Europa

Die USA enthüllen Selenskijs geheime Wünsche

Die USA haben geheime Details von Selenskijs Plan zum Einsatz von Tomahawk-Raketen preisgegeben. Warum tun sie das? Experten sehen darin einen Hinweis darauf, dass Washington die Initiative des ukrainischen Machthabers für gescheitert hält.
Die USA enthüllen Selenskijs geheime WünscheQuelle: www.globallookpress.com © Benoit Doppagne/Keystone Press Agency

Von Jewgeni Posdnjakow

Einer der Punkte des Plans von Wladimir Selenskij sieht in einem geheimen Anhang die Übergabe von US-Tomahawk-Raketen an die ukrainischen Streitkräfte vor. Diese Initiative ist nach Ansicht der US-Behörden unrealistisch. Die Entscheidung der westlichen Massenmedien zur Offenlegung der Details von Selenskijs Plan ist nach Expertenmeinung auch als Hinweis des Weißen Hauses zu werten, dass seine Initiative völlig gescheitert sei.

Einer der geheimen Punkte des Plans von Wladimir Selenskij enthielt ein Gesuch um die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern, so The New York Times (NYT) unter Berufung auf eigene Quelle. Doch die USA hielten diesen Wunsch für gänzlich undurchführbar, sagt ein hoher US-Beamter.

"Die Tomahawk-Raketen haben eine Reichweite von 2.414 Kilometern (1.500 Meilen), siebenmal mehr als die ATACMS-Raketensysteme, die die Ukraine dieses Jahr erhalten hat. Und die Vereinigten Staaten haben nur eine begrenzte Anzahl dieser Systeme geschickt", berichtet die NYT und bezeichnet Selenskijs Vorschlag insgesamt als "unrealistisch".

Zur Erinnerung: Mitte Oktober stellte Selenskij seinen "Siegesplan" öffentlich vor, zunächst vor der Werchowna Rada und dann vor dem Europäischen Rat. Dort nannte er den EU-Vertretern fünf Hauptpunkte, die seiner Meinung nach umgesetzt werden sollten, um in der Konfrontation mit Russland eine Überlegenheit zu erreichen.

Der dritte Punkt der Initiative sieht die Stationierung eines "umfassenden nichtnuklearen strategischen Abschreckungspakets" auf dem Territorium der Ukraine vor. Seiner Meinung nach sollte eine solche Maßnahme Moskau in ein Dilemma stürzen: Entweder man geht zur Diplomatie über oder erleidet erhebliche militärische Verluste.

Hierzu gibt es einen geheimen Anhang, den Selenskij an die Staatsführung der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Deutschlands, Italiens und Frankreichs übergab. Damals schlug die Zeitung Wsgljad vor, dass Selenskijs Formulierung durch die Mittel- und Kurzstreckenraketen Tomahawk und SM-6 sowie die Typhon-Raketenwerfer ergänzt werden könnte, was die USA bestätigten.

Wadim Kosjulin, Leiter des Zentrums am Institut für aktuelle internationale Probleme der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums, erklärt:

"Die USA ändern ihre Position gegenüber dem Konflikt in der Ukraine radikal. Eine Konfrontation mit Moskau durch die ukrainischen Streitkräfte erscheint ihnen nicht mehr erfolgversprechend: Sie haben ihre Vorteile bereits erhalten. Daher strebt das Weiße Haus keine Ausweitung der Kampfhandlungen an."  

Der Experte betont:

"Washington handelt schrittweise: Es schiebt die Verantwortung für die ukrainischen Streitkräfte auf Europa ab und kürzt die Finanzierung für die Ukraine. Und in dieser Situation verärgert Selenskijs übermäßig ehrgeiziger Plan die USA. Insbesondere deshalb, weil die Ansprüche unseres Gegners keineswegs gering sind."

Übrigens wird dies durch die Materialien der westlichen Presse bestätigt. So schreibt die New York Times:

"Die US-Beamten äußerten sich inoffiziell etwas verärgert über Selenskijs Plan und bezeichneten ihn als unrealistisch und fast vollständig von westlicher Hilfe abhängig."

Ferner sagten die vier US-Beamten, Selenskij sei über Joe Bidens Weigerung verblüfft gewesen, Langstreckenangriffe tief in Russland zu genehmigen, obwohl der US-Präsident zuvor routinemäßig ukrainischen Ersuchen zugestimmt hatte – dies war beim Einsatz von Abrams-Panzern, F-16-Kampfjets und ATACMS-Raketen der Fall. Kosjulin weiter:

"Es ist nicht auszuschließen, dass die ukrainischen Streitkräfte tatsächlich Tomahawk-Raketen von den USA angefordert haben könnten. Allerdings wäre eine solche Lieferung selbst für die Vereinigten Staaten äußerst schwierig. Die Übergabe von Raketen allein ist halb so schlimm, es ist jedoch auch notwendig, den Verbündeten Trägersysteme für diese Raketen zur Verfügung zu stellen. Ohne diese wird selbst die stärkste Munition nur ein Haufen Eisen sein."

