Rosenmontagsumzüge: Über Corona macht man keine Witze – über Putin schon
Im Jubiläumsjahr zum 200. Rosenmontagsumzug lautete das Motto: "200 Jahre Kölner Karneval: Ov krüzz oder quer", in Anspielung auf ein Lied von 1905, in dem es weiter heißt: "mer looße nit un looße nit vum Fasteleer" – Wir hören mit dem Karneval nicht auf. In der Eröffnungsrede hieß es vom Zugleiter Holger Kirsch:
"Ob Kriege, Wirtschaftskrisen oder zuletzt die Pandemie: Der Karneval, unser Fastilovend, war oftmals die Konstante, die uns Kraft geschenkt hat. Zwei Jahre durften wir nit uff die Straß. Aber hök schrive mer Geschichte."
Doch die Kölschen Jecken können nicht nur Geschichte, sondern auch Fortschritt, wie Tanja Holthaus, Pressesprecherin des Festkomitees, erklärte. Ganze elf Prozent der traditionellen Kamelle stammen in diesem Jahr aus Fair-Trade-Produktion. Auch dürften die Strüßjer nicht mehr in Plastik eingepackt sein. (Beim diesjährigen Rosenmontagsumzug waren sie es aber trotzdem.)
Zudem verfüge man mittlerweile über viele Hybrid- und E-Autos. Auch seien in diesem Jahr erstmals alle Bagagewagen elektrisch. Die Traktoren, die die Wagen ziehen, laufen aber sich noch mit gutem, altem Diesel.
Über Corona lacht man nicht
Der letzte Rosenmontagsumzug war 2020. Damals hatte es am Karnevalssonntag noch gestürmt, aber der Zoch am Rosenmontag fand statt. Und danach "wissen wir alle, was war", wie eine WDR-Moderatorin vor Beginn des heutigen Zuges resümierte. 2021 fielen die Rosenmontagsumzüge aufgrund der Pandemie-Verordnungen aus.
Das 2022 für Köln geplante "Rosenmontagsfest" fiel letztlich dem Ukraine-Krieg zum Opfer und stattdessen veranstaltete man eine Großdemonstration. Rund 150.000 Personen sollen teilgenommen haben. Für Teilnehmer galten Maskenpflicht und die 3G-Regel – getestet, geimpft oder genesen. Alte Umzugswagen, die irgendetwas mit Putin oder Russland persiflierten, wurden in der Stadt wie Kriegstrophäen ausgestellt.
"Die Persiflagen sind das Ausdrucksmittel der Karnevalisten, um auf Missstände hinzuweisen", sagte damals Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn. "Und der schrecklichste Missstand derzeit sind die Kampfhandlungen in der Ukraine."
Erst in diesem Jahr darf wieder ohne Corona-Maske geschunkelt werden. Die betonte Fröhlichkeit in der Live-Übertragung des WDR wirkte etwas gekünstelt, so als würde man sich nach zwei Jahren für die Ausgelassenheit ein wenig schämen. Sonst erinnerte eigentlich nichts mehr an Corona. Das aktuelle Thema ist immer die Ukraine.
Gratismut-Persiflagen
Deswegen durften besonders in diesem Jahr die Putin- und Russland-Persiflagen auf den Themenwagen des Kölners Karnevals auf keinen Fall fehlen – gleich zwei gab es davon. Die Erste zeigte Breschnew und Honecker sowie Putin und den Teufel beim Bruderkuss. "Was soll man sagen?", lautete der Kommentar des Moderators. "Gleich und gleich gesellt sich gern." Die zweite Persiflage zeigte Putin als blutrünstigen Vampir, der die Welt durch einen Fleischwolf dreht.
Sehr wagemutig zeigte man sich auch nicht bei den anderen Themenwagen. Ein korrupter FIFA-Chef Gianni Infantino, eine Giorgia Meloni, die Stiefel leckende Alice Weidel, etwas zur Grundsteuererklärung, ein lüsterner Mullah und eine stolze iranische Frau. Mehr Mainstream geht eigentlich nicht. Den faden Gipfel der Satire markierte der Wagen, auf dem der deutsche Michel zwischen den Walzen Corona und Energiekrise zermalmt wird.
Doch die politischen Wagen waren nie eine Stärke des Kölner Karnevals, denn dafür sind traditionell die Düsseldorfer zuständig. Dort zeigte man sich ein wenig mutiger. Ein Papagei, der einem Indianer kulturelle Aneignung vorwirft, ein Wagen über die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche, Scholz, dem ein Strack-Zimmermann-Bock mit ukrainischer Flagge am Schwanz in den Rücken stößt.
Ein Putin, der in einer blau-gelben Wanne ein Blutbad nimmt, und ein zweiter Putin mit Z-Nazi-Armbinde, durften trotzdem nicht fehlen – gegen Putin zu sein, kostet bekanntlich nichts. Dabei hatten sich seit 2020 die Themen für Karnevals-Satire in Deutschland nur so angehäuft: Kretschmanns Waschlappen, Baerbocks feministische Außenpolitik, die Klimakleber, Merz' Paschas – die Pandemie-Maßnahmen? Doch lieber feiert man, als hätte es die Zeit seit 2020 nicht gegeben.
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