Söder stellt Ultimatum: Aiwanger muss 25 Fragen schriftlich beantworten
In der Affäre um den Spitzenkandidaten der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, hat der Ministerpräsident des Freistaates, Markus Söder (CSU), seinem Koalitionspartner am Dienstag faktisch ein Ultimatum gestellt.
Auf einer Pressekonferenz am Mittag gab Söder ein Statement zu den Vorwürfen gegen Aiwanger ab, dieser habe vor 35 Jahren als siebzehnjähriger Schüler ein Flugblatt mit den Holocaust persiflierenden Inhalten verfasst und verteilt. Der bayerische "Landesvater" ging mit dem Inhalt des angeblichen Flugblattes sogleich hart ins Gericht. Das "Hetzflugblatt" sei "widerlich und übelster Nazi-Jargon", sagte er.
Als Reaktion habe er einen Sonder-Koalitionsausschuss anberaumt, um sich ein eigenes Bild zu machen, erklärte Söder. Schon der Verdacht beschädige die Glaubwürdigkeit der Regierung und des bayerischen Wirtschaftsministers. Deshalb müsse "alles ausgeräumt werden." Er wolle "fair und objektiv" abwägen und niemanden vorverurteilen, erwarte aber von Aiwanger lückenlose Aufklärung und "eine klare Distanzierung".
Die bisherigen Äußerungen von Aiwanger reichten nicht, fuhr Söder fort, "es bleiben viele offene Fragen." Darum habe man dem Koalitionspartner einen 25 Fragen umfassenden Katalog vorgelegt und erwarte bis zur Tagung des Koalitionsausschusses die schriftliche Beantwortung. Der Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident habe sich dazu bereit erklärt, auch sei er bereit, in die Öffnung seiner Schulakten einzuwilligen und für Transparenz zu sorgen.
Bis zur Klärung der Vorwürfe werde Hubert Aiwanger Minister und stellvertretender Regierungschef bleiben, eine Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt wäre "ein Übermaß", begründete Söder diese Entscheidung. Dies sei jedoch "kein Freispruch und kein Freibrief".
Fragen wurden auf der Pressekonferenz nicht zugelassen.
Die der oppositionellen SPD nahe stehende Süddeutsche Zeitung hatte die Affäre um Aiwanger ins Rollen gebracht. Das Blatt veröffentlichte vergangene Woche die auf angeblichen Zeugenaussagen beruhenden Vorwürfe gegen den heute 52-Jährigen, nahezu alle Medien griffen sie deutschlandweit auf. Kritiker sehen darin knapp 40 Tage vor der für den 8. Oktober angesetzten Landtagswahl eine mediale Kampagne, die darauf abzielt, die bisher in Umfragen deutlich führende Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern zu beschädigen und so den Wahlausgang doch noch zu drehen.
Juristen kritisieren, dass die Veröffentlichung eines 35 Jahre zurückliegenden Vergehens eines damals Minderjährigen sämtliche Grundgedanken des Jugendstrafrechts (Vorrang der Erziehung und der Resozialisierung, möglichst unbelasteter Eintritt in das Erwachsenenleben, Nichtöffentlichkeit der Verfahren mit erhöhtem Persönlichkeitsschutz, "Recht auf Vergessen") über Bord werfe und eines kurzzeitigen politischen Vorteils wegen einen gefährlichen Präzedenzfall schaffe, der das gesamte System ins Wanken bringe.
Aiwanger selbst bestreitet die Vorwürfe zum großen Teil: Er sei nicht der Urheber des Flugblattes. Inzwischen hat sich sein älterer Bruder öffentlich geäußert und die Verantwortung für den Handzettel auf sich genommen.
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