Deutschland

Die große Reichs-Spinner-Inszenierung

Was stellen sogenannte Reichsbürger dar? Einen "Popanz-Prinz" mit bewaffneten Gefolgsleuten oder doch eine militante Umsturztruppe mit Potenzial zum Sturm auf den Reichstag? Uli Gellerman entknotet bekannte Verstrickungen von geheimdienstlichen Mitarbeitern und unzufriedenen Bürgern.
Die große Reichs-Spinner-InszenierungQuelle: Gettyimages.ru © Anadolu Agency / Kontributor

Von Uli Gellermann

Das hatten wir schon mal mit dem "NSU" (Nationalsozialistischer Untergrund): Eine Terrorgruppe aus dem Nichts, ein Nazi-Gespenst aus der Geheimdienst-Kiste; bis heute nicht richtig aufgeklärt, aber ganz eindeutig waren V-Leute des Verfassungsschutzes an der Gründung beteiligt. Eine neue Terror-Gründung, die sich "Reichsbürger" nennt, hat unter anderem einen echten Prinzen an der Spitze. Eine wirre Truppe, die angeblich einen bewaffneten Umsturz plante.

Deutsches Reich in den Hitler-Grenzen

Die sonderbaren Bürger glauben, dass das Deutsche Reich – mal in den Hitler-, mal in den Kaiser-Grenzen – immer noch bestünde und die Bundesrepublik müsse man deshalb nicht anerkennen. Der Reichs-Glaube hat zwei Kerne: Zum einen meinen diese Bürger, dass in Deutschland nicht die gewählten Regierungen das Sagen haben, sondern die ehemaligen Alliierten. Zum anderen berufen sie sich auf jenen Artikel 146 im Grundgesetz, der die Gültigkeit des GG bis zum Volksentscheid über eine Verfassung begrenzt.

NATO zeigt den Deutschen ihre Grenzen

Auch wenn die Reichsbürger ihren mentalen Zustand unter anderem durch die Gründung eines Königreichs manifestieren: Um festzustellen, dass die ehemalige Besatzungsmacht USA in Deutschland praktisch mehr zu sagen hat als die jeweilige Bundesregierung, muss man kein Reichsbürger sein. US-Instrumente wie die NATO zeigen den Deutschen immer wieder ihre Grenzen auf. Eine selbstständige Militär-und Außenpolitik wäre den Deutschen nur dann möglich, wenn sie sich von den USA lösen und die NATO verlassen würden.

Macht über die Medien wichtiger als Gesetze

Dass es eine politische Wirklichkeit gibt, in der die Mehrheit der Deutschen ihren Staat für legitim hält und dass die Mehrheit der anderen Staaten dies auch tun, das ignorieren die R-Bürger und ihre Anhänger. Sie begreifen nicht, dass geschriebenes Recht mit dem ausgeübten Recht nur begrenzt zu tun hat und dass zum Beispiel die Macht über die Medien unendlich viel mehr bedeutet, als die Beschränkung der Staatsgewalt durch Gesetze.

Reichsbürger: nützlicher Popanz

Aber da die Reichsbürger mit den grotesken Klamotten des längst vergangenen Reichs kostümiert sind, da manche von ihnen Waffen sammeln und zuweilen benutzen, sind sie als Popanz nützlich. Als die Grundrechtebewegung im August 2020 auf einen Höhepunkt zusteuerte, genehmigte der Berliner Innensenator den Reichsbürgern eine Dauerkundgebung auf der Treppe des Reichstages. Das war der Senator, der Aktionen der Demokraten gern von seiner Polizei zerschlagen ließ und dessen Justiz die Kundgebungen der Grundrechtebewegung grundsätzlich nicht genehmigte. Natürlich verkauften die Mehrheitsmedien die staatlich erlaubte Aktion als "Sturm auf den Reichstag".

Provokateure des Verfassungsschutzes

Kenner des Staatsgefüges waren und sind sich sicher: Die Reichsbürger-Aktion vor dem Reichstag war von Provokateuren des Verfassungsschutzes angemeldet und getragen, um die Querdenker zu diffamieren. Natürlich sollen unter den jüngsten Putschisten auch Querdenker sein. Denn auch wenn die Grundrechtebewegung zur Zeit schwächelt: Sie ist immer noch die einzige Alternative gegen einen Staat, der mit dem Corona-Regime die Demokratie beschädigte und mit der NATO-Unterwerfung Deutschland in einen gefährlichen Krieg verwickelt. Solche Alternativen müssen diskreditiert und in den Reichsbürger-Topf geworfen werden, damit sie nicht ansteckend wirken.

Vertrauen in den Staat sinkt

Die Richtigkeit staatlichen Handelns wird in Deutschland zunehmend bezweifelt. Die Gesundheitsschädlichkeit der Corona-Impfung hat sich trotz einer hermetischen Medienlandschaft herumgesprochen. An das Märchen von der russischen Sprengung der eigenen Gas-Pipeline wollen immer weniger Menschen glauben. Auch deshalb werden jene antirussischen Sanktionen, die vor allem die deutsche Wirtschaft und den Bürger-Geldbeutel treffen, infrage gestellt. Das Vertrauen in den Staat sinkt. Aus mangelndem Vertrauen resultiert die Suche nach Alternativen, und daraus kann der Wunsch nach Auflehnung erwachsen.

Nancy Faeser sieht einen Abgrund

Bevor aus einem Wunsch wirkliche Auflehnung wird, müssen die Instrumente der Repression als notwendige Maßnahmen popularisiert werden. Dazu dient der vermeintliche Reichsbürger-Umsturz. Der gibt Existenzen wie der Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Möglichkeit, solche Sätze abzusondern: "Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken" und weiter "Wir wissen uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie zu wehren."

Kampf gegen eine Verfassungsschutz-Erfindung

Die "Härte der Demokratie" wendet sich, wie man in den letzten Jahren auf Straßen und Plätzen gut beobachten konnte, gegen aktive Demokraten. Faeser benutzt jetzt eine Erfindung des Verfassungsschutzes für den Kampf gegen Demokraten.

Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist. Seine Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern grundieren seine Medienkritik. Er ist Herausgeber der Internetseite RATIONALGALERIE.

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