Spanien: US-Hedgefonds kapert Kommune
Derzeit macht ein Ereignis aus Spanien die Runde, das durchaus erschrecken kann – ein US-Hedgefonds hat die Schulden der andalusischen Gemeinde Burguillos aufgekauft und erhebt nun Anspruch auf einen Großteil der kommunalen Liegenschaften.
Ganz so einfach, wie das auf den ersten Blick aussieht, ist das natürlich nicht, und auch wenn gegenwärtig in der spanischen Presse gewaltig auf den ehemaligen sozialdemokratischen Bürgermeister eingeprügelt wird, sind die Hintergründe etwas komplizierter. Denn die Schulden hat nicht die Kommune gemacht, sondern es sind Schulden einer Immobiliengesellschaft, die Tochter der Stadt war. Diese Immobiliengesellschaft ist bereits seit vielen Jahren in Insolvenz, seit 2009, und dieses Datum müsste eigentlich etwas klingeln lassen.
Vor der Finanzkrise 2008 hatte es in Spanien einen ungeheuren Bauboom gegeben, der zusammengebrochen war, als die Krise die Immobilienpreise ebenso wie Bauunternehmen und Immobiliengesellschaften zum Einsturz gebracht hatte. Burguillos, das bei dieser Gelegenheit unter anderem mit einem unfertigen Hallenbad zurückgeblieben war, das schon fünf Millionen Euro gekostet hatte, war bei Weitem kein Einzelfall gewesen.
In einem Bericht des Spiegel aus dem Jahr 2011 wird von 700.000 leerstehenden Häusern und Wohnungen in Spanien geschrieben. Dabei waren aber nicht nur Wohnhäuser gebaut worden, sondern eben auch Hotels oder alle möglichen anderen Einrichtungen. In der Zeit des Booms hatte eben die Erwartung vorgeherrscht, es werde so weitergehen, und wenn eine Gemeinde damit rechnet, eigenes Bauland teuer verkaufen zu können, dann ist es nicht völlig ungewöhnlich, wenn dabei dann Projekte wie ein Hallenbad abfallen. Und auch städtische Immobilienentwickler schienen eine gute Idee.
Derartige Moden gab und gibt es auch in Deutschland, auch wenn der Auslöser weniger erwartete Einnahmen als häufiger vorhandene Sparzwänge sind. So hatten sich viele Kommunen einreden lassen, sie würden Geld sparen, wenn sie beispielsweise ihre Rathäuser verkaufen und danach zurückmieten, eines der typischen Projekte unter der Überschrift "Private-Public Partnership" (PPP), privat-öffentliche Partnerschaft.
Binnen weniger Jahre gab es allerdings reihenweise Beispiele dafür, dass die Kosten für die Kommune letztlich höher lagen. Das ist nicht erstaunlich – die Gewinne, die sich Investoren erwarten, die städtische Verwaltungsgebäude übernehmen, müssen zusätzlich zur Kostendeckung gezahlt werden.
Nun, das Entwicklungsprojekt mit Hotel und Hallenbad jedenfalls ging 2009 in die Insolvenz. Die Gemeinde Burguillos, ein Ort mit etwas weniger als 7.000 Einwohnern, übernahm in diesem Verfahren zumindest die ausstehenden Lohn- und Sozialversicherungszahlungen. Aber die ursprünglichen Forderungen der Gläubiger von 47 Millionen Euro, Schulden gegenüber mehr als 140 Unternehmen, blieben weiter bestehen und verringerten sich vor allem dadurch, dass die meisten von ihnen diese Forderungen irgendwann abgeschrieben haben.
So verblieb letztlich ein Betrag von 23 Millionen Euro. "Da gibt es Banken, einen Bauernhof, eine Baufirma, der fünf Millionen geschuldet werden, und der Rest ist eine Mischung aus kleinen und mittleren Unternehmen, denen vor allem Beträge von 300.000 bis 500.000 Euro geschuldet werden", schreibt der Diario de Sevilla.
