"No Time to Die": Der neueste Schritt in einem Propagandatanz, der seit einer Ewigkeit getanzt wird
Ein Kommentar von Tom Secker
Im neuesten James-Bond-Abenteuer "No Time to Die" (Keine Zeit zum Sterben) kommen ein C-17-Militärtransportflugzeug und ein Lenkwaffenzerstörer der Marine zum Einsatz – beide dank freundlicher Genehmigung des britischen Verteidigungsministeriums (MOD). Die Royal Air Force und die Royal Navy unterstützten den Action-Thriller in einem weiteren Akt staatlicher Unterstützung für die James-Bond-Saga.
Das MOD gab zu, dass der in Portsmouth stationierte Zerstörer HMS Dragon in "No Time to Die" zum Einsatz kam – und somit als eine weitere Komponente in den langjährigen Beziehungen zu Film und Fernsehen diente. Eine militärnahe Webseite berichtete: "Eine Quelle im Verteidigungsministeriums bestätigte, dass die Verwendung von Ausrüstung der Streitkräfte im neuen Bond-Film, wie die HMS Dragon, Teil kommerzieller Beziehungen zwischen Film und Fernsehen sind, die auch bei Top Gear, der BBC und Captain Marvel zum Tragen kamen."
Dem Bericht zufolge wollten die PR-Leute des britischen Militärs keine Angaben dazu machen, wie viel ihnen für die Verwendung ihrer Militärtechnik im Film bezahlt wurde. Was die Frage aufwirft, ob die Produzenten von "No Time to Die" diese kostenlos oder zumindest zu einem stark reduzierten und staatlich subventionierten Tarif benutzen durften.
Dokumente über die Verfahrensweise beim MOD im Umgang mit sogenannten "nicht nachrichtenrelevanten Medienprojekten" zeigen, dass alle Anfragen wegen Unterstützung durch die Streitkräfte auf ihren potenziellen PR-Wert und auf mögliche negative Darstellungen analysiert werden. Die Weisung besagt, dass Projekte wie "No Time to Die" durch Kommunikationsmitarbeiter überprüft werden, um sicherzustellen, dass ein Film kein Potenzial für eine negative Darstellung der Streitkräfte beinhaltet und dadurch ein PR-Risiko darstellt.
Bei der Frage, wer für diese Unterstützung die Kosten übernimmt, heißt es in den Unterlagen des MOD, dass auf Gebühren verzichtet werden kann, wenn ein Filmprojekt eine ausreichend positive PR für die Streitkräfte bietet. Mit anderen Worten: Wenn ein Film oder eine TV-Serie dem gewünschten öffentlichen Image des MOD schmeichelt, dann soll man es vorziehen, Flugzeuge und Schiffe kostenlos zur Verfügung zu stellen, anstatt keine Unterstützung zu leisten.
In den Leitlinien zur Unterstützung von "nicht nachrichtenrelevanten Medienprojekten" heißt es zudem: "Die Ermäßigungs- beziehungsweise die Verzichtsoption soll sicherstellen, dass Projekte, die im Interesse der Reputation der Streitkräfte gerechtfertigt sind, nicht aufgrund unerschwinglicher Kosten scheitern."
Spezifische Daten zu "No Time to Die" (hier der Trailer) sind noch nicht verfügbar. Aber es ist wahrscheinlich, dass das MOD den Film als sehr positiv beurteilt hat und dass die Unterstützung für den Film, wie es in der Richtlinie festgehalten ist, "eine Gelegenheit zur Förderung des Ansehens der Streitkräfte bietet und das öffentliche Bewusstsein und die Unterstützung für die Verteidigung erhöht".
Die Bond-Saga ist seit jeher ein Lieblingskind des britischen und amerikanischen Militärs, der Geheimdienste und der Außenpolitik. Ian Fleming, der die Figur des James Bond erfunden hat, arbeitete während des Zweiten Weltkrieges für den britischen Marinegeheimdienst, während Produzent Albert Broccoli bereits eine lange Geschichte im Produzieren von Filmen mit britischer Militärunterstützung hatte. Terence Young, der bei drei der ersten vier Bond-Filme Regie führte, arbeitete während des Krieges ebenfalls im militärischen Geheimdienst, während sowohl Sean Connery als auch Roger Moore im britischen Militär dienten.
