Ruf nach "Verfassungsschutz": Habeck und Neubauer gegen Wagenknecht und Schwarzer
Während das "Manifest für den Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht am 24. Februar weit über 600.000 Unterzeichner gefunden hatte und sich abzeichnete, dass die von beiden Initiatorinnen zusammen mit Ex-Brigadegeneral Erich Vad angekündigte Kundgebung am Brandenburger Tor großen Zulauf erhalten wird, scheint im politischen und medialen Berlin die Sorge vor einer neuen, starken Friedensbewegung zu steigen.
Grünes Mantra: "Politische Irreführung der Bevölkerung"
Insbesondere aus der Partei der Grünen – etwa von Anton Hofreiter – kommt seit Tagen harsche Kritik an jeglichen Friedensbemühungen. So wandte sich nicht zuletzt Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) in scharfen Worten gegen die Friedensinitiative von Schwarzer und Wagenknecht. Bereits am Donnerstag hatte der Grünen-Politiker erklärt, dass "Russland nur auf dem Schlachtfeld in die Knie gezwungen" werden könne. Am Vorabend der Berliner Kundgebung meinte der Klimapolitiker in einem Brennpunkt der ARD, die "Bevölkerung" warnen zu müssen, und erklärte sichtlich erregt:
"Jeder, der bei Sinn und Verstand ist, wünscht sich Frieden. Aber was diese Gruppe, was Sahra Wagenknecht und die ihr folgenden Leute machen, ist nicht, einen Frieden zu wollen, sondern einen Frieden, den ein Diktator, ein imperialistischer Diktator Europa aufzwingt, als Frieden zu verkaufen. Und das wäre nur der neue Eintritt in die nächsten kriegerischen Handlungen. Wenn sich das durchsetzt, ist das eine Einladung an Putin, die nächsten Länder zu überfallen, an alle Irren dieser Welt, die Grenzen mit Waffengewalt zu verschieben. Das ist kein Frieden! Das ist eine Schimäre, die da aufgebaut wird. Das ist eine politische Irreführung der Bevölkerung. Es ist nicht richtig, was diese beiden Damen sagen."
Auch ARD-Ukraine-Korrepondent Vassili Golod machte eigens auf seinem Twitter-Kanal auf die Sendung aufmerksam – und gab den Kern von Habecks Aussage nochmals wieder.
Was Wagenknecht & Co. machen, sei „eine politische Irreführung der Bevölkerung“, sagt Vize-Kanzler Habeck. „Wenn sich das durchsetzt, ist das eine Einladung an Putin, die nächsten Länder zu überfallen. An alle Irren dieser Welt, die Grenzen mit Waffengewalt zu verschieben.“ pic.twitter.com/8cmhhhpitW
— Vassili Golod (@VassiliGolod) February 25, 2023
Verbindung zwischen Krieg in der Ukraine und "Klimanotstand"
Am Vorabend von Wagenknechts und Schwarzers "Aufstand für den Frieden" hatte die "Klimaschutz-Aktivistin" Luisa Neubauer (Grüne) behauptet, dass von fossilen Brennstoffen eine einzige und unmittelbare Gefahr für "unsere Demokratien, unsere Volkswirtschaften, unseren Frieden" ausgehe.
Deutschland habe mehr als jedes andere Land fossile Energieträger aus Russland importiert. Nun beobachte man die "Invasion Putins in die Ukraine", die durch eine "Kriegsmaschine, die auf fossilen Brennstoffen basiert, ermöglicht" worden sei. Länder wie Deutschland hätten dafür bezahlt.
Es hängt alles zusammen. No peace, no climate justice. #StandWithUkrainepic.twitter.com/XX2LR2ixif
— Luisa Neubauer (@Luisamneubauer) February 24, 2023
Auf der proukrainischen Kundgebung am 24. Februar deklarierte Neubauer, es seit notwendig, mit der Ukraine solidarisch zu bleiben "bis zum Ende, solange es notwendig ist". Mit der Kundgebung entscheide man sich in Berlin "gegen Hetze, gegen Populismus, gegen Opportunismus, gegen diese unerträgliche Selbstgerechtigkeit".
Starke Worte von @Luisamneubauer bei #FullScaleFreedom:"Für einen Frieden, der was meint, der was wert ist, und von dem wir wissen, dass er einen Preis hat, und wir sind auch hier, weil wir wissen, dass wir bereit sind, ihn zu zahlen."#b2402#Ukrainepic.twitter.com/QwLa4S0v0c
— Max Zeising (@MaxZeising) February 24, 2023
In Berlin zeige man "echte Haltung" und beweise "echte Solidarität". Und Neubauer fuhr nicht ohne Pathos fort:
"Heute entscheiden wir uns für offene Arme und offene Herzen und echtes, ja ein echtes Ja zur Ukraine und zu allen Menschen, die dort, hier und überall unter Putin leiden müssen. Wir entscheiden uns heute hier für einen Frieden, der was meint, der was wert ist und von dem wir wissen, dass er einen Preis hat. Und wir sind auch hier, weil wir wissen, dass wir bereit sind, ihn zu zahlen."
Rufmord eines "Journalisten"
Ein weiteres Element der Diffamierung der Friedensinitiative von Schwarzer und Wagenknecht war seit Wochen der Vorwurf, Aufruf und Kundgebung grenzten sich nicht oder nicht klar genug gegen "Rechts" ab, sondern leisteten vielmehr einer imaginierten "Querfront" Vorschub. In diesem Sinne verstieg sich heute das der SPD nahestehende Redaktionsnetzwerk Deutschland zu der Behauptung, Wagenknecht stelle eine "Gefahr für die Demokratie in Deutschland" dar. Anschlussfähig an die Argumentation der Grünen, hieß es in dem Artikel, Wagenknecht gehe es in Wahrheit gar nicht um den Frieden in der Ukraine, sondern "um etwas ganz anderes".
Der Artikel bietet die ganze Palette infamer Anwürfe und sachlicher Verdrehungen auf, um Wagenknecht als Politikerin und Person vollständig zu diskreditieren. Darin wird nicht nur die immer wieder behauptete Nähe Wagenknechts zur AfD, sondern nun auch eine zur NPD konstruiert. Wagenknecht bewege sich in "radikalen Kreisen", raunt der Autor. Ihre Sicht auf den Ukraine-Konflikt sei "nahe an der Notwehrerzählung" Putins, wie aus ihrem Interview mit den "sogenannten" NachDenkSeiten hervorgehe.
Um die Nähe zur extremen Rechten zu untermauern, wird Wagenknecht eine Traditionslinie zum Faschismus angedichtet, wobei mögliche Konnotationen des aus dem NS-Vokabular stammenden Gefolgschaftsbegriffs evoziert werden:
"Sie erwartet Gefolgschaft. Wagenknechts Überzeugungen und ihre Art des Vorgehens sind autoritär."
In dem Artikel wird Wagenknecht schließlich zu einem Fall für den Inlandsgeheimdienst gemacht, den "Verfassungsschutz", indem behauptet wird:
"Es geht ihr um die Zerstörung der Demokratie. Wagenknecht ist ihre in Deutschland wohl einflussreichste Feindin."
Man dürfe die "Wirkung" der "Hinterbänklerin" nicht unterschätzen, denn ihre "Mischung aus Intelligenz und Ruchlosigkeit" finde "Anklang bis weit in bürgerliche Kreise hinein".
Mehr zum Thema - Friedensmanifeste und die Kriegspropaganda des Westens
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.