Preisverleihung an Palästinenserin abgesagt: Internationaler Protest gegen Buchmesse
Die Eröffnung der Frankfurter Buchmesse gerät in diesem Jahr zum internationalen Skandal, der zeigt, wie isoliert Deutschlands Position im Nahost-Konflikt ist. Der aus Palästina stammenden Autorin Adania Shibli sollte am Freitag auf der Buchmesse der renommierte LiBeraturpreis des Vereins Litprom für ihre Novelle "Eine Nebensache" vergeben werden.
Darin wird im ersten Teil die verbriefte Geschichte der Verschleppung und Ermordung eines Beduinen-Mädchens durch israelische Soldaten im Jahr 1948 geschildert. Im zweiten Teil begibt sich die palästinensische Ich-Erzählerin, in der Absicht, die Hintergründe und Motivation zu verstehen, auf Spurensuche nach Israel und wird schließlich selbst erschossen.
Die in Berlin erscheinende Tageszeitung taz warf der Autorin Antisemitismus vor. Sie würde Israel als mordende und vergewaltigende Militärmaschine darstellen und bediene dabei antisemitische Klischees. Schließlich lenkte der Verein Litprom zumindest zum Teil ein und verlegte die Preisverleihung auf einen Zeitpunkt nach Ende der Buchmesse.
Der aus Slowenien stammende Philosoph Slavoj Žižek protestierte in seiner Rede zur Eröffnung der Messe gegen die Verlegung der Preisverleihung. Das sei eine "skandalöse Entscheidung". Žižek verurteile den Terror der Hamas, gleichzeitig jedoch sei die kollektive Bestrafung der Menschen in Gaza durch Israel nicht hinnehmbar.
The Times of Israel, die über den Vorgang berichtet, macht zudem auf einen offenen Brief an die Frankfurter Buchmesse aufmerksam, in dem über 600 Schriftsteller die Verlegung der Preisverleihung verurteilen.
Die Organisatoren würden den "Raum für die palästinensische Stimme verschließen", zitiert die Zeitung aus dem Brief, zu denen auch die Literatur-Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah und Olga Tokarczuk gehören.
In dem Brief heißt es weiter:
"Die Frankfurter Buchmesse hat als große internationale Veranstaltung die Verantwortung, Räume für palästinensische Schriftsteller zu schaffen, in denen sie ihre Gedanken, Gefühle und Reflexionen über die Literatur in diesen schrecklichen, grausamen Zeiten teilen können, und sie nicht zu schließen."
Das in den USA erscheinende unabhängige jüdische Online-Journal Forward schreibt anlässlich der Vorgänge um die Preisvergabe:
"Deutschland wurde für seine Bemühungen zur Aufarbeitung seiner Holocaust-Geschichte gelobt. Kritiker, darunter viele jüdische Intellektuelle, bemängeln jedoch, dass die Führung des Landes die Unterstützung Israels mit dem Kampf gegen Antisemitismus vermischt und palästinensische und antizionistische Stimmen unterdrückt. Nach der Absage eines Theaterstücks über eine Liebesbeziehung zwischen zwei jüdischen und arabischen Studenten im Jahr 2022 (eine staatlich finanzierte Antisemitismus-Behörde erhob Einspruch unter anderem gegen die Darstellung eines 'neurotischen' Juden und eines Holocaust-Überlebenden, der Witze über seine Tortur macht), warf die Wissenschaftlerin Susan Neiman dem Land vor, in den 'philosemitischen McCarthyismus' abzudriften.”
Mit seiner einseitigen, ausschließlich in gesinnungsethischer Haltung verankerten Sicht auf die Welt gerät Deutschland zunehmend in Isolation und ist obendrein nicht in der Lage, tiefere Zusammenhänge zu erfassen. Auf der Buchmesse wird dies in diesem Jahr nicht nur an der Verlegung der Preisverleihung an Shibli deutlich.
Auch Iran wurde in diesem Jahr erneut eine Präsenz auf der Messe verweigert. Im vergangenen Jahr fanden stattdessen Panel-Veranstaltungen über Frauen- und Menschenrechte im Iran statt. Dies ist auch für dieses Jahr geplant.
Wie weit man sich in Deutschland inzwischen von der politischen Realität verabschiedet hat, machten die Einlassungen der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), deutlich.
Roth sagte mit Blick auf das, was sie den "russischen Angriffskrieg" gegen die Ukraine nennt:
"Er richtet sich gegen die Selbstbestimmung von Menschen in unserer direkten Nachbarschaft, von Menschen, die die Freiheit haben wollen, in der Sprache ihrer Wahl lesen zu wollen." Es sei ein Krieg gegen Kultur und Demokratie.
Der Ukraine-Konflikt hat seine Ursachen in der diskriminierenden Sprachgesetzgebung der Ukraine, die den Gebrauch der russischen Sprache einschränkt. Inzwischen vernichtet die Ukraine alle Zeugnisse russischer Kultur im Land. Vor den Tatsachen, die zur Entwicklung von Krisen führen, verschließt man in Berlin zugunsten einseitiger und undifferenzierter Parteinahme die Augen.
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