Im Laufe der Zeit entwickelte Fleming eine enge Freundschaft mit Allen Dulles, der von 1953 bis 1961 Direktor der CIA war. Beide führten eine extensive Korrespondenz über Flemings Bücher sowie über Dulles' eigene Memoiren, die er Fleming zur Verfügung stellte, noch bevor sie die CIA-internen Überprüfungen durchlaufen hatten.
Die Unterstützung durch das Pentagon für die Bond-Filme begann mit "From Russia with Love" (Liebesgrüße aus Moskau). Der ehemalige Fotograf der US-Luftwaffe, Charles Russhon, der auch als Berater im Filmgeschäft tätig war, nutzte seine Kontakte zum Militär, um sich Zugang zu den Dreharbeiten in Istanbul zu verschaffen. Die US-Armee half beim Bond-Film "Goldfinger" mit Truppen für die Schlussszene beim Sturm auf Fort Knox aus – aber es war bei "Thunderball", wo die Boote mit voller Kraft voraus losgeschickt wurden.
Die Royal Navy, die US-Navy und der US-Küstenschutz stellten Schiffe für den finalen Entscheidungskampf mit Emilio Largo zur Verfügung, während das Rettungssystem Fulton Skyhook, mit dem Bond und seine Filmpartnerin Domino am Ende des Films aus dem Wasser gerettet werden, von einer zweifelhaften Quelle zur Verfügung gestellt wurde.
Eine kleine Fluggesellschaft namens Intermountain Aviation lieferte das Flugzeug und den Skyhook. Intermountain war jedoch eine Tarnfirma der CIA und Teil des Air America-Geflechts, das ebenfalls von der CIA kontrolliert wurde. Air America führte während des Vietnamkrieges verdeckte Operationen in Südostasien durch, trat aber nach außen hin als zivile Fluggesellschaft auf. Die Hecknummer des Flugzeugs im Film offenbart, dass die Maschine, die im Bond-Film "Thunderball" zu sehen ist, die gleiche war, die für die Operation Coldfeet der CIA im Einsatz war. Dabei kam der Skyhook zur Anwendung, um zwei US-Agenten zu bergen, die in der Arktis abgesetzt worden waren, um eine verlassene sowjetische Spionagestation zu durchsuchen.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Pentagon und den Produzenten von James Bond dauerte bis in die 1970er und 1980er Jahre, obwohl "Never Say Never Again" aus Bedenken hinsichtlich des Szenarios von "verlorenen Atombomben" vom Pentagon abgelehnt wurde.
Auch "Octopussy" geriet wegen seines derben Titels in Schwierigkeiten mit dem US-Militär. Aber wie in einem internen Memo festgehalten wurde, war "Pussy Galore der Name einer Figur in einem frühen Bond-Film (Goldfinger), dem wir eine Kooperation gewährt haben und der, soweit wir wissen, keine negativen Reaktionen ausgelöst hat". Das Memo fuhr fort: "Pussy wird immer noch als ein Synonym für Kätzchen verwendet und 'Pussycat' ist auch weiterhin ein allgemein gebräuchliches Wort. Ich glaube, man würde uns kritisieren, wenn wir die Unterstützung für den Film wegen seines Titels verweigern."
Die Beziehung zwischen Bond und seinen realen Kollegen in der Militär- und Geheimdienstwelt hatte bis zu den neuesten Ausgaben der Agenten-Serie Bestand. Der Höhepunkt im Film "Skyfall", der in "Bonds Elternhaus" in Schottland stattfindet, wurde in Tat und Wahrheit in einer speziell dafür aufgebauten Filmkulisse gedreht, die sich auf Ländereien des MOD befand – auf Hankley Common in der Nähe von Elstead in Surrey. Der Drehort Hankley Common wurde auch für "The World is Not Enough" und "Die Another Day" verwendet. Gleichfalls wurde die lange, ausgedehnte Einstellung am Ende von "Skyfall", in der Bond über das Regierungsviertel in London blickt, auf dem Dach des inzwischen ausrangierten Amtes für Energie und Klimawandel gedreht.
