Deutschland

Trotz großer Proteste nach Betrug und Tierquälerei: Skandal-Labor LPT darf wieder an Tieren forschen

Das LPT darf wieder an Tieren forschen. Friedrich Mülln von Soko Tierschutz bezeichnet dies als Schande für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland. Aktuelle Umfragen zeigen, dass drei Viertel der Menschen in der EU für tierversuchsfreie Forschung sind.
Trotz großer Proteste nach Betrug und Tierquälerei: Skandal-Labor LPT darf wieder an Tieren forschenQuelle: www.globallookpress.com

Noch nicht einmal ein Jahr ist vergangen, seitdem Aufnahmen von in Metallvorrichtungen eingeklemmten Affen, an einzelnen Beinen aufgehängten Hunden, mit Spritzen in den Mund malträtierten Katzen und anderen Horrorszenarien aus einem, das systematisch seine Ergebnisse fälschte, zu einem öffentlichen Aufschrei gegen Tierversuche führten. Letztlich wurde dem blutbesudelten, aber traditionsreichen Labor LPT (Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co. KG) die Tierhaltegenehmigung entzogen. Die drei Tierversuchslabore in Hamburg-Neugraben, Minenbüttel (Niedersachsen) und Löhndorf (Schleswig-Holstein) gelten seit den Aufdeckungen von Soko Tierschutz und Cruelty Free International über die Grenzen Deutschlands hinweg als Inbegriff des Leids der Versuchstiere.

Doch unter Auflagen, die Kritiker als reine Makulatur erachten, darf ausgerechnet die Hauptstelle des "Skandal-Labors" LPT in Hamburg-Neugraben bereits Ende August wieder öffnen. Nur durch die aufwändig über mehrere Monate produzierten Undercover-Aufnahmen der Tierschützer waren die eklatanten Missstände, sowohl am Tier als auch durch systematische Verfälschung von Testergebnissen am Menschen, ans Licht gekommen.

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Dennoch darf das berüchtigte Versuchslabor bereits ab Ende dieses Monats wieder an Tieren Versuche durchführen, obwohl die nach den Enthüllungen eingeleiteten straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren noch nicht abgeschlossen sind. Dabei verstecke sich die Politik hinter der Justiz sowie hinter Aussagen wie diesen:

"Die strengeren Auflagen für die Wiederaufnahme des Betriebs betreffen u.a. die Sachkunde des Personals sowie die genaue und überprüfbare Dokumentation zum Wohlergehen der Tiere. Die behördlichen Kontrollen des Unternehmens LPT am Standort Hamburg sollen dann nochmals verstärkt werden". Eine Begründung, die nach Ansicht der Tierversuchsgegner Berlin und Brandenburg jedoch vollständig hinfällig ist, da derartige Vorgaben zu Sachkunde des Personals und behördliche Kontrollen für Tierversuchslabore zumindest laut EU-Tierversuchsrichtlinie ohnehin für alle Tierversuchseinrichtungen gelten müssten. Außerdem sei nicht transparent, was mit dem bisherigen Personal geschehen sei. Geschäftsführer, sogenannten "Tierschutzbeauftragte", Tierversuchsleiter und "Tierpfleger" seien ausgewechselt worden, wo das Personal aus den Skandal-Laboren geblieben ist, bleibe aber unklar.

Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte, kritisiert die Justiz: "Es ist absolut unverantwortlich, dass das Oberverwaltungsgericht dem Skandal-Labor schon nach wenigen Monaten die Wiederaufnahme von Tierversuchen erlaubt, obwohl die Vorwürfe in Bezug auf die gefälschten Studien noch lange nicht aufgeklärt sind. Dies zeigt deutlich, dass der Tierschutz ausgehebelt wird, sobald es um wirtschaftliche Interessen geht."

Der Bundesverband begrüßt die Initiativen der Hamburger Politik für eine grundsätzliche Abkehr von Tierversuchen. So hatte die Hamburger Bürgerschaft  in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Tierversuche in dem Stadtstaat zu vermeiden. Auch forderten SPD und Grüne im November 2019 per Zusatzantrag, dass die Bundesregierung die EU-Tierversuchsrichtlinie voll umsetzen müsse. Doch nach Ansicht des Verbandes sind die Änderungen von Tierschutzgesetz und Tierschutz-Versuchstierverordnung, die die Bundesregierung im Frühjahr vorgelegt habe, völlig unzureichend. Sowohl Verbraucher- als auch Tierschützer kritisieren Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) immer wieder für ihre wirtschaftsfreundlichen Scheinkompromisse.

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Profit mit Tierversuchen vor Schutz von Mensch und Tier

Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz geht noch weiter und klagt sowohl die Hamburger als auch die Bundespolitik an.

Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet" – das LPT dürfe "wieder vergiften, wieder quälen, wieder töten", kommentierte Mülln in dieser Woche die niederschmetternde Mitteilung.

