wäre gerecht und komme zur rechten Zeit. 

Dass Deutschland mit seiner massiven Unterstützung des militanten antirussischen Regimes in Kiew mit Waffen und Geld den Anlass für solche Gespräche liefert, liegt auf der Hand. Inwieweit der Vertrag in der neuen politischen Realität noch den russischen Interessen entspricht, ist seit Wochen ein Thema in den russischen Medien. Der bekannte russische Politanalyst Fjodor Lukjanow hält es für folgerichtig, dass Russland an dem Abkommen rütteln könnte. Schon seit Langem werde nicht mehr im Geist des Vertrages gehandelt, schrieb er in einem Artikel für die russische Parlamentszeitung Rossijskaja Gazeta.

Der Experte wies in diesem Zusammenhang auf den Artikel 2 des Vertrages hin, in dem beide deutsche Regierungen versichern, dass "von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird" und "Handlungen, die den Frieden zwischen den Völkern stören können und sollen, insbesondere die Vorbereitung eines Angriffskrieges, verfassungswidrig und strafbar sind". An diesem Punkt sei die Diskussion über Rücktrittsoptionen wahrscheinlich ein Signal, ein Hinweis auf die "Vergänglichkeit der politischen Existenz", findet der Politanalyst.

"Russland erinnert uns einmal mehr daran, dass es mit der Situation nach dem Kalten Krieg nicht zufrieden ist", resümiert Lukjanow. 

Mehr zum Thema - Warum die Kündigung des 2+4-Abkommens keine gute Idee ist

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.