Die Zusammenarbeit mit dem Militär und den Geheimdiensten führt häufig zu Überarbeitungen des Drehbuchs. Oft dahingehend, um zu zeigen, dass das britische oder amerikanische Militär eine entscheidende Rolle in der Filmstory spielt, Bond dabei zu helfen, die Bösewichte zu besiegen. Im Gegenzug für die jahrzehntelange Unterstützung verschiedener Regierungsstellen hat die Bond-Saga über zwei Dutzend Filme produziert, die als Blockbuster-Werbefilme für das MOD, das Pentagon, die CIA und den MI6 betrachtet werden können.
Die vielleicht lächerlichste Änderung bei einem Bond-Drehbuch erfolgte auf Anfrage des Pentagons bei "Golden Eye" – benannt nach Ian Flemings Ferienhaus in Jamaika. In einer Szene, in der die niederträchtige Russin Xenia Onatopp einen Marineoffizier ermordet, um seine Identität und einen experimentellen Kampfhubschrauber zu stehlen, sah das Drehbuch ursprünglich einen Amerikaner als Admiral des Helikopterträgers vor.
Das Pentagon hatte jedoch ernsthafte Einwände gegen dieses Detail und strich es aus dem Drehbuch. Der Admiral wurde zu einem Franzosen gemacht, was wiederum ein neues Problem darstellte. Die Produzenten mussten sich eine französische Fregatte ausleihen, um die Szene zu inszenieren, wo der Hubschrauber gestohlen wird. Die Franzosen wiederum waren nicht allzu glücklich darüber, als die Trottel dazustehen.
Infolgedessen wurde der Admiral zu einem Kanadier umgeschrieben, und in der Tötungs- und Diebstahlsequenz werden mehrere, peinlich auffällige Nahaufnahmen des Dienstausweises des ermordeten Offiziers gezeigt, komplett mit Kanadas Staatssymbol, dem Ahornblatt. Phil Strub, damals Leiter des Pentagon-Büros für die Beziehungen zu Hollywood, schrieb den Produzenten einen Brief, in dem er sagte: "Wir wissen es zu schätzen, dass Sie die Identität des Admirals in einen ausländischen Offizier geändert haben."
Die Beteiligung der CIA bei der Bond-Saga endete offiziell in den 1960er Jahren, nachdem dessen Schöpfer Ian Fleming gestorben war und Allan Dulles die CIA verlassen musste. Das hinderte sie jedoch nicht daran, Daniel Craig 2018 ins CIA-Hauptquartier einzuladen, wo "Mr. Craig sich mit unserer Führung und unseren Mitarbeitern getroffen hat, die ihm erklärten, dass Spionage im wirklichen Leben viel mehr aus 'Tarnung' und weit weniger aus 'Dolch' besteht, wie sie in der Unterhaltungswelt von Spion gegen Spion gezeigt wird".
Es ist offensichtlich dass die Ikone Bond über Jahrzehnte hinweg durch hochwertige Produktionswerte, die von einer Reihe britischer und amerikanischer Regierungsbehörden bereitgestellt wurden, aufgepimpt wurde. Im Gegenzug profitierten diese Behörden von einer positiven PR, die Bond bot, nachdem sie dazu beigetragen hatten, diese Ikone überhaupt erst zu erschaffen. "No Time to Die" ist einfach der neueste Schritt in einem Propagandatanz, der seit einer Ewigkeit getanzt wird.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Tom Secker ist ein britischer investigativer Journalist, Autor und Podcaster. Seine Arbeit kann man über seine Webseite Spy Culture sowie seinen Podcast ClandesTime verfolgen.
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