Deutschland

"Masterplan für Kliniksterben und Privatrendite": Bündnis kritisiert Lauterbachs Reformpläne

Das Kliniksterben in Deutschland geht weiter. Fast zwei Dutzend Einrichtungen wurden dieses Jahr geschlossen, fast 100 weitere stehen vor der Pleite. Lauterbachs Reformpläne befeuerten die Entwicklung zur Freude privater Renditejäger weiter, befürchtet das "Bündnis Klinikrettung" und fordert Umkehr.
"Masterplan für Kliniksterben und Privatrendite": Bündnis kritisiert Lauterbachs ReformpläneQuelle: Legion-media.ru © Rolf Zöllner

Von Susan Bonath

Monatelanges Warten auf Operationen und Behandlungen, kein Kreißsaal in der Nähe, kaum Personal auf den Stationen: Wer in Deutschland als gesetzlