Wissenschaftsmagazin NANO: Was bringt der Omikron-Booster?
Von Bernhard Loyen
Einen wertfreien, informativen und kritisch ausgewogenen Informationsbeitrag zum Thema Effizienz und Auswirkungen von angepassten COVID-19-Impfstoffen in den öffentlich-rechtlichen Medien zu finden, gilt weiterhin als Ausnahme.
So überraschte die Zuschauer der aktuellen Ausgabe des 3sat-Wissenschaftsmagazins NANO ein zweitplatzierter Beitrag mit dem Titel: "Was bringt der Omikron-Booster?". Schwerpunkt-Aufmacher der ZDF-Produktion war eine Plastiksäuberungsaktion in Norwegen. Bezogen auf die aktuell erhitzten Diskussionen in der Gesellschaft irritiert diese Entscheidung der 3sat-Redaktion.
Die kontroversen Wahrnehmungen hinsichtlich Notwendigkeit und Nutzen, speziell aus der Politik und Wissenschaft, hätten den Impfstoff-Beitrag als Aufmacher der Sendung gerechtfertigt. Der Inhalt entschädigt dafür, da er den Zuschauern überraschend unerwartete, gut verständliche Details zu den jüngst von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassenen sogenannten bivalenten Impfstoffen vermittelt.
Zu Beginn betonte der Moderator, dass der Bundesrat die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes "durchgewunken" hätte – "trotz Widersprüchen". Die Anmoderation fasste die Problematik der zurückliegenden zwei Jahre zusammen:
"Politik bedeutet Kompromisse, Infektionsschutz für eine Gesellschaft zu erreichen ist kompliziert und sowohl das Virus wie auch die Impfstoffe verändern sich."
Im Gegensatz zu den meisten europäischen Nachbarn würde sich Deutschland "auf die nächste Corona-Welle vorbereiten". Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, kam zu Wort. Er schätzt den "Großteil der Bevölkerung als gut geschützt, auch gegen die Omikron-Varianten". Aktuelle Studien, getätigt in einem "repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt", lieferten eindeutige Zahlen. Watzl wörtlich:
"Wie viele Menschen haben denn schon Antikörper gegen dieses Virus, entweder durch eine Impfung oder Infektion? Und da sieht man einfach, dass wir bei der Erwachsenenbevölkerung schon jenseits der 95 Prozent sind, d. h. wir haben eine sehr hohe Immunität."
Aufgrund der daraus resultierenden sehr kleinen Immunitätslücke müsse die Gesellschaft "eigentlich keine Angst mehr haben", so der Immunologe. Der 3sat-Beitrag stellte fest, dass bei einem Blick auf die Presseveröffentlichungen der vergangenen Monate "keine zufriedenstellenden Antworten gegeben" wurden, ob und wer überhaupt eine vierte Impfung aktuell benötigen würde:
"Zu unterschiedlich die Meinungen der Experten, Institutionen und Politiker."
Der Beitrag zitierte die Kritik des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, gegenüber Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Dieser forderte im Juli einen zweiten Booster auch für Jüngere. Gassen sagte:
"Aus israelischen Studien wissen wir, dass ein zweiter Booster bei jüngeren Gesunden nicht sinnvoll ist."
Es folgte ein Zitat des Leiters der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, ebenfalls bezogen auf die aktuelle Kommunikation von Karl Lauterbach:
"Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto 'Viel hilft viel' auszusprechen."
Als vierte, eher kritische Stimme kam der Immunologe und Leiter des Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin, Prof. Thomas Radbruch, zu Wort. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt bei dem Thema Schutzwirkungen von Impfungen. Es folgten Darlegungen von Prof. Radbruch, die jenen, die sich nur über öffentlich-rechtliche Beiträge informieren, weiterhin unbekannt sein dürften und diese zumindest nachdenklich stimmen könnten.
Das ursprüngliche Ziel von Impfungen sei es, "einen gewissen Schutz vor Ansteckungen anzustreben". Bezugnehmend der Diskussion um Dreifach- und mögliche Folge-Impfungen erklärt der Immunologe:
"Dazu muss das Immunsystem zuerst reagieren; und wenn es zu oft geimpft wird, dann reagiert es überhaupt nicht mehr. Das heißt, dann wird auch kein Schutz vor Ansteckungen mehr gewährleistet."
Der Schutz vor schweren Verläufen bleibe erhalten, aber "der Schutz vor Ansteckungen sinkt wohl von Impfung zu Impfung", so die Ergänzung der 3sat-Redaktion. Weiterhin hieß es:
"Nach einer israelischen Studie lag der Schutz nach der dritten Impfung noch bei 80 Prozent. Bei der vierten Impfung noch bei 30. Das Immunsystem stumpft ab."
Prof. Radbruch erläuterte, dass das Immunsystem seine "Flexibilität" bei dem Versuch, "sich einzuprägen, wie diese Impfungen eigentlich aussehen", verlieren würde. Eine schlechte Voraussetzung "für zukünftige Varianten" und damit für jene Menschen, die bereits mindestens dreimal gegen COVID-19 geimpft sind.
