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Keine Beweise für Auftrag aus Russland – Verteidiger kritisiert Urteil im Tiergartenmord-Prozess

In einem Interview mit RT hat Robert Unger, Fachanwalt und Strafverteidiger im Prozess um den Tiergartenmord, die Beweisführung kritisiert. Um eine vermeintliche Beteiligung Russlands zu beweisen, habe sich das Gericht auf Indizien aus höchst fragwürdigen Quellen gestützt.

Im aufsehenerregenden Prozess um den sogenannten Tiergartenmord hat ein Gericht den russischen Staatsbürger Wadim Krasikow am Mittwoch für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Krasikow im Sommer 2019 Selimchan Changoschwili, einen Asylbewerber aus Georgien, im Berliner Park Kleiner Tiergarten auf offener Straße erschossen hat. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, der Verurteilte sei ein Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, der für den Auftragsmord mit einer Scheinidentität ausgestattet worden sei. Außerdem sei die Tat "heimtückisch und aus niederen Beweggründen" ausgeführt worden, was eine vorzeitige Entlassung ausschließt.

Für die Version der Bundesanwaltschaft konnte die Verteidigung jedoch keine stichhaltigen Beweise erkennen. Die Version stütze sich auf teils höchst fragwürdige Beweismittel, sagte Verteidiger Robert Unger Journalisten. Dies gelte sowohl für die Identität des Angeklagten als auch für dessen von der Bundesanwaltschaft angenommene Verbindung zum russischen Staat im Range eines Offiziers des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.

Im Gespräch mit RT DE hat Unger die Position der Verteidigung verdeutlicht und aus seinem Plädoyer im Gerichtssaal zitiert. Quellen, die der Anklage entscheidende Indizien geliefert haben sollen, seien unzuverlässig und voreingenommen. Hierbei handele es sich um Informationen von Bellingcat, um Unterlagen aus der Ukraine und "um einen Zeugen, der sehr widersprüchliche Aussagen vor Gericht gemacht hat", erklärte der Rechtsanwalt. Zudem arbeite Bellingcat gewinnorientiert und mit Zielvorgaben:

"Bellingcat betreibt ein Business-Modell, ein Geschäftsmodell, in dem es darum geht, angebliche russische Verwicklungen in schwere Straftaten aufzuklären. Dafür erhalten sie dann Spenden und Fördergelder. Und aus unserer Sicht ist Bellingcat kein unabhängiger, kein neutraler Journalismus, sondern es gibt ein klares Ziel, es gibt eine vorweggenommene Annahme, die es zu beweisen gilt. Diese Beweismittel sind nicht zuverlässig."

Informationen über eine Beteiligung Russlands seien lediglich Indizien und keinerlei Beweise. Selbst der vorsitzende Richter habe dies bei seiner Urteilsverkündung zugeben müssen. "Es gibt keinen unmittelbaren Beweis dafür, dass es ein russischer Auftrag war", so Unger. Für eine Urteilsbegründung seien Indizien "in keiner Weise ausreichend". 

Für die Verteidigung kommen auch andere Beteiligte in Betracht. "Aus meiner Sicht ist es nicht belegt, dass es überhaupt einen Auftrag gab, schon das fehlt, und wenn es einen Auftrag gab, von wem dieser erteilt worden ist", so Unger. Auf die Frage, ob es Beweise gebe, dass Krasikow ein GRU-Agent war, sagte Unger, das Gegenteil sei der Fall:

"Ich habe das im Plädoyer lang und breit ausgeführt, dass Russland Herrn Krasikow weltweit zu einer Interpol-Fahndung ausgeschrieben hat. Aus meiner Sicht ist das ein Beleg dafür, dass er offensichtlich kein Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes ist, sonst hätte Russland ihn nicht mit seinem Klarnamen und seinen Personaldaten zur Fahndung ausgeschrieben."

Auch das harte Urteil ist nach Ansicht des Rechtsanwalts nicht gerechtfertigt. An den beiden vom Gericht festgestellten Mordmerkmalen der Heimtücke und der niederen Beweggründe gebe es erhebliche Zweifel. Aufgrund dieser Merkmale sei die Schuld des Täters als "besonders schwer" eingestuft worden, was eine Entlassung nach 15 Jahren ausschließe. "Wir, die Verteidigung, sehen das anders. Wir gehen davon aus, dass das kein Mord, sondern ein Totschlag war", so Unger.

Selimchan Changoschwili, der getötete 40-jährige Georgier tschetschenischer Abstammung, wurde in Russland wegen Beteiligung an mehreren tödlichen Attentaten im Zweiten Tschetschenienkrieg Anfang der 2000er-Jahre zum Terroristen erklärt. Changoschwili soll außerdem mit mehreren Geheimdiensten in Verbindung gestanden haben. Seit Ende 2016 hielt er sich als Asylbewerber in Deutschland auf. Ein Auslieferungsgesuch aus Russland lehnten die deutschen Behörden ab.

Am 23. August 2019 wurde Changoschwili von Krasikow aus nächster Nähe mit mehreren Schüssen aus einer Schalldämpferpistole getötet. Das Opfer verstarb noch am Tatort. 

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