Besonders heikel ist, dass gerade ein Gerichtsverfahren wegen schuldhafter Insolvenz läuft. Der heutige Bürgermeister von Burguillos besteht darauf, dass es keinen Grund dafür gebe, die Schulden der Tochtergesellschaft der Gemeinde zuzuweisen, weil sie in keiner Weise an den Entscheidungen dieses Unternehmens beteiligt gewesen sei. Die ehemaligen Manager des Bauentwicklers wiederum erklären, sie hätten doch nur im Auftrag der Kommune gehandelt. Gegen zwei ehemalige Bürgermeister der sozialdemokratischen PSOE läuft nebenbei auch noch ein Strafverfahren.
Aber die wirklich ungewöhnliche Nachricht entstand dadurch, dass im Juni 2023 der US-Hedgefonds KSAC Europe Investment, in den Medien liebevoll ein "Aasgeierfonds" genannt, für sieben Millionen US-Dollar die Schulden der Gesellschaft beim Insolvenzgericht in Sevilla aufkaufte. Diese sieben Millionen dürften dann anteilig an die Gläubiger verteilt worden sein. Jetzt verlangt der Fonds von der Gemeinde 27 Millionen Euros; sein Anspruch wurde vom Provinzgericht in Sevilla bestätigt, und nun will er diese 27 Millionen, von denen 20 der Ertrag für den Fonds sind, durch Übernahme des Immobilienbesitzes der Gemeinde eintreiben; das wären drei Viertel des gesamten Bestands und käme schon ziemlich nahe an eine Übernahme der Kommune.
Was auch der Grund sein dürfte, warum dieser Fall Interesse ebenso erregt wie Sorgen, auch wenn es nicht tatsächlich darum geht, dass kommunale Schulden von einem Hedgefonds aufgekauft wurden. Entwarnen kann man jedenfalls auch nicht – jede größere Gemeinde besitzt die eine oder andere Tochtergesellschaft, und es gibt immer wieder Situationen, in denen diese Gesellschaften plötzlich vor Schulden stehen, für die die Kommune haftet. Etwa bei kommunalen Kliniken, die meist nicht mehr als Eigenbetrieb geführt werden, sondern pleitegehen können, und das bei der Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte, die auf Privatisierung abzielt, auch tun. Oder bei Stadtwerken. Verkehrsgesellschaften. Es gibt eine ganze Reihe von Einrichtungen, die, auch das eine Folge der neoliberalen Politik, inzwischen privatrechtlich geführt werden, was zum guten Teil der Ideologie folgte, das sei effizienter.
Theoretisch wäre in jedem dieser Fälle eine Entwicklung wie in Burguillos denkbar. Vor allem, weil inzwischen selbst die Kommunen, die vor einigen Jahren finanziell noch gut dastanden, auch nur noch sparen und keine Reserven mehr haben, die in solchen Fällen eingesetzt werden könnten. Gibt es irgendeinen Schutz dagegen, dass derartige Schulden aufgekauft werden, wie das in Burguillos geschah? Eine der zentralen Eigenschaften der EU ist, dass sie die Rechte von Unternehmen immer über die Rechte von Bürgern stellt. Unter diesem Gesichtspunkt wurden auch die gesetzlichen Regelungen immer weiter aneinander angeglichen.
Man müsste sich gut im Insolvenzrecht auskennen, um sagen zu können, ob eine derartige Entwicklung nach deutschem Recht noch unmöglich ist, aber letztlich bedeutet das auch nicht mehr viel – sobald diese Abfolge von Schritten an einem Ort innerhalb der EU durchgesetzt ist, könnte dieser oder ein anderer Aasgeierfonds eine Gleichbehandlung vor einem europäischen Gericht einklagen, weil es eine Ungleichbehandlung im Wettbewerb darstellen würde, wenn man in Spanien Gemeinden auf diese Weise ausnehmen darf, in Deutschland aber nicht. Es gibt also durchaus Gründe, die Entwicklung rund um Burguillos im Blick zu behalten.
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