Bundeswehr: Keine Überprüfung ukrainischer Soldaten auf rechtsextreme Aktivitäten
Die "Kleine Anfrage" der Partei Die Linke (Drucksache 20/8336) im Deutschen Bundestag wurde am 13. September 2023 der Bundesregierung übermittelt. Antragsteller des 16-seitigen Schreibens waren Sevim Dağdelen, Andrej Hunko, Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali, die der Partei mittlerweile den Rücken zukehren wollen, sowie üblicherweise "Dietmar Bartsch und Fraktion". Einleitend heißt es im Fragenkatalog:
"Nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller haben rechtsextremistische Kräfte einen erheblichen Einfluss auf die ukrainische Politik. Vertreter rechtsextremer Organisationen sind prominent in zahlreichen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und militärischen Einrichtungen tätig. Das gilt beispielhaft für die rechtsextreme Asow-Brigade (früher Regiment), aber auch für weitere militärische Formationen."
Die ersten fünf Fragen an die Bundesregierung– von insgesamt 73 – lauten exemplarisch zu dieser Thematik:
- Welche bewaffneten ukrainischen Einheiten sind nach Kenntnis der Bundesregierung rechtsextrem orientiert bzw. unterliegen einem rechtsextremistischen Einfluss (...)?
- Unternimmt die Bundesregierung Anstrengungen, um zu verhindern, dass an die Ukraine gelieferte Unterstützung einschließlich Waffen und sonstige Rüstungsgüter an rechtsextreme bzw. rechtsextrem beeinflusste Einheiten gelangen (...)?
- Angehörige welcher ukrainischer Einheiten haben in den vergangenen fünf Jahren an Ausbildungsprogrammen der Bundeswehr in Deutschland teilgenommen (...), und welche hiervon waren bzw. sind nach Kenntnis der Bundesregierung rechtsextrem bzw. rechtsextrem beeinflusst?
- Kann die Bundesregierung ausschließen, dass ukrainische Soldaten, die an Ausbildungen der Bundeswehr teilnehmen, rechtsextremen bzw. rechtsextrem beeinflussten Einheiten angehören, und wenn ja, wie?
- Werden ukrainische Soldaten, die an Ausbildungen der Bundeswehr teilnehmen, einer Überprüfung auf rechtsextreme Aktivitäten oder Zugehörigkeit zu rechtsextremen Organisationen einschließlich rechtsextremer bzw. rechtsextremistisch beeinflusster Militäreinheiten unterzogen (...)?
Die 24-seitige Beantwortung vom 13. Oktober (Drucksache 20/8822) lautet in der zusammenfassenden "Kurzmeldung" auf der Webseite der Bundesregierung:
"Die Bundeswehr veranlasst keine Überprüfungen von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte auf rechtsextreme Aktivitäten oder Zugehörigkeit zu rechtsextremen Organisationen."
Die Auswahl und Entsendung von auszubildenden Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte stelle "eine souveräne Entscheidung der Ukraine" dar. Die Bundesregierung teilt des Weiteren mit:
"Bei der Ausbildung von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte durch die Bundeswehr sind bislang keine Vorkommnisse im Sinne der Fragestellung registriert worden."
Weiter heißt es laut der Kurzmeldung, dass die Bundesregierung gemeinsam mit der Ukraine zudem Maßnahmen eingeleitet habe, "die selbst unter den schwierigen Bedingungen des derzeitigen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands die Risiken einer unkontrollierten Weiterleitung und eines Missbrauchs von Waffen, Munition und hochwertiger militärischer Ausrüstung an unautorisierte Empfänger eindämmen" würden.
Bei genauerer Betrachtung der Beantwortung der insgesamt 73 Fragen findet man zur Frage 4 (siehe oben):
"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor."
Bezugnehmend auf Frage 5 (siehe oben) heißt es in der Beantwortung:
"Die Bundeswehr veranlasst keine Überprüfungen von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte im Sinne der Fragestellung. Bei der Ausbildung von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte durch die Bundeswehr sind bislang keine Vorkommnisse im Sinne der Fragestellung registriert worden."
Die Beantwortung von Frage 3, welche ukrainische Einheiten in Deutschland die Möglichkeit an Ausbildungsprogrammen der Bundeswehr erhielten, lautet:
"Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die 'VS (Verschlusssache) – Nur für den Dienstgebrauch' eingestufte Anlage wird verwiesen."
In der Kurzmeldung wird abschließend eine Darlegung aus dem Antwortschreiben zitiert, dass die Bundesregierung zum Thema Rechtsextremismus in der Ukraine, "ferner darauf verweist, dass bei den Parlamentswahlen im Jahr 2019 ein Zusammenschluss nationalistischer, rechter und rechtsextremer Parteiprojekte an der Fünfprozenthürde gescheitert" sei.
Die "Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)" hat zu dieser Thematik in ihrem Jahresbericht 2021, veröffentlicht im Mai 2022, genauere Zahlen aus Deutschland mitgeteilt. So heißt es in dieser Veröffentlichung:
"Im Berichtsjahr 2021 wurde in insgesamt 1.452 Verdachtsfällen gegen mutmaßliche Extremisten ermittelt. Dabei wurden 688 Fälle neu aufgenommen (Neuaufnahmen im Jahr 2020: 574). Trotz einer erneut hohen Anzahl an Verdachtsfällen im Berichtszeitraum ist die Gesamtzahl der erkannten Extremistinnen und Extremisten und der Personen, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue bestehen, weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau."
Eine genauere Definition des "mutmaßlichen Extremismus" wurde in dem Jahresbericht nicht mitgeteilt. Demgegenüber habe jedoch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im April 2021 den neuen Phänomen-Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" ins Leben gerufen. Der Begriff einer "verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" bezeichne "phänomenologisch eine neue Fallgruppe extremistischer Bestrebungen, die unter der herkömmlichen Klassifizierung – etwa in Rechtsextremismus oder Linksextremismus – nicht adäquat zuzuordnen" sei.
Derzeit leisten 181.596 Soldatinnen und Soldaten Dienst in den deutschen Streitkräften. Zusammen mit den 80.890 zivilen Beschäftigten kommt die Bundeswehr auf eine Gesamtstärke in Höhe von 262.486 Personen (Stand 05/2023).
Im Juni 2022 hieß es seitens des Militärischen Abwehrdienstes (MAD), dass "seit dem 1. Januar 2021 der Dienst mehr als 700 'Verdachtsfalloperationen' aufgenommen" habe. Die Mitteilung geht dabei aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage hervor.
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