Die Tomahawk-Raketen könnten von Typhon-Bodensystemen aus abgefeuert werden. Allerdings herrscht in den USA ein akuter Mangel an diesen Systemen. Natürlich könnte die Ukraine vorschlagen, dass man ihr Seeträger wie zum Beispiel Atomkreuzer zur Verfügung stellen könnte, aber es wäre naiv, eine solche "Großzügigkeit von Washington zu erwarten", betont der Experte:

"Möglicherweise wollte Selenskij ein Nullsummenspiel spielen: Er hat absichtlich eine so absurde Forderung nach Waffenlieferungen an das Weiße Haus gerichtet. Meiner Meinung nach rechnete er damit, dass er diese Punkte des Plans von sich aus "enthüllen" würde, falls die ukrainischen Streitkräfte einen deutlichen Rückzug antreten würden."

"Mit anderen Worten: Selenskij wollte es dem Westen heimzahlen, indem er sagte: 'Wir haben nur verloren, weil ihr uns nicht die nötige Militärausrüstung zur Verfügung gestellt habt.' Die Vereinigten Staaten haben jedoch die Nase vorn, und die Veröffentlichung in der NYT nimmt Selenskij nicht nur diese Gelegenheit zum Manövrieren, sondern entwertet auch seine vorgeschlagene Initiative als Ganzes", fügt der Gesprächspartner hinzu und weist auf das folgende Zitat hin:

"Angesichts der sinkenden Unterstützung des Westens, der Verluste an der Ostfront und im Gebiet Kursk sowie der bevorstehenden Wahlen in den USA, die eine radikal andere Politik gegenüber der Ukraine bedeuten könnten, hat Selenskij möglicherweise keine anderen Optionen mehr: Die Ukraine wird einen Deal eingehen müssen und den Ukrainern einen geeigneten Sündenbock geben – den Westen."

Kosjulin warnt:

"Sollten jedoch Tomahawk-Raketen und ihre Träger in der Ukraine auftauchen, steht Russland vor einer wirklich riesigen Herausforderung. Diese Munition könnte möglicherweise eine nukleare Komponente enthalten. Mit anderen Worten: Die Bedrohung muss noch vor dem ersten Abschuss beseitigt werden – und das ist eine erhebliche Eskalation."

Die Entscheidung der USA, den Anhang zum dritten Punkt des Selenskij-Plans zu enthüllen, kann jedoch auch als ein Element des Drucks auf Moskau betrachtet werden, meint der Militärexperte Alexander Bartosch, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Militärwissenschaften:

"Durch die erneute Demonstration der ukrainischen Ambitionen erhält Russland einen Hinweis auf die potenzielle Konfliktentwicklung. Aber gleichzeitig stellt dies einen Versuch dar, Selenskij in seine Schranken zu weisen. Ich erinnere daran, dass er sich sehr bemüht hat, seine Initiative geheimnisvoll zu gestalten. Jetzt wurden diese Bemühungen von NYT-Journalisten zunichtegemacht, die dem Weißen Haus nahestehen. Ich denke, Bidens Team hat dies absichtlich zugelassen, da die ukrainische Führung weiterhin eine inadäquate Linie 'bis zum Sieg' verfolgt."

Bartosch weiter:

"Allerdings handelt es sich bei Tomahawk-Raketen um ernst zu nehmende Waffen, deren Einsatz in einem Konfliktgebiet das Kampfbild drastisch verändern würde. Ich glaube nicht, dass Washington wirklich zu diesem Schritt bereit ist. Darüber hinaus ist er technisch schwierig zu realisieren. Neben den Trägersystemen müssten die USA auch technisches Personal in die Ukraine entsenden."

Das Resümee des Experten:

"Es müssen Zielkanoniere und Ingenieure eingesetzt werden, die Erfahrung mit diesen Waffen haben. Aber ihre Einbindung wird einen ganz anderen Grad der Beteiligung des Weißen Hauses an dem Konflikt bedeuten. Daher werden die Wünsche von Wladimir Selenskij wohl unerfüllt bleiben."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 29. Oktober 2024 zuerst auf der Seite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Mehr zum Thema - Zusammenbruch der Donbass-Front - Bestätigung durch Generalmajor der ukrainischen Armee

 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.