Abstimmung über Brexit-Vertrag im Parlament: Wie geht es weiter?
Am 15. Januar 2019 betritt die Europäische Union Neuland. Bisher mussten sich die Brüsseler Verhandlungsführer mit Neulingen im exklusiven Klub beschäftigen und sich nie um einen Austritt kümmern. Seit dem britischen Referendum am 23. Juni 2016 hat sich das geändert. Im Laufe der Verhandlungen zwischen London und Brüssel hat Ministerpräsidentin Theresa May, die David Cameron auf den Posten folgte, der seine politische Zukunft mit dem Referendum verband, sehr viel Kritik einstecken müssen. Und sie musste hilflos mitansehen, wie 16 Minister in nur einem Jahr zwischen November 2017 und November 2018 zurückgetreten sind, die Hälfte davon aufgrund der Brexit-Verhandlungen.
Das zeigt, wie schwierig sich diese Trennung von Großbritannien und der EU darstellt und wie komplex die Themen sind, mit denen sich die mit dieser Aufgabe betrauten Verhandlungsführer auseinandersetzten mussten. Der am Ende erreichte Kompromiss ist ein 585-seitiger Vertrag, der die Trennung regeln soll. Bis zum 31. Dezember 2020 soll es demnach eine Übergangsfrist geben, wonach Großbritannien im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleiben soll, um die Auswirkungen des Brexit auf die britische Wirtschaft möglichst abzufedern. Im Gegenzug muss London aber das EU-Regelwerk anerkennen, die Mitgliedsbeiträge weiterzahlen und sein Stimmrecht in Brüssel abgeben.
Theresa May braucht heute mindestens 326 Stimmen im House of Commons, dem britischen Unterhaus, um den Vertrag vom Parlament zu billigen und schließlich zu ratifizieren. Wird die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, gilt zumindest die Politik von Theresa May als gescheitert. Aus diesem Grund verschob sie trotz massiver Proteste im Parlament kurzfristig die für den 11. Dezember 2018 angesetzte Abstimmung, weil ihre Strategen davon ausgegangen sind, die erforderlichen Stimmen nicht zu erreichen. Die Premierministerin erhoffte sich nach erneuten Krisenbesuchen bei EU-Ratspräsident Donald Tusk in Den Haag und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin am 13. Dezember, dass sich ihre Gesprächspartner doch noch in letzter Minute zu irgendwelchen Kompromissen umstimmen lassen. Aber dieser Hoffnung verpuffte trotz freundlichem Empfang schnell: "Wir haben gesagt, dass es keine weitere Öffnung des Austrittsabkommens gibt", erklärte Merkel nach dem Treffen.
Doch für Großbritannien muss und wird es auch in so einem Fall weitergehen, die Frage bleibt nur, wie.
Prinzipiell stehen zwei Möglichkeiten zur Disposition: Es gäbe einen "harten" Brexit am 30. März 2019, wenn Großbritannien aus allen EU-Agenturen, der Wirtschafts- und Zollunion flöge und sich dann um bilaterale Verträge mit den EU-Ländern kümmern müsste. Bis es so weit ist, fiele Großbritannien aus EU-Sicht auf den Status eines Drittlandes zurück, mit allen dazugehörigen Konsequenzen. Oder aber London zieht das Austrittsbegehren einseitig zurück, wofür der Europäische Gerichtshof grünes Licht gegeben hat. Damit hätten sich sämtliche Spekulationen um den weiteren Verlauf des Brexit mit einem Schlag erübrigt, und die Uhr würde sozusagen auf den 22. Juni 2016 zurückgedreht, dem Tag vor dem Referendum.
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Stimmte die Mehrheit aber für den Vertrag, dann gälte dieser natürlich als angenommen, und statt eines harten Brexit am 30. März 2019 käme die Übergangsfrist zum Tragen. Bis zum 31. Dezember 2020 soll dann aber klar sein, wie es ab dem 1. Januar 2021 mit den jetzt noch nicht geklärten Fragen weitergehen soll. Was passiert dann mit der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland? Was passiert überhaupt mit Nordirland? In welcher Form wird die Beziehung zwischen Großbritannien und der EU fortan fortgeführt?
Zumindest zur letzten Frage gibt es einige Szenarien, die man bereits heute ansprechen kann.
Europa bietet ja bereits Beziehungsmodelle zwischen EU und Nicht-EU-Ländern, wie zum Beispiel den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), dem alle EU-Staaten einschließlich Island, Liechtenstein und Norwegen angehören, oder bilaterale Verträge wie mit der Schweiz. Der einfachste Weg wäre der EWR, dem Großbritannien ohnehin schon angehört und in dem das Land trotz eines politischen Brexit verbleiben könnte. Allerdings widerspricht diese Möglichkeit den Vorstellungen der Brexit-Befürworter, da weiterhin EU-Standards und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelten würden.
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Die Schweiz hat gezeigt, dass bilaterale Verträge mit der EU möglich sind und man vom freien Personen- und vereinfachten Warenverkehr profitieren kann. Ein Hindernis könnte die Verpflichtung zur Teilhabe am EU-Haushalt – sogenannte Kohäsionsbeiträge – sein, die die Schweiz jährlich etwa 414 Millionen Euro kostet. Allerdings relativieren sich diese Zahlen, weil die einzahlenden Länder auch wieder EU-Mittel erhalten.
Ein weiteres vorstellbares Szenario wäre ein Freihandelsabkommen, die allerdings bei vielen Menschen hierzulande wenig Gegenliebe treffen. Als Negativbeispiel steht das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada, das noch heute für Schlagzeilen sorgt.
Obwohl das Brexit-Referendum schon über zwei Jahre zurückliegt, werden heute bei der Abstimmung im britischen Unterhaus die Weichen für den weiteren Weg des Königreiches gestellt.
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