"Transatlantische Solidarität": Baerbock und Blinken drohen Russland mit "massiven Konsequenzen"
Nach der Vorberichterstattung über den Antrittsbesuch der neuen deutschen Außenministerin war es gestern so weit: Washington öffnete seine Arme für Annalena Baerbock. US-Außenminister Antony Blinken nahm sich, nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, "außergewöhnlich viel Zeit", denn: "Der Konflikt mit Russland schweißt zusammen." Seit Wochen wird schließlich bereits vor einer "Invasion" Russlands in die Ukraine gewarnt – auch wenn ein solch unkalkulierbares militärisches Abenteuer gegen jede Vernunft in Moskau sprechen würde.
"Putin" ist für vieles zur Projektionsfläche geworden. Für dumm hielten ihn zumindest bislang wohl nur die wenigsten. Für Moskau, das demzufolge gerade versucht, sein "Prestigeprojekt" Nord Stream 2 nun endlich an den Start zu bekommen, wäre durch einen Krieg mit all seinen vorhersehbaren und unvorhersehbaren Konsequenzen politisch und wirtschaftlich absolut nichts gewonnen.
Baerbock und Blinken ist derweil sichtlich daran gelegen, das Bild tiefer transatlantischer Bande zu zeichnen. Die deutsche Außenministerin strahlt den "lieben Tony" dabei an, als hätte es niemals Differenzen zwischen Berlin und Washington gegeben. Es ist das sich mutmaßlich aggressiv verhaltende Russland, das die Risse im transatlantischen Verhältnis kitten hilft.
Unser @AuswaertigesAmt und @ABaerbock verweigern selbst gegenüber dem Bundestag jegliche Auskunft darüber, welches Handeln man #Russland denn vorwirft. Das gefährde das „Staatswohl“. Konkret: Es wird zum Wohl der Eskalation gelogen, dass sich die Balken biegen. https://t.co/FUiGjP4EMp
— Jörg Tauss (@tauss) January 6, 2022
"Das russische Handeln ist mit einem klaren Preisschild gekennzeichnet."
So machte Baerbock die harte deutsche Haltung klar. Blinken ergänzt, sowohl Deutschland als auch die USA sähen im Vorgehen Russlands "eine unmittelbare und dringende Herausforderung für Frieden und Stabilität in Europa". Das effektivste Werkzeug gegen russische Aggression ist nach Ansicht Blinkens: die "transatlantische Solidarität".
Unisono drohen Baerbock und Blinken Moskau für den Fall einer militärischen Eskalation mit harten Wirtschaftssanktionen. Laut Baerbock wolle man jedoch gar nicht zu politischen und wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen gegen Moskau greifen, sondern in einem Konflikt "deeskalieren", in dem es allerdings nach Lesart Washingtons und Berlins nur einen Aggressor gibt.
Sowohl Blinken als auch Baerbock betonen dabei mehrfach, es gehe nicht um einen Alleingang der USA bei den anstehenden Verhandlungen, sondern um ein gemeinsames Handeln des Westens – im Angesicht der diffusen Bedrohung durch Moskau. Baerbock spricht es aus: Es könne "keine Entscheidung über Sicherheit in Europa ohne Europa" geben. Die "Einbeziehung der betroffenen europäischen Staaten" sei bei den anstehenden Gesprächen "zentral". Längst ist Russland in transatlantischen Kreisen Teil des außereuropäischen Auslands.
AMin @ABaerbock beim Antrittsbesuch mit @SecBlinken in #WashingtonDC: Werden uns immer engstmöglich mit den #USA abstimmen. #Europa hat keinen stärkeren Partner, um globale Herausforderungen zu meistern. Sicherheitsfragen & Klimawandel brauchen unsere volle Aufmerksamkeit. 1/2 pic.twitter.com/qSA8ZZS4uq
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) January 5, 2022
Und beim Verweis auf "Europa" als Verhandlungspartner, wenn es um die großen europäischen und globalen Konfliktlinien geht, schwingt dabei auch die Befürchtung mit, dass die Europäische Union – trotz erheblicher außen- und geopolitischer Ambitionen – mal wieder nur eine Nebenrolle spielt. Die "Furcht vor Europas Irrelevanz" heißt es dazu etwa beim Tagesspiegel, der, angesichts der am Sonntag beginnenden Ukraine-Gespräche zwischen USA, NATO und Russland, sehr genau zwischen Gut und Böse zu unterscheiden weiß. Auch für das Auswärtige Amt ist es in diesem Zusammenhang "Europa", das keinen stärkeren Partner" als die USA habe.
"Werden uns immer engstmöglich mit den USA abstimmen. Europa hat keinen stärkeren Partner, um globale Herausforderungen zu meistern."
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz betonte Blinken angesichts der bevorstehenden Gespräche mit Moskau:
"Wir werden unsere Besorgnis über Russlands destabilisierende Aktionen und Verstöße gegen internationale Normen zum Ausdruck bringen."
Gleichzeitig wusste Blinken von einer fortschreitenden "militärischen Aufrüstung" Russlands zu berichten. Zudem lasse Moskau "seine Rhetorik weiter eskalieren". Dies gefährde einen Erfolg der anstehenden Gespräche zwischen beiden Seiten. Was Nord Stream 2 anbelangt, sei er sich mit seiner deutschen Amtskollegin darüber einig, dass Russland davon abgehalten werden müsse, "Energie als Waffe einzusetzen".
Blinken machte keinen Hehl daraus, dass die USA die Gaspipeline seit langem ablehnten, und kryptisch ergänzte der US-Außenminister:
"Und wenn Russland seine Aggression gegenüber der Ukraine wieder aufnimmt, wäre es sicherlich schwierig, dass in Zukunft Gas durch diese Pipeline fließt."
Doch sollte sich das offensichtlich für sämtliche Konflikte allein verantwortliche Russland "dennoch für eine Eskalation entscheiden", werde man schnell reagieren.
"Die Vereinigten Staaten, Deutschland und unsere Verbündeten und Partner, einschließlich der NATO, der Europäischen Union und der G7, haben sehr deutlich gemacht, dass Russland massive Konsequenzen für eine erneute Aggression gegen die Ukraine zu erwarten hat."
In Anbetracht der Kürze ihres Besuchs freute sich Baerbock am Mittwoch wiederum auf eine baldige Rückkehr "in Euer wunderschönes Land". Ihr seien zeitnahe weitere Gespräche wichtig – nicht nur in Washington, sondern auch mit Menschen an anderen Orten im Land.
Baerbock macht deutlich, dass die USA nicht nur ein wichtiger Bündnispartner für sie sind, sondern dass sie auch außerhalb der Politik eine Beziehung zum Land hat. "Für mich ist das persönlich auch ein wichtiger Moment, nachdem ich als Jugendliche ein Austauschjahr hier in den Vereinigten Staaten von Amerika verbracht habe", erinnert sich die Ministerin. "Auch wenn ich ehrlichkeitshalber sagen muss, dass in Florida das Wetter etwas besser war als hier jetzt im schneereichen Washington. Aber das kennen wir ja auch aus Berlin."
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