Mali nicht dem Russen überlassen: Bundestagsdebatte zur Afrika-Politik
"Russlands Einfluss in Afrika" war die Bundestagsdebatte am 3. März überschrieben. Worin sich Redner aller Parteien einig sind: Der Westen und auch Deutschland verlieren massiv an Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent. Russland und China sind auf dem Vormarsch und gewinnen in dem Maße die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Länder Afrikas, wie ihn die alten Kolonialmächte verlieren.
Man merkt der Debatte die Irritation über diese Tatsache an. Warum wenden sich immer mehr afrikanische Länder China und Russland zu, die sie in die Schuldenfalle treiben wollen? Die in Afrika lediglich ihre imperialistischen Wünsche verwirklichen wollen? Die lediglich aus wirtschaftlichem Interesse die Kooperation suchen? Denen Demokratie und Menschenrechte völlig egal sind?
Die Bundestagsdebatte bringt zudem an den Tag, wie sehr die im Bundestag vertretenen Parteien der Mentalität des Kalten Krieges und dem Denken in Blockkonfrontation verhaftet bleiben.
Russland betreibe in Afrika einen "Nischenimperialismus", meint etwa der grüne Abgeordnete Jürgen Trittin. Es springe überall dort ein, wo sich der Westen zurückziehe und eine Nische hinterlasse. Es gehe Putin um Einflussgewinn und die Verbreitung "falscher Narrative".
Ähnlich sieht das auch der SPD-Abgeordnete Christoph Schmid. Sorgen bereitet ihm vor allem, dass der russische Sender RT in vielen afrikanischen Ländern als seriöse Quelle betrachtet wird. Dem möchte er die Berichterstattung der Deutschen Welle gegenüberstellen, die das deutsche Narrativ verbreiten soll, und fordert eine bessere finanzielle Ausstattung des deutschen Staatssenders.
Das "russische Narrativ" ist eine große Sorge der Abgeordneten nahezu aller Parteien. Das "falsche Narrativ", dass die Sanktionen verantwortlich für die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise seien und nicht "Putins Überfall auf die Ukraine", sei in Afrika weit verbreitet, empört sich Trittin.
Den Rednern entgeht, dass dieses Bestehen auf der Richtigkeit der eigenen Sichtweise diametral zum bekundeten Willen zur Augenhöhe steht. Das wird nicht nur am Thema Medienpolitik deutlich.
Das Thema "Augenhöhe" zieht sich mantraartig durch die Debatte. Es braucht sie, um den Einflussgewinn Russlands wieder zurückzudrängen. Augenhöhe meint ohne Gängelung, ohne Vorschreibungen offen auf die Partner zugehen. Dazu bekennen sich nicht nur die Redner der Ampelkoalition, sondern auch CDU und die Linke.
Zudem sollen die Länder Afrikas mit der Werteorientierung deutscher Politik beeindruckt und gelockt werden. Das meint beispielsweise die SPD-Abgeordnete Bettina Lugk. Der Einsatz für Frauen und Demokratie, die Orientierung an Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten sei etwas, das weder China noch Russland bieten könnten, glaubt die Abgeordnete und macht damit ihre geistige Verwurzelung im kolonialen Denken deutlich.
Faktisch verhält es sich längst anders. Erst kürzlich veröffentlichte das European Council on Foreign Relations eine Studie, aus der deutlich hervorgeht, dass die Länder außerhalb des kollektiven Westens die Demokratie keinesfalls im Westen am besten verwirklicht sehen. Die Idee, man könnte einen Werteexport vornehmen, für den die importierenden Länder dankbar wären, wird der brisanten Botschaft dieser Studie nicht gerecht, knüpft aber an den kolonialen Gestus an, den man eigentlich abschwören wollte.
Warum nun ausgerechnet Länder wie Russland und China, die in einer starken sozialistischen Tradition stehen und einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Rechte von Frauen geleistet haben, nun ausgerechnet der deutlich unterentwickelten (west-)deutschen feministischen Tradition im Hinblick auf die Akzeptanz von Frauenrechten in Afrika unterlegen sein sollten, erschließt sich ohnehin nicht. Die Abgeordnete der SPD geht nicht weiter darauf ein. Ihr Redebeitrag macht aber deutlich, wie sehr sich deutsche Abgeordnete in der eigenen Erzählung über Deutschland verloren haben und dadurch die geopolitischen Verschiebungen nicht begreifen. Sie stehen der Frage nach dem Warum der geopolitischen Verschiebungen völlig ratlos gegenüber.
Bemerkenswert ist der Redebeitrag des AfD-Abgeordneten Stefan Keuter. Nach sechzig Jahren Entwicklungspolitik sei kein Ziel erreicht und man habe Angst, dass neue Akteure plötzlich das Ruder übernehmen, stellt Keuter fest. Er legt den Finger in die Wunde. Warum ist es nach all den Jahren westlicher Hilfe zur Entwicklung nicht gelungen, Beziehungen zu etablieren, die nicht unmittelbar erodieren, wenn mit Russland und China Alternativen auftauchen?
Die Antwort auf diese als auch auf die Frage, warum sich die Länder Afrikas China und Russland zuwenden, obwohl da nach deutscher Auffassung alles viel schlechter ist als das, was der Westen und Deutschland bieten können, ist ganz einfach. Weil das, was man im Bundestag über Russland und China glaubt zu wissen, vorne und hinten nicht stimmt.
Was dort für Vorstellungen herrschen, verdeutlicht der Abgeordnete der FDP Christoph Hoffmann. Der erzählt in seinem Redebeitrag über Russlands außenpolitische Strategie eine Geschichte von Mafia-Strukturen, der Etablierung organisierter Kriminalität und davon, dass Wagner-Truppen Menschen bei lebendigem Leibe verbrennen würden. Kein Wunder, dass deutsche Politik nicht versteht, warum sie ins Abseits gestellt wird.
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