Experten, nicht Politiker zur vierten Impfung. pic.twitter.com/rtgAv51J1O
— Tim Röhn (@Tim_Roehn) September 17, 2022
Durchgeführte "Neutralisierungstests" bei den zwei neuen Omikron-Wirkstoffen der Hersteller BioNTech und Moderna hätten eindeutig gezeigt, dass "nur die Subvarianten B.A.4 und B.A.5 effizient bekämpft wurden". Und weiter:
"Bei B.A.1 lag das erzeugte Antikörper-Level rund dreimal niedriger."
Diese Tatsachen würden jedoch nicht der Informations- und Kommunikationsstrategie der beiden Hersteller entsprechen. Prof. Radbruch geht davon aus, dass "der angepasste Impfstoff auch nicht viel besser ist als der alte Impfstoff". Profitieren könnten seiner Meinung nach nur die potentiellen Empfänger, die "auf die ersten drei Impfungen nicht optimal, aber überhaupt reagiert haben".
Der Beitrag wies darauf hin, dass die erfolgte Zulassung der bivalenten Impfstoffe durch die EMA "allerdings wieder eine Notfallzulassung nach schnellen und kleinen Studien" darstellen würde, um ungewohnt für öffentlich-rechtliche Medien zu fragen: "Reicht das?"
Immunologe Watzl erklärte, dass zur "Prozent-Effektivität" schlicht keinerlei Daten seitens der Hersteller vorliegen würden. Erkenntnisse könnten daher nur "in der Anwendung" erstellt und analysiert werden. Das Gleiche gilt für fehlende Erfahrungen mit Nebenwirkungen. Watzl wörtlich:
"Und auch Nebenwirkungen. Seltene Nebenwirkungen, kann ich in solchen (vorliegenden) Studien nicht sehen, d. h. diese Daten fehlen komplett, auch jetzt noch."
Rein wissenschaftlich müsse daher unter epidemiologischen Betrachtungen und Aspekten jeder Bürger auf seinen Immunstatus getestet werden, so der Ansatz des Beitrags. Eine Selbstverständlichkeit aus Vor-Corona-Zeiten. Die Realität ist nachweislich eine andere. Ein immens wichtiger und unbedingt benötigter aussagekräftiger Status wird seitens fordernder Politik und mehrheitlich unterstützender Medien nicht thematisiert. Dafür wird eine vierte oder fünfte Impfung dringlichst empfohlen oder eingefordert.
Man kann es daher nur als fahrlässig bezeichnen, das bei nicht vorliegenden Daten, wie auch Vergleichsstudien, der gesamtverantwortliche Bundesgesundheitsminister in einem Twitter-Beitrag mit rund 1 Million Followern diktierte: "Besser BA.5-Impfung als BA.5-Infektion. Der Sender BR24 ergänzte Anfang September zu der gewagten Wahrnehmung Lauterbachs:
"Auch in einem Schreiben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an die Leistungserbringer der Impfkampagne, wie Arztpraxen und Impfzentren, heißt es, dass nach Studiendaten die neuen Impfstoffe deutlich (sic!) besser gegen die derzeit dominante BA.5-Variante wirkten als die Impfstoffe der ersten Generation."
Woher will Lauterbach das wissen? Abschließend informierte erneut Watzl die Zuschauer darüber, dass durch das Neu-Phänomen regelmäßiger Impfungen gegen einen Virus-Typ dringend benötigte Erkenntnisse zu dem Sinn von "Impfabständen" auch im dritten Corona-Jahr nicht vorliegen würden:
"Dann wissen wir noch gar nicht, vielleicht hält ja die dritte Impfung für mehrere Jahre."
US-Forscher hätten laut dem 3sat-Beitrag mittlerweile festgestellt, dass gewisse Zellentypen des menschlichen Organismus (Plasma- und Ammenzellen), die in der natürlichen Körperreaktion auf Virus-Infektionen entscheidend sind, bei "Genesenen mehr existieren als bei Geimpften", um zu resümieren: "Vieles ist eben noch unverstanden". Prof. Radbruch fasst ergänzend nüchtern zusammen:
"Wir verstehen immer noch nicht, was der Unterschied ist, zwischen Schleimhautimmunität und dem Schutz vor schwerer Erkrankung. Und wir verstehen auch nicht, warum die Menschen so unterschiedlich auf genau den gleichen Impfstoff oder das gleiche Virus reagieren."
Der aggressiven Pharmaindustrie geht es vordergründig um Profite und Gewinnchargen, nicht um das Wohl der Menschen. Schwindende Absatzmärkte sind die einzige Nebenwirkung, die in den Häusern BioNTech und Moderna für Stirnfalten und Panik sorgt.
Was einen mittlerweile manisch wirkenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schlussendlich antreibt, wird erst die politische Aufarbeitung einer Post-Corona-Zeit ergeben.
Tim Röhn, Chefreporter der Welt, schrieb in kritischer Eigenreflexion am 14. September auf Twitter:
"Die deutsche Politik lag bei Corona fast immer daneben – bei Schulen, bei Lockdowns, bei ihrer angsteinflößenden Kommunikation, bei Versprechen zu den Impfungen. Der Kreis schließt sich mit der völlig absurden FFP2-Pflicht. Wir Journalisten hätten von Anfang an skeptisch sein müssen."
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