"Portal in die Zukunft": Berlins Öko-Toiletten sind teuer, dreckig – und unbenutzbar
Die Berliner Landespolitik, lokale Medien wie auch der Investor waren sich einig – es handelt sich um eine gute und fördernswerte Initiative. 24 "klimafreundliche" Parktoiletten wurden im Rahmen eines sogenannten "Toilettenvertrags" im Wert von 1,7 Millionen Euro im Stadtgebiet installiert.
Laut Informationen der Senatswebseite werden in "unterversorgten Gebieten" im Rahmen "des Pilotprojekts zusätzliche autarke sowie nachhaltige, ökologische und klimagerechte Toilettenanlagen errichtet". In einer einjährigen Testphase werde damit "erprobt und evaluiert, welche Toilettensysteme die Anforderungen an eine ökologische, gendergerechte (sic!) und barrierefreie Toiletteninfrastruktur am besten erfüllen können", so die euphorische Ankündigung.
Im Januar dieses Jahres schwärmte der Geschäftsführer des auserkorenen Herstellers Finzio gegenüber dem Berliner Tagesspiegel:
"Wir verstehen diese Toiletten als ein Portal in die Zukunft."
Eine für Berlins Polit-, Kultur und Toilettenszene symptomatische Wahrnehmung. Der Tagesspiegel-Autor ergänzte begeistert in seinem Artikel:
"Auf den ersten Blick sieht das Holzhäuschen im Steglitzer Stadtpark aus wie ein stilvoller Geräteschuppen – mit hellem Holz, Edelstahlrampe und milchweißem Plastikdach. Doch statt für Geräteschaften ist dies ein Ort für Hinterlassenschaften, und zwar menschliche. Als eine von 24 neu aufgestellten öffentlichen Öko-Parktoiletten präsentierte Staatssekretär Markus Kamrad (Grüne) am Donnerstag das stille Örtchen der Öffentlichkeit."
Die Berliner Morgenpost informierte diesbezüglich bereits im Mai 2022: "Berlin plant "gendergerechte" Toiletten in den Parks". Die Berliner Zeitung titelte: "Das sind Berlins Parktoiletten aus der Zukunft" und sprach Bezug nehmend auf die ausgesuchte Parkanlage für die Präsentation von der "perfekten Hintergrundkulisse für die Attraktion". Ein Twitter-Nutzer präsentierte nun den jüngsten Status quo der Zukunftsportale, nachdem die Freigabe, also finale Öffnung, im März erfolgte:
Öffentliche Toilette in #Berlin März 2023 vs. April 2023 pic.twitter.com/2NIp5GpROg
— Fabio (@FLietzke) April 27, 2023
Auswahlkriterien für die Toilettensysteme waren laut der Berliner Umweltverwaltung "neben ihrer autarken Funktionsweise, Barrierefreiheit, Gendergerechtigkeit und Sicherheit" auch eine "Vandalismusresistenz und das Vorhandensein einer geeigneten Handhygiene". Vandalismus und Resistenz in einem Wort sind für in Berlin wohnhafte Bürger klare Widersprüchlichkeiten, wenn nicht sogar ein provoziertes Paradoxon, daher muss das teure Ansinnen zumindest als naiv bezeichnet werden.
Der vermeintliche "Clou", die Parktoiletten seien "autark", da sie "ohne Wasseranschluss und Strom" auskämen. "Gespült" wird in der Trockentoilette nicht mit Wasser, "sondern mit Strohmehl, für Beleuchtung sorgen ein Solarpanel und ein Bewegungsmelder". Die menschlichen Fäkalien werden dann "nach Eberswalde gebracht, wo man versucht, durch Kompostierung aus den Hinterlassenschaften einen "Superdünger" herzustellen", so die Vorstellungen des Herstellers.
Bereits im Vorjahr sorgte eine andere politische Klo-Initiative bei den Hauptstädtern für müdes Kopfschütteln. So informierte die Berliner Morgenpost über den "Rohrkrepiereinzelfall" im Bezirk Kreuzberg:
"Für 56.000 EUR stellte der Bezirk eine Toilette auf den Brennpunkt-Platz Kottbusser Tor. Eine Woche später sind zwei von drei Klos nicht benutzbar."
Der Tagesspiegel wusste im Januar über das "urbane Kunstwerk" am Kottbusser Tor zu berichten: "Zwei Monate gibt es die gratis Öko-Toilette schon. Während Nutzer über Dreck klagen, freut man sich beim Bezirk jedoch über weniger 'Fremdnutzungen' als andernorts".
Bezug nehmend auf die jüngste Millionenpleite mit Ansage orakelte im November des Vorjahres der grüne "Staatssekretär für Zentrales und Verbraucherschutz in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz", die Stadt wolle nach Eröffnung der Parktoiletten nun herausfinden, "wie autarke Toiletten, die für alle Geschlechter gleich gut nutzbar seien, die Aufenthaltsqualität (sic!) im Stadtgrün verbessern können". Dafür gönnt sich der Senat ein Jahr Zeit, zusätzliche Kosten und Mühen.
Alt-Berlinern fällt diesbezüglicher Politrealität spontan nur Hildegard Knefs Klassiker ein: "Ich bin zu müde, um schlafen zu gehen".
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