Lust auf Eskalation: Deutsche Medien fordern Kampfjets für Kiew
Es hatte nur wenige Minuten gedauert, die Berichte über das Einknicken von Olaf Scholz hinsichtlich der Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 waren kaum bestätigt worden, da stand gleich die nächste Forderung im Raum. Kampfjets sollten es nun sein.
Der Vizeaußenminister und ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland Andrei Melnyk preschte mit noch einer weiteren Idee vor: Ein U-Boot hätte er gern. Die Bundeswehr verfüge über sechs des gewünschten Typs und könnte daher eines abgeben. Die Ukraine würde damit dann die Russen aus dem Schwarzen Meer vertreiben, teilt er auf Twitter mit.
Mit dem Wort "vertreiben" deutet Melnyk dann auch an, was passieren würde, sollte es der Ukraine mit westlicher Unterstützung tatsächlich gelingen, die vier neuen russischen Gebiete sowie die Krim "zurück zu erobern": Es gäbe eine Welle von Flucht und Vertreibung der russischsprachigen Bevölkerung, verursacht von ukrainischen Nationalisten, die schon aufgrund der absehbaren Brutalität, mit der die Ukraine gegen die Millionen Bewohner des Donbass und der Krim vorgehen würde, verhindert werden muss. Es wäre eine humanitäre Katastrophe.
Die Ukraine hielt es für ihre neue Forderung nach Waffen noch nicht einmal für notwendig, allein aus reiner Höflichkeit eine kleine Karenzzeit bis zur nächsten Forderung nach weiterer Eskalation einzulegen. Sie bestätigte damit unmittelbar diejenigen, die prophezeit hatten, nach der Lieferung von Panzer kämen weitere und noch umfassendere Forderungen, wodurch Deutschland immer weiter und tiefer in den Krieg gezogen würde.
Das politische Establishment in der Ukraine scheint genau dieses Ziel zu haben, und der deutsche Mainstream macht fleißig mit. Diese mahnenden Stimmen werden in Deutschland kaum gehört. Deutsche Medien springen jedenfalls auf das Thema "Kampfjets" auf und ebnen den Pfad für die weitere Eskalation. So stellt das ZDF die eher rhetorisch zu verstehende Frage: "Sind Jets militärisch sinnvoll?"
"Der Westen könnte aber deutlich machen, dass er Kampfflugzeuge liefert, wenn Russland biologische, chemische oder atomare Waffen in diesem Krieg einsetzt", zitiert das ZDF den Historiker Sönke Neitzel von der Uni Potsdam.
Das ZDF nimmt diese Aussage als Sprungbrett für eine weitere Expertenmeinung. Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr, hält die Lieferung von Kampfflugzeugen für einen gangbaren Schritt.
So spielt das ZDF wenige Tage später schon mal durch, welche Kampfjets für das Waffenarsenal der Ukraine überhaupt sinnvoll sein könnten. Seinen Überlegungen stellt der Beitrag eine Bemerkung voran:
"Bei allen Waffensystemen achten die NATO-Partner bisher darauf, dass diese nicht zu einer Eskalation des Konflikts führen können. Auch wenn Kiew zusichert, dass es keine Angriffe auf russisches Staatsgebiet plant, hätte es mit Kampfjets dazu die Möglichkeit."
Dieser Satz fällt angesichts der tatsächlichen Lage in der Ukraine unter den Begriff "romantische Verklärung". Die Eskalation ist in vollem Gange. Russland zerstört ukrainische Infrastruktur, nachdem die Ukraine durch einen Terroranschlag auf die Krim-Brücke versucht hatte, russische Infrastruktur zu sabotieren.
Immer wieder greift die Ukraine grenznahe Städte und Siedlungen in Russland an, beschießt obendrein die Zivilbevölkerung in Lugansk, vor allem aber in Donezk, mit westlichen Waffen und begeht auf diese Weise Kriegsverbrechen.
Dass sich das ZDF weigert, darüber zu berichten, bedeutet ja nicht, dass der ukrainische Beschuss in der Realität nicht stattfindet – er findet nur für den deutschen Medienkonsumenten nicht statt. Reale Auswirkungen hat er dagegen schon – es gibt nahezu jeden Tag tote Zivilisten durch ukrainischen Beschuss zu vermelden.
Das ZDF hat bei der Lieferung von Kampfjets vor allem sowjetische MiG-29 im Blick. Deutschland könnte Polen die Ausfuhr seiner alten MiGs in die Ukraine genehmigen. Die nächste Eskalationsstufe wäre gezündet und Deutschland fein raus.