Er wirft der Politik vor, die Entscheidung den Gerichten zu überlassen – in diesem Fall der Entscheidung Oberlandesgericht Hamburg –, wohl wissend, dass diese in Deutschland kaum zugunsten des Tierschutzes urteilten. So sei es bei den qualvollen Kastenständen, beim Kükenschreddern und jetzt beim LPT gewesen.

Dass sich Hamburg von billigen Personalrochaden des LPT offenbar beschwichtigen lässt und nicht einmal die Strafverfahren, insbesondere wegen über ein Jahrzehnt lang mutmaßlich gefälschten Tierversuchsstudien abwartet, ist ein Skandal.

Doch Mülln verweist auf ein millionenschweres Projekt am renommierten Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bei dem Tierversuche eingeplant sind und das von der Hamburger Stadt gewollt ist – dies halte die Politik davon ab, der blutigen Industrie wenigstens genauer auf die Finger zu schauen, wodurch diese ausgebremst werden könnte. Stattdessen sei die aktuelle Politik nichts als ein "Riesenablenkungsmanöver".

Das zeige, dass im rot-grünen Hamburg der Profit mit überholten Tierversuchen vor dem Schutz der Menschen und Tiere steht, klagt Mülln die Politik in einer Pressemitteilung an.

Die nun angekündigten "Verbesserungen" betrachtet auch Soko Tierschutz als reine Kosmetik, die die weltweit entsetzte Öffentlichkeit davon abzulenken versuche, dass Hamburg Politik für die Tierversuchsindustrie macht. Jahrelang habe die zuständige Politik bei den Misshandlungen im LPT zugeschaut, wohingegen Soko Tierschutz in wenigen Monaten aufgedeckt hatte, was dort ungestraft geschah. Auch daraufhin habe die Politik lange kaum etwas unternommen. Dabei könne der Staat, so Mülln, sehr wohl blockieren und regulieren, wie viele Bürger ständig bei alltäglichen Handlungen erfahren. Doch beim Tierschutz generell in Deutschland und konkret beim LPT habe der politische Wille gefehlt. Das zeige sich an vielen Beispielen, wie den mangelnden tierschutzrechtlichen Vorgaben bei Tierversuchen – immerhin hätten italienische Politiker zumindest durchgesetzt, dass Versuchshunde einen gewissen minimalen Auslauf benötigen, womit die Tierversuchsindustrie wie so oft auch die Bürger, in der Bringschuld wären. Zudem gibt es beispielsweise in Russland und Osteuropa zahlreiche Forschungsansätze, die zeigen, dass Tierversuche obsolet sind.

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Für Mülln und seine Mitstreiter nicht nur bei der Soko Tierschutz ist die Entscheidung in Hamburg ein gewaltiger Schritt zurück – wo doch gerade erst ein kleiner Schritt nach vorne hart erkämpft worden war. 15.000 Menschen hatten die Proteste nach den Enthüllungen über die Skandallabore unterstützt. Doch empfiehlt Mülln, trotz der angesichts dieser Entscheidungen offenbar skrupelloser Politiker und einer "Lobby, die immer weiter mordet" nicht Geisel der eigenen Wut zu werden – obwohl Wut angebracht sei. Stattdessen solle man friedlich und durchsetzungsstark an den empfindlichen Punkten des Tierversuchssystems ansetzen. Unter anderem wolle die Soko Tierschutz eine schwarze Liste aufsetzen, mit allen Unternehmen, die sowohl dem LPT als auch anderen Laboren "Blutgeld" zahlen. Dennoch müsse auch die Politik längerfristig mehr liefern als leere Worte wie momentan, auch wenn es heißt, dass Labore den Standort wechseln könnten.

Einer aktuellen repräsentativen EU-weiten Umfrage zufolge sprechen sich rund drei Viertel der EU-Bürger für verbindliche Ziele und Fristen für die Abschaffung von Tierversuchen aus. 66 Prozent fordern sogar, dass die EU sofort alle Tierversuche beenden sollte. Darüber hinaus sind 70 Prozent der Erwachsenen in der EU der Meinung, dass der vollständige Ersatz von Tierversuchen durch tierversuchsfreie Methoden Priorität haben sollte. In Deutschland ist die Zustimmung für höhere Investitionen in tierleidfreie Verfahren mit 76 Prozent sogar noch höher.

Diese Forderung stellt in Deutschland unter anderem ein Bündnis aus insgesamt 15 Tierschutz- und Tierrechtsvereinen mit der gemeinsamen Kampagne "Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!" an die Bundesregierung. Die Verbände verlangen eine Gesamtstrategie für einen Systemwechsel vom grausamen, wissenschaftlich fragwürdigen Tierversuch hin zu einer modernen, humanrelevanten Wissenschaft des 21. Jahrhunderts, die nur mit einer entsprechenden Neuausrichtung der Fördergelder und Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Forschung machbar sei.

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