Rekordausgaben für Rüstung – Verteidigungsminister Pistorius fordert weitere zehn Milliarden
Neben den regulär bereits historisch hohen Rüstungsausgaben von mehr als 50 Milliarden Euro wurde im vergangenen Sommer das sogenannte Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro zur "Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit" beschlossen. Für dieses Jahr ist somit ein weitaus höherer Etat als im letzten Jahr in Höhe von 58,6 Milliarden Euro vorgesehen, da zu dem regulären Posten von 50,12 Milliarden Euro noch einmal 8,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen kommen, größtenteils für den kränkelnden Beschaffungsbereich. Medienberichten zufolge forderte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dennoch jährlich 10 Milliarden Euro zusätzlich für sein Haus.
Dass massive Summen für das Verteidigungsministerium in der Vergangenheit weder dem Weltfrieden noch der Verteidigungsfähigkeit sonderlich zuträglich waren, hat sich über Jahre deutlich gezeigt. Auch weitere Milliarden werden die unzähligen peinlichen Patzer eines in Bezug auf Rüstung relativ desolaten Ministeriums kaum mindern, doch das Jammern aus geneigten Kreisen ist bereits laut und deutlich: So klagte Marineinspekteur Jan Christian Kaack, dass die gesteckten Ziele nur mit einer "deutlichen Aufstockung des Verteidigungsetats" zu bewältigen seien. Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen sei ansonsten nichts weiter als eine "Palliativmaßnahme", so der Vizeadmiral Kaack zur Deutschen Presse-Agentur.
Das Springer-Blatt Welt beklagte, dass nun wegen der Zinsen plötzlich "nur" noch ein Sondervermögen in Höhe von 87 Milliarden übrig sei. Bundeswehrnahe Medien beschwerten sich darüber, dass trotz der Verkündung des Bundeskanzlers noch immer das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht erreicht sei, während NATO-Chef Stoltenberg bereits betonte, dass künftig noch mehr als zwei Prozent des staatlichen BIPs in das Militärbündnis fließen soll.
Eine Diskussion um diese Aufrüstung oder die militärischen Führungsansprüche Deutschlands, und die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dargelegte Entwicklung, nach der "die Bundeswehr dann wohl die größte Armee im europäischen NATO-System" werde, gibt es hingegen kaum. Scholz hatte die schuldenfinanzierte Finanzspritze, deren Höhe die des Etats für Gesundheit um das Vierfache übersteigt, Ende Februar vergangenen Jahres als Reaktion auf die russische Sonderoperation in der Ukraine angekündigt. Dabei scheint diese Tendenz alles andere als dem Kreml geschuldet, wie allenthalben betont wird.
Beobachter der Informationsstelle Militarisierung (IMI) führten die von Scholz ausgerufene "Zeitenwende" und die Ambition einer militärischen Führungsrolle Deutschlands auf viel frühere Bestrebungen zurück, maßgeblich vorangetrieben von Lobbyisten der Münchener Sicherheitskonferenz und ausgeführt in dem Projekt "Neue Macht – Neue Verantwortung" unter Federführung der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und des German Marshall Fund (GMF).
Auch die aktuellen Ansprüche des Verteidigungsministeriums waren absehbar, zumal selbst die riesige Schuldensumme des Sondervermögens nicht ausreicht, um das Zwei-Prozent-Ziel langfristig zu stemmen, das bei mehr als 70 Milliarden Euro läge. Dass somit spätestens im Jahr 2027 eine Erhöhung des offiziellen Militärhaushaltes um rund 25 bis 30 Milliarden Euro erfolgen müsse, war für Jürgen Wagner von der IMI ebenfalls bereits im September letzten Jahres absehbar. Dabei erforderte der aktuelle Etat – ohne das Sondervermögen – bereits schwierige Diskussionen zwischen der Ampel und der Opposition im Bundestag und wurde erst in zweiter Lesung angenommen. Seitens der Union hieß es im November, die gut 50 Milliarden Euro seien nicht genug. Die AfD begrüßte den Anstieg bei den Verteidigungsausgaben hin zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO, kritisierte aber die Ausstattung der Truppe mit marktverfügbaren Rüstungsprodukten. Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch bezeichnete das Rekordhoch bei den Verteidigungsausgaben als "Wahnsinn". Es gehe Deutschland nicht um Landesverteidigung, sondern um die "Profite von Waffenschmieden". Eine deutliche Absage erteilte die Linkenpolitikerin auch dem anvisierten Zwei-Prozent-Ziel. Doch damit stand sie auf vergleichsweise einsamem Posten.
Wie einem Bericht des Magazins Der Spiegel zu entnehmen ist, fordern auch andere Ressorts mehr Geld, insgesamt über 40 Milliarden Euro mehr, als im Finanzplan für das Jahr 2024 vorgesehen ist. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich früh gegen Schulden ausgesprochen. Doch dass ausgerechnet den Forderungen des Verteidigungshaushalts nicht nachgekommen wird, ist laut dem Spiegel-Bericht aber auch angesichts der Äußerungen des Finanzministers unwahrscheinlich. Die genaue Höhe bleibt abzuwarten.
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