"Woher könnten die MiG-29 kommen? Die Ukraine verfügt noch über diese Maschinen, ihre Piloten können also ohne weitere Schulung mit ihnen umgehen. Die Bundeswehr nutzte nach der Wiedervereinigung noch einige MiG-29 der DDR. Ende 2002 wurden alle verbliebenen 22 MiG-29 an Polen abgegeben. Ihre Weitergabe an die Ukraine müsste Deutschland als ursprünglicher Eigner wohl ausdrücklich genehmigen."
Auch die Bild stellt Überlegungen an, welche Kampfjets zur Lieferung überhaupt infrage kämen, und entdeckt den Tornado.
"Besonders aus Deutschland interessant: die Tornados (89 Stück), die im Besitz der Luftwaffe sind. Denn: Diese sollen teilweise durch die 35 F-35A (aus den USA) und Eurofighter (geplant) ersetzt werden. Doch: Wäre die Bundesregierung in den kommenden Monaten zur Abgabe an die Ukraine bereit oder bleibt es bei der roten Linie? Dann droht nach der Kampfpanzer-Entscheidung der Tornado-Streit!"
Bedauernd erkennt die Bild, dass die Koalitionäre bei der Frage nach der Lieferung von Kampfjets bisher geschlossen Nein sagen. Und das, obwohl andere NATO-Länder, allen voran Frankreich, die USA und selbstverständlich Polen, die Lieferung nicht mehr ausschließen. Einzig der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter signalisiert die Bereitschaft zum Einknicken auf ganzer Linie und sieht für den Fall, dass dies geschehen sollte, die Verantwortung dafür ganz allein bei Russland.
"Im letzten Jahr hat er (Scholz) gesagt: Kampfpanzer und Schützenpanzer werden auf keinen Fall geliefert, hat das als rote Linie definiert. Jetzt definiert er als neue rote Linie: Schiffe und Kampfflugzeuge. Es wäre sehr klug, wenn er sagen würde: Wir können nichts ausschließen, es liegt an Russland, ob wir das liefern oder nicht."
Auf Suche nach Befürwortern von Lieferungen von Kampfflugzeugen wurde t-onlne fündig. Das Online-Magazin sprach mit Claudia Major vom steuerfinanzierten Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik, der von Klaus Ritter 1962 gegründet worden war. Ritter war während der NS-Diktatur für den Nachrichtendienst "Fremde Heere Ost" tätig gewesen. Dieser Geist hat sich offenkundig bis in die Gegenwart hinübergerettet. Major bezieht einseitig für die Ukraine Position, verklärt den Konflikt zu einem Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit – und klar, da braucht es auch Kampfjets. Auf die Frage, warum die Ukrainer immer mehr Waffen wollen, antwortet Major:
"Weil die Ukrainer um ihr Überleben kämpfen. Kann es beim Kampf ums eigene Überleben eine Maßlosigkeit geben? Wollen wir im Westen sagen: 'Na ja, ein wenig Morden müsst ihr halt schon ertragen – aber Kampfjets gibts eben nicht'?"
Anders sieht das selbst die FDP-Abgeordnete und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie lehnt die Lieferung von Kampfjets derzeit ab. Neben ihrer Abgeordnetentätigkeit lobbyiert Strack-Zimmermann für die Rüstungsindustrie. In diesem Zusammenhang kommentiert der Twitternutzer DX Rumack die Absage Strack-Zimmermanns ironisch: "Rheinmetall baut halt keine Kampfflugzeuge."
Rheinmetall baut halt keine #Kampfflugzeugepic.twitter.com/12ZuWteoRr
— Dx. Rumack🚿🚿🚿🚿 (@Rumack69) January 25, 2023
Erstaunlich naiv und ohne klugen Kopf reagiert die FAZ auf eine Bemerkung der deutsch-ukrainischen Publizistin Marina Weisband. Weisband äußert sich in der Sendung Anne Will zum Thema Waffenlieferungen. Zusammengefasst meint sie, es gehe dem Westen darum, den Krieg möglichst in die Länge zu ziehen, um Russland zu schwächen. Um die Ukraine gehe es nur als Mittel zum Zweck. Die FAZ findet diese sehr treffende Analyse Weisbands "verstörend" und bezeugt damit ein erstaunlich hohes Maß an politischer Naivität.
Mehr zum Thema – Die Welt fängt an, die NATO als Konfliktpartei in der Ukraine zu sehen
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.
Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.