RKI korrigiert Bericht: Geimpfte trotzdem häufiger von Omikron betroffen als Ungeimpfte
eine Analyse von Susan Bonath
An den Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) orientieren sich Politik und Gerichte, wenn es um allerlei Grundrechtseinschränkungen zur Pandemie-Bekämpfung geht. Mit seinen Daten zur neuen (und wohl nicht der letzten) Variante des Coronavirus namens Omikron sorgte das Bundesinstitut nun für Furore. Offensichtlich entgeht Omikron den impfbedingten Antikörpern noch stärker als ihre wohl auf dem Rückzug befindliche Vorgängerin "Delta".
Der RKI-Bericht Ende Dezember hatte sogar suggeriert, dass mehr als 95 Prozent der positiv auf Omikron Getesteten doppelt oder dreifach geimpft waren. Doch still und leise änderte das RKI inzwischen seinen Bericht. Es habe vergessen, eine Zahl auszubessern, erklärte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher auf Nachfrage der Autorin. Am Gesamtbild aber ändere das nur bedingt etwas.
Geimpfte trotzdem häufiger betroffen
Wie auch RT DE berichtet hatte, nannte das RKI in seinem Bericht 10.443 Omikron-Fälle zwischen dem 21. November und 27. Dezember in Deutschland. Davon sei bei mehr als der Hälfte der Fälle der Impfstatus aber gar nicht bekannt. In der Gruppe der positiv Getesteten mit bekanntem Status habe man nur 186 nicht oder nicht vollständig geimpfte Personen ermittelt, 4.020 hingegen seien vollständig geimpft gewesen. Unter den Letzteren befanden sich demnach sogar 1.137 bereits dreifach Geimpfte.
Nun teilte Glasmacher auf Anfrage mit, dass man sich geirrt habe. Richtig sei, dass das RKI 1.097 Omikron-Fälle ermittelt habe, in denen die Infizierten keinen vollständigen Impfschutz hatten. Der Rest der Daten stimme jedoch. Den Wochenbericht des RKI habe die Behörde bereits geändert.
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Bei 5.117 Omikron-Fällen war der Impfstatus bekannt. Davon waren 4.020 Personen vollständig geimpft, der Rest, also 1.097 Personen, nicht. Allerdings sorgt das immer noch für ein Verhältnis von rund 79 Prozent der zwei- oder dreifach Geimpften zu nur 21 Prozent nicht oder nur einmal Geimpften. Das spricht für keine starke Wirksamkeit der COVID-19-Vakzine gegen die Omikron-Variante. Im Gegenteil: Im Vergleich zur Impfquote in der Bevölkerung schneiden auch mit den korrigierten Zahlen die Geimpften schlechter ab als Ungeimpfte.
So betrug der Anteil der mindestens zweimal mit einem Corona-Vakzin gespritzten Personen in der Bundesrepublik am 21. November etwa 68 Prozent, Ende Dezember lag er bei knapp 71 Prozent. Zum Vergleich noch einmal: Laut RKI gehörten 79 Prozent der Omikron-Infizierten zur Gruppe der vollständig Geimpften. Ihr Anteil an den Infektionsfällen war somit größer als der der Geimpften in der Gesamtbevölkerung.
Umgekehrt lag die Zahl der nicht oder nicht vollständig Geimpften in der Bevölkerung im Untersuchungszeitraum im Mittel bei etwa 30 Prozent. Unter den Omikron-Infizierten betrug der Anteil dieser Gruppe aber nur 21 Prozent. Vorausgesetzt, diese Zahlen stimmen nun, war er bei den Infizierten folglich geringer als in der deutschen Gesamtbevölkerung.
Dass die dritte Impfung besonders nachhaltig vor Omikron schützen würde, wie es Politik und viele Medien tagein, tagaus beschwören, darf demnach bezweifelt werden. So waren den RKI-Zahlen zufolge rund 22 Prozent der 5.117 bekannten Omikron-Betroffenen dreifach geimpft. In der Gesamtbevölkerung waren es zwar nach Ende dieses Messzeitraums schon 38 Prozent. Zu Beginn der Erfassung am 21. November gab es aber nur etwas mehr als fünf Prozent Geboosterte. Und so lange konnte die Booster-Impfung bei keinem der Omikron-Infizierten zurückliegen.
