Deutschland

Suizidwille von Menschen und Unterstützung Dritter dabei: Bundestag berät über Sterbehilfe

Kurz vor Ende der Wahlperiode greift der Bundestag ein besonders sensibles Thema auf – die Sterbehilfe. Die alte Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht vergangenes Jahr gekippt. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat eine klare Position zum Thema Suizid.
Suizidwille von Menschen und Unterstützung Dritter dabei: Bundestag berät über SterbehilfeQuelle: www.globallookpress.com © Patrick Pleul / dpa-Zentralbild

Wie umgehen mit dem Suizidwillen von Menschen und mit der Unterstützung Dritter dabei? Der Bundestag wendet sich am Mittwoch der Neuregelung der Sterbehilfe – gut ein Jahr, nachdem das Bundesverfassungsgericht die alten gesetzlichen Regeln für verfassungswidrig erklärt hat.

Ein seit 2015 geltendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe wurde damals gekippt. Es verletze den Einzelnen im Recht auf selbstbestimmtes Sterben, urteilten die Karlsruher Richter nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten. 

Die Richter erklärten damals, das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten werde, in Anspruch zu nehmen. Das gilt ausdrücklich für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke. 

Die zweistündige Debatte am Mittwochnachmittag soll zunächst der Orientierung dienen. Bislang haben drei verschiedene fraktionsübergreifende Abgeordneteninitiativen Vorschläge für eine Neuregelung gemacht. Sie werden aber noch nicht konkret beraten.

Ein Antrag kommt etwa von einer Gruppe um den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und dessen FDP-Kollegin Katrin Helling-Plahr. Sie haben den Entwurf für ein "Gesetz zur Regelung der Suizidhilfe" vorgelegt. Dieser formuliert "Voraussetzungen, damit sich Menschen zukünftig einer Begleitung bis zum Lebensende sicher sein können und auch Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung erhalten", wie es im Text heißt. Grundvoraussetzung ist ein "autonom gebildeter, freier Wille" des Sterbewilligen. Der Entschluss zur Selbsttötung muss ohne unzulässige Einflussnahme oder Druck gebildet worden sein.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine klare Position zu diesen Fragen. Bei der nötigen Neuregelung der Sterbehilfe besteht sie darauf, den Lebensschutz so weit wie möglich zu stärken. Das Verfassungsgerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr erfordere rechtliche Regelungen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm der Nachrichtenagentur dpa. Aber:

"Wir müssen alles vermeiden, was als Konsequenz dieses Urteils den Suizid zu einer normalen Option des Lebensendes macht. Das darf nicht passieren. Es hat seinen guten Sinn, dass der Schutz des Lebens intuitiv sehr stark verwurzelt ist in unserer Kultur, aber auch in uns selbst."

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stieß die Tür für organisierte Angebote auf – aber auch mit Regulierungsmöglichkeit wie Beratungspflichten oder Wartefristen. Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm betont diesbezüglich: 

"Das Autonomie-Ideal, das dort ins Zentrum gestellt wurde, so als ob der Suizid etwas wäre, wo man sich nach gründlicher Überlegung und als Akt der Freiheit entscheidet, aus dem Leben zu scheiden, das ist ziemlich weit weg von der Realität."

In der Realität sei Suizid etwas "Tragisches, etwas Trauriges". Der EKD-Ratsvorsitzende führte an: "Letztlich ist er für mich auch eine Niederlage." Denn es sei dann offensichtlich nicht gelungen, diesen Menschen so zu begleiten, palliativ und auch sozial, "dass er einen Weg gesehen hat, sein Leben weiterzuführen und dann das Sterben in Gottes Hand zu legen".

Bedford-Strohm forderte unter anderem, die Prävention, die palliative Versorgung weiter zu stärken. "Im Pflegebereich muss die Ausstattung so sein, dass Menschen auch wirklich menschlich begleitet werden können. Das muss uns auch etwas wert sein." Die Krankenkassen- und der Pflegeversicherungsbeitrag müssten entsprechend beschaffen sein.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz weist darauf hin, dass Karlsruhe den Gesetzgeber nicht explizit aufgefordert habe, diese Frage zu regulieren. "Wenn der Bundestag sich dieses ethischen Themas annimmt, darf jedoch die Selbstbestimmung des Suizidwilligen nicht eingeschränkt werden." So dürfe das organisierte Suizidangebot nicht an Alters- oder Leidenskriterien festgemacht werden. Niemand sollte sich an der Hilfe zur Selbsttötung finanziell bereichern dürfen.

Die Patientenschützer fordern, dass nicht nur der Sterbewillige in den Blick genommen wird, sondern vor allem der Helfer selbst. Er habe zu verantworten, dass der Entschluss des Suizidwilligen tatsächlich nach deutlicher Abwägung des Für und Widers erfolgt ist. "Gleichzeitig hat der Suizidhelfer dafür Sorge zu tragen, dass von dritter Seite weder Druck noch Einflussnahme ausgeübt wird", betonen Patientenschützer. 

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(dpa/rt)

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