Melnyk: Der undiplomatische Diplomat kehrt in die Ukraine zurück – Aber man wird noch von ihm hören
Mit seinen überspitzten Bemerkungen hat der ukrainische Botschafter Andrei Melnyk die deutsche Politik aufgemischt wie kaum ein anderer Diplomat jemals zuvor. Während sich die einen an seinem Stil störten, würdigten ihn andere als unermüdlichen Streiter für sein Land. Doch egal wie sehr er mit seinen Tweets auf Twitter auch polarisierte, eines war er jedenfalls nie: leise. Nun geht die "Ära Melnyk" in Deutschland zu Ende. Nach fast acht Jahren im Amt kehrt der 47-Jährige am Samstag nach Kiew zurück. Still wird es um den umstrittenen Diplomaten aber dennoch nicht werden. Denn Melnyk will sich auch nach der Rückkehr in sein Heimatland mit Wortmeldungen in die deutsche Politik einmischen.
Seinem Nachfolger wolle er zwar nicht in die Quere kommen und auch kein Ersatzbotschafter sein, sagte Melnyk der Nachrichtenagentur dpa. "Aber ich kann nicht versprechen, dass ich die Klappe halten werde." Es könne schon sein, so der Diplomat, dass er "den einen oder anderen – auch scharfen – Kommentar abgebe, wenn ich sehe, dass etwas schiefläuft in Deutschland, wenn es um die Unterstützung meiner Heimat geht". Seinem Nachfolger Alexei Makejew, der bereits am Montag in Berlin erwartet wird, wünscht Melnyk hingegen, "dass er seinen eigenen Weg findet".
"Er kann kein zweiter Melnyk sein. Das würden die Deutschen auch nicht wollen. Er muss was anderes erfinden, er muss halt Makejew sein."
Melnyks Karriere als ukrainischer Chefdiplomat in Deutschland begann im Januar 2015. War es anfangs ruhig um den studierten Juristen, fiel er insbesondere seit Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar plötzlich mit einer für einen Diplomaten ungewöhnlich harten Gangart gegen die deutsche Staatsführung auf. Doch auch schon vor dem Krieg mischte sich Melnyk diplomatenuntypisch hin und wieder mal in die inneren Angelegenheiten Deutschlands ein. So hatte sich der Botschafter in der Debatte um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu Beginn des Jahres mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) wegen eines historischen Vergleichs angelegt und ihm "gefährliche Geschichtsverdrehung" vorgeworfen.
Seither verging kaum ein Tag, an dem er nicht in Talk-Shows zu sehen war und der Bundesregierung dort Zögern und Zaudern vorwarf oder Kampfpanzer und Luftabwehrgeschütze für sein umkämpftes Heimatland forderte. "Ich glaube, es ist mir gelungen, die Deutschen für das Thema Ukraine zu interessieren, dafür zu sorgen, dass man die Ukraine hier wirklich erkennt und versteht", verteidigt Melnyk seinen Kurs heute. "Wenn ich jetzt nach Hause komme, erfüllt es mich mit Stolz, dass viele Waffensysteme aus Deutschland geliefert wurden, die uns helfen, die besetzten Gebiete und unsere Landsleute Schritt für Schritt zu befreien."
Scholz verhält sich wie eine "beleidigte Leberwurst"
Trotz aller berechtigter Kritik hat sich der aus Lwow stammende Diplomat eines aber dennoch nie vorwerfen lassen müssen: Dass man bei ihm mühsam zwischen den Zeilen lesen müsse. Zuletzt war es Tesla-Chef Elon Musk, dessen Friedensplan für die Ukraine Melnyk auf Twitter mit einem unzweideutigen "Fuck off" bedachte. Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er "Besessenheit mit dem Terror-Staat Russland" vor, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete er als "beleidigte Leberwurst" wegen dessen anfänglicher Weigerung, in die angegriffene Ukraine zu reisen.
Mit dem heutigen Sonnabend geht Melnyks Zeit in Deutschland jedoch vorerst zu Ende. Zusammen mit seiner Schwiegermutter hat er am Morgen mit dem Auto das Land verlassen. Seine Frau und seine beiden Kinder (11 und 20) bleiben zunächst aber in Deutschland. In Kiew soll der seit 1997 im diplomatischen Dienst der Ukraine tätige Beamte aller Voraussicht nach stellvertretender Außenminister werden. Endgültig entschieden ist über die Personalie Melnyk allerdings noch nicht. "Deswegen bin ich selbst gespannt, was auf mich zukommt. Ich werde wahrscheinlich am Dienstag Präsident Selenskij sehen. Und er wird mir dann hoffentlich persönlich sagen, wo er mich in seinem großen Team sieht", erklärte Melnyk.
Schwer falle ihm der Abschied von Deutschland dennoch. "Das war für mich nicht nur ein Traumjob. Unser Sohn hat hier den Schulabschluss gemacht. Unsere Tochter ist hier aufgewachsen, Deutsch ist für sie die zweite Muttersprache." Die Erfahrungen, die er in Berlin gemacht habe, würden ihn für immer prägen.
"Deutschland wird uns nie loslassen."
Melnyks überfällige Abberufung
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hatte Melnyk Mitte Juli von seinem Posten abberufen. Grund dafür waren dessen umstrittene Äußerungen zum ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera, welchem Historiker Kollaboration mit den Nazis und eine Mitverantwortung für die Ermordung von Polen und Juden im Zweiten Weltkrieg vorwerfen. Die uneingeschränkte Verehrung, die der Diplomat dem westukrainischen Faschisten und Nationalistenführer in einem Interview Anfang Juli entgegenbrachte, empörte nicht nur viele Deutsche.
Auch aus Polen und Israel hagelte es kräftig Kritik. Unter anderem hatte Melnyk seinerzeit erklärt, es gebe "keine Belege, dass Banderas Truppen hunderttausende Juden ermordet haben." Auch hätte es "keinen Befehl gegeben, Juden zu vernichten", so der ukrainische Botschafter. Dies hätten "viele Historiker" erforscht. Für die umstrittenen Äußerungen entschuldigt hat sich Melnyk bis heute nicht. Einem weiteren Reputationsschaden kam stattdessen das ukrainische Außenministerium zuvor und distanzierte sich von Melnyk:
"Die Meinung des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrei Melnyk, die er in einem Interview mit einem deutschen Journalisten ausgedrückt hat, ist seine persönliche und gibt nicht die Position des ukrainischen Außenministeriums wieder."
Ob sein Nachfolger Makejew zurückhaltender auftreten wird, bleibt fraglich. Auf Twitter teilte der designierte Botschafter bereits an Kanzler Scholz gerichtete Forderungen von Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien, wie Michael Roth (SPD) oder Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen), die Waffenlieferungen an die Ukraine zu beschleunigen.
Mehr zum Thema - Reaktion auf Raketenbeschuss: Melnyk fordert "Eliminierung" des "Terror-Staates" Russland
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.