Bild-Redakteurin kündigt und wirft Axel-Springer-Chef Einknicken vor "woken Aktivisten" vor
In den sozialen Medien wie dem Kurznachrichtendienst Twitter wird gerade heftig über ein Schreiben diskutiert. Es geht um einen offenen Brief einer nun wohl ehemaligen Journalistin beim Axel-Springer-Verlag, der reichlich Vorwürfe an die Konzernspitze enthält.
Judith Sevinç Basad, die vor rund einem Jahr im Politikressort der Bild-Zeitung anfing zu arbeiten, und nach eigenem Bekunden "begeistert" darüber gewesen sei, beanstandet nun, dass der Verlagschef Mathias Döpfner vor dem "woken Aktivismus" eingeknickt sei.
Basad betont am Anfang ihres offenen Briefs, wie stolz sie gewesen sei, Teil einer "wunderbaren und mutigen" Redaktion gewesen zu sein, "die mit so großer Entschlossenheit freiheitsfeindliche Ideologen klar und furchtlos analysiert, benennt und beschreibt" – was sich ihrer Meinung nach etwa in der Arbeit der Journalisten Paul Ronzheimer und Julian Reichelt widerspiegelt. Dann aber wirft sie dem Medienhaus vor, sich von einer Bewegung "mit totalitären Forderungen" und "von der inhaltslosen Propaganda einer woken Minderheit in die Knie zwingen" zu lassen.
Grund für ihre Kündigung bei der Mediengruppe sei demnach "das Gefühl, dass ich nicht mehr über die Gefahren berichten kann, die von dieser gesellschaftlichen Bewegung" ausgehen. Die Redakteurin beschreibt in ihrem öffentlichen Brief, wie sie kurz nach dem Erscheinen eines inzwischen als "umstritten" bezeichneten Gastbeitrags in der Zeitung Die Welt, einen Artikel veröffentlichen wollte, in dem einer der Autoren dieses Kommentars zu Wort kommen sollte. Doch, der Artikel "wurde verhindert", so Basad.
Die Welt hatte vor mehreren Wochen diesen Gastbeitrag veröffentlicht, in dem sich fünf Biologen und Mediziner mit Beiträgen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Thema der Transsexualität auseinandersetzten. Sie attestierten dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ihrem Kommentar unter anderem, dass er in "einem breiten Spektrum" in seinen Sendungen oder Youtube-Formaten statt "biologische Tatsachen und wissenschaftliche Erkenntnisse wahrheitsgemäß" darzustellen, die Kinder und Jugendliche bei Themen wie Sexualität und Vielgeschlechtlichkeit "indoktrinieren" will.
Der Kommentar sorgte für solch einen Aufruhr, dass sogar der Axel-Springer-CEO selbst wenige Tage nach dem Erscheinen des Beitrags der Wissenschaftler einen eigenen Text in der Welt veröffentlichte, in dem er den Gastkommentar unter anderem als "oberflächlich", "herablassend" und "ressentimentgeladen" bezeichnete. Zugleich aber betonte Döpfner, dass die "Idee" von Gastkommentaren ja sei, "das Spektrum des Sagbaren bis an die Grenzen auszuloten und auf diese Weise Debatten anzustoßen".
Basad wirft nun unter anderem dem Verlag aber vor, sie aufgefordert zu haben, diesen Wissenschaftler-Aufruf zu kritisieren, andernfalls würde ihr Artikel nicht erscheinen. So schreibt die Redakteurin in ihrem Brief:
"Der Artikel wurde verhindert. Mir wurde gesagt, dass ich den Wissenschaftler-Aufruf kritisieren sollte, ansonsten würde der Artikel nicht erscheinen. De facto wurde von mir verlangt, dass ich genau das negativ darstelle, für was ich seit Jahren mit vollem Idealismus kämpfe: vor den Gefahren des woken Aktivismus zu warnen."
In dem von ihr angestrebten Bild-Artikel sollte allerdings wohl, laut eigener Aussage, einer der fünf Autoren des Welt-Kommentars, Kinderpsychiater Alexander Korte, zu Wort kommen und die Absichten der Wissenschaftler deutlich erklären. Demnach habe Korte gesagt, dass der Aufruf nicht dafür gedacht sei, "transsexuelle Menschen – deren Existenz wir akzeptieren und vor deren Leidensdruck wir den allergrößten Respekt haben – zu diskreditieren". Es wurde laut Korte der Umgang der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Thema kritisiert.
"Es geht auch nicht darum, dass Kinder nicht frühzeitig über ihre Sexualität aufgeklärt werden sollen. In dem Aufruf geht es darum, vor gefährlichen Falschinformationen – wie Leugnung biologischer Tatsachen und die Mär der Vielgeschlechtlichkeit, kurz: der Verbreitung von unwissenschaftlichen Tatsachen – zu warnen."
Dem CEO des Medienhauses wirft Basad vor, mit seinem Text, der mit dem Titel "Unser Haus steht für Vielfalt und Freiheit" überschrieben war, "vor der unerträglichen Tyrannei der woken Aktivisten eingeknickt" zu sein. Der Verlag habe, so die Redakteurin weiter, "mit diesem Brief genau die inhaltslose Rhetorik übernommen, mit der nicht nur ich, sondern jeder Mensch, der eine differenzierte Kritik der woken Bewegung betreibt, immer wieder als Menschenfeind diffamiert wird".
Basad wirft Döpfner unter anderem vor, in seinem Meinungsartikel "Dinge" zu behaupten, die nicht wahr seien. Basad schreibt etwa:
"Weder in dem Welt-Kommentar noch in dem 50-seitigen Dossier wird Hetze gegen Homosexuelle oder Transsexuelle betrieben, wie man es dort liest. Auch geht es den Wissenschaftlern nicht darum, Menschen daran zu hindern, ihre 'fluide Geschlechtsidentität' frei auszuwählen, also etwa einer Frau zu verbieten als Mann zu leben (und umgekehrt) oder sich als 'nicht-binäre' Person zu identifizieren."
Stattdessen unterstrich Basad, dass der Aufruf "eine unwissenschaftliche Ideologie" anprangert, "die zunehmend den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beeinflusst". Dem Axel-Springer-Chef warf sie zudem vor, in seinem Artikel die Autoren des Gastkommentars und ihre Kritik "als Hetze gegen Minderheiten" und als "homophob" zu diffamieren.
Die Redakteurin, die auch als erfolgreiche Buchautorin gilt, fragt sich in ihrem offenen Brief, ob es dem Axel-Springer-Chef vielleicht darum gehe, "die woken US-Redaktionen des Unternehmens nicht zu verärgern". Das Unternehmen hatte vergangenes Jahr für geschätzt gut eine Milliarde US-Dollar die Washingtoner Nachrichten-Plattform Politico übernommen. In den USA besitzt der Verlag seit 2015 auch das Wirtschaftsportal Business Insider.
Am Ende ihres Schreibens berichtet Basad auch über eine Debatte mit dem Konzernchef. Demnach soll Döpfner dabei die "moralische Pflicht einer Redaktion" betont haben, "nicht jede Behauptung in einer Zeitung abzubilden, nur weil sie den Eindruck von Wissenschaftlichkeit erweckt".
Inzwischen reagierte etwa Bild-Chefredakteur Johannes Boie auf den offenen Brief von Basad via Kurznachrichtendienst Twitter. Boie widersprach Basad:
"Auf Deinen Artikelvorschlag hatte ich ja 'Do it!' geantwortet – schade, dass der Text nicht hielt, was Dein Vorschlag versprochen hatte."
Zugleich versah er seine Nachricht mit einer offenbar ironisch gemeinten Bemerkung: "Stimmt, Judith, wir sind jetzt links! Döpfner rief eben nochmal an und hat mir das befohlen." Basad warf ihm daraufhin einen "ironisch-arroganten" und "herablassenden Ton" vor. "Ich hätte mir bei meiner aufrichtig gemeinten Kritik einen respektvolleren Umgang erhofft", so Basad.
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