Nur etwa jeder Hundertste im Krankenhaus
Außerdem hatte das RKI angegeben, über 124 Klinikeinweisungen von Omikron-Patienten unterrichtet worden zu sein. Von den 10.443 Gesamtfällen wären das etwa 1,2 Prozent. An dieser Zahl rüttelte die Sprecherin nicht. Interessant wäre es allerdings gewesen zu erfahren, wie viele dieser 124 Patienten denn vollständig geimpft waren. Denn der Vorwurf an Impfunwillige, sie würden mit Corona-Erkrankungen die Kliniken zum Überlaufen bringen, steht ja nach wie vor im Raum – unter anderem damit begründen Politiker ihre Pläne für eine allgemeine Impfpflicht gegen COVID-19.
Doch darüber wisse Glasmacher nichts, versicherte sie. Der Grund: "Vom RKI gibt es noch keine Schätzung der Impfeffektivität für Omikron", stellte die Sprecherin klar. Stattdessen verwies sie auf die behördlichen Erklärungen zur Frage, warum es mit steigender Impfquote zu immer mehr "Durchbruchinfektionen" kommt. Die Antwort in Kurzform: Je mehr Menschen in der Bevölkerung geimpft sind, umso mehr Geimpfte finden sich auch unter den COVID-19-Patienten. Dabei sollte die Impfung doch eigentlich genau davor schützen, möchte man meinen.
Dass die Effektivität der COVID-19-Vakzine gegen Omikron wohl geringer ist, als gern behauptet wird, hat bereits das Leibniz-Institut für Primatenforschung herausgefunden. Wie es Ende Dezember mitteilte, kam es anhand von Zellkulturstudien zu dem Ergebnis, "dass die SARS-CoV-2-Variante Omikron Antikörpern ausweicht, die nach Infektion und Impfung gebildet wurden". Das Virus sei sogar "weitgehend resistent" dagegen. Der beste Schutz bestehe kurz nach der dritten Impfung. Wie kurz, das bleibt unklar. Die RKI-Zahlen legen jedenfalls nahe, dass eine etwaige Wirkung wohl recht bald nachlässt.
Mildere Symptome beobachtet
Doch ist die Impfung überhaupt (noch) erforderlich? In Deutschland gibt es keine aussagekräftige Studie darüber, wie viele Menschen bereits mit Corona in Kontakt gekommen sind und dadurch Antikörper und Gedächtniszellen bilden konnten. Die Dunkelziffer ist unklar, doch für die Erwägung einer Impfpflicht wäre sie genauso relevant wie die Symptome der Erkrankung, welche mit den Injektionen bekämpft werden soll. Und die sind bei Omikron offenbar viel milder als bei früheren Varianten. Dafür sprächen nicht nur die RKI-Daten zur geringen Zahl an Klinikeinweisungen, sondern auch Beobachtungen aus anderen Ländern.
Aus Südafrika, wo die Mutation entdeckt worden war, hieß es etwa, dass diese weit weniger häufig zu einer Lungenentzündung und Klinikeinweisungen führe. Auch die ersten Varianten in den letzten beiden Jahren zogen schon bei nur etwa einem Prozent der erkannten Fälle die Lunge in Mitleidenschaft, wo sie schwere Probleme auslösen konnten, glaubt man den Berichten des RKI.
Forscher in Südafrika fanden hingegen Symptome, die eher einer leichten bis mittelschweren Grippe glichen: Schnupfen, trockener Husten, kratzender Hals, Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Der Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn komme nicht mehr vor. Stattdessen war von nächtlichen Schweißausbrüchen die Rede, wie etwa der MDR berichtete.
Das RKI gab an, in Deutschland hätten Omikron-Patienten am häufigsten über Schnupfen, Husten und Halsschmerzen geklagt. Bei mehr als der Hälfte der Fälle kam es mindestens zu einem dieser Symptome. Wohl deshalb plädierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits für eine Verkürzung der Quarantäne auf sieben Tage beziehungsweise 48 Stunden nach dem Ende möglicher Symptome. Allerdings müssten sich dann Ungeimpfte mit einem PCR-Test nach sieben Tagen "freitesten".
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