Französische Truppen für die Ukraine: Sind 2.000 Soldaten viel oder wenig?
Von Dmitri Jewstafjew
Frankreichs Gegenerklärung zur Aussage des Leiters des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergei Naryschkin, dass Paris bereit ist, ein Militärkontingent von 2.000 Soldaten in die Ukraine zu schicken, fiel etwas merkwürdig aus. Einerseits machten die Beamten traditionelle, emotionale Äußerungen über "russische Propaganda". Andererseits erschienen Kommentare, wonach Paris tatsächlich an Plänen arbeitet, Truppen im Konfliktgebiet in der Ukraine zu stationieren, und zwar in einer weit größeren Anzahl. Vor allem sollten französische Kampfverbände in der Perspektive die Grundlage einer europäischen "Koalition der Willigen" bilden, die formal außerhalb der NATO-Struktur, aber mit logistischer Unterstützung der USA agieren würde.
Die Lage wird durch unklare Aussagen der französischen Führung verschlimmert. Das einzig Verständliche daran ist, dass Frankreich die direkte militärische Präsenz im Konfliktgebiet wünscht und sie als Schritt zur Festigung der eigenen geopolitischen Lage betrachtet. Alles andere ist unter einem Wortschwall begraben, der selbst für die heutige europäische Politik einzigartig ist.
In dieser gesamten Situation sind zwei prinzipielle Ebenen sichtbar.
Die Erste und Offensichtlichste ist der Versuch, die bereits vorhandene Einmischung Frankreichs in den Ukraine-Konflikt zu legalisieren. Parallel dazu sollen Verluste unter französischen Militärs, die aufseiten Kiews kämpfen, nachträglich legalisiert werden. Es scheint, dass deren Ausmaß nicht mehr geheim gehalten werden kann. Es wäre höchst naiv zu glauben, dass es keine französischen Militärangehörigen im Kampfgebiet gibt – allein deshalb, weil französische Technik historisch zur reparaturunfreundlichsten der Welt zählt. Es ist unmöglich, dass solch komplexe Systeme wie CAESAR-Selbstfahrlafetten, leichte Radpanzer AMX-10 RC und ähnliche von einheimischen "Spezialisten" gewartet werden.
Die zweite Ebene, die inzwischen kaum verhohlen wird, ist der innereuropäische Kampf, und zwar weniger um die Dominanz, als vielmehr um den Status des Hauptpartners der USA. Paris versucht mit aller Kraft, zumindest auf der Ebene der politischen Propaganda, die Spaltung und Krise innerhalb der deutschen Elite auszunutzen, die nicht genug Entschlossenheit für eine Eskalation mit Russland zeigt. Die jüngsten Umfragewerte in Deutschland sprechen für sich selbst: Laut einer Studie der Zeitschrift Focus sind 75 Prozent der Deutschen nicht bereit, zu kämpfen, und nur zehn Prozent glauben, dass die Bundeswehr das Land im Fall einer potenziellen Eskalation verteidigen kann. Vor einem Jahr konnten solche Zahlen noch ignoriert werden, doch inzwischen hat Berlin offensichtlich größere Probleme als den "Drang nach Osten". Daher erhielt Paris zum ersten Mal seit de Gaulles Zeiten die Chance auf eine militärische Dominanz in Europa, wenn auch eine sozusagen "umgekehrte Chance". Der große französische Staatschef strebte nämlich für sein Land die maximale Souveränität an, während der heutige Machthaber im Élysée-Palast versucht, Frankreichs Souveränität an den neuen US-Präsidenten teurer zu verkaufen, als es Berlin tat.
Daher ist aus politischer Sicht ein Beschluss über die Entsendung französischer Einheiten in die Ukraine in bedeutender Truppenstärke überaus möglich, zumal Frankreichs Machtgefüge dem Präsidenten ermöglicht, seine Entscheidungen nicht mit anderen politischen Kräften abzustimmen. Ein deutscher Bundeskanzler ist im Gegensatz dazu von Koalitionsverpflichtungen bis zur Handlungsunfähigkeit gebunden.
Sind 2.000 Soldaten viel oder wenig?
Vor dem Hintergrund der Pläne des Kiewer Regimes, weitere 200.000 Menschen als "Kanonenfutter" zu mobilisieren, beeindruckt diese Zahl nicht, selbst unter Berücksichtigung der Gesamtstärke des französischen Heeres von etwa 115.000 Mann.
Doch organisatorisch handelt es sich bei diesen 2.000 um zwei Regimenter des Heeres, die vollständig mit Technik und Panzerabwehrwaffen ausgerüstet sind. Ein Panzerkavallerie- und ein Infanterieregiment sowie eine operative Führungsgruppe sind eine Avantgarde, quasi der Kern eines möglichen größeren Kontingents einer "Koalition der Willigen". Um diesen "Kern" herum könnten sich nicht nur größere französische Militärkontingente (man erinnere sich an Gespräche über Pläne, 20.000 französische Soldaten in die Ukraine zu schicken), sondern auch Verbände aus anderen europäischen Ländern gruppieren.
Sollten diese Länder von Washington oder Brüssel bis zu einem Punkt erpresst werden, an dem sie Truppen in die Ukraine schicken, wird man sie zwingen, sich in ein System der militärischen Führung einzugliedern, das bereits von Frankreich aufgebaut wurde. Die Steuerhebel des größten Truppenverbands in Europa würden sich in Paris befinden, zumal sich die NATO wegen der Lage in den USA formal aus dem Konflikt heraushalten würde.
All das ist ganz im Geiste Macrons – eine leichte, "naheliegende" Lösung eines komplizierten Problems. Das Ziel ist durchaus ambitioniert, wenn man den Preis nicht bedenkt. Nicht, dass man im Élysée-Palast nicht glaubt, dass der französische Truppenverband in der Ukraine zu einem legitimen und vorrangigen Ziel für Russlands Streitkräfte werden wird. Doch man glaubt aufrichtig, "darüber erst morgen nachdenken" zu müssen, während heute Frankreichs Präsident gute Werbung erhält.
Übersetzt aus dem Russischen.
Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe und Professor der Wirtschaftshochschule Moskau. Er ist spezialisiert auf militärpolitische Fragen der nationalen Sicherheit Russlands, der Außen- und Militärpolitik der USA sowie der regionalen Probleme der Kernwaffen-Nichtverbreitung. Er ist Mitverfasser wissenschaftlicher Monografien und zahlreicher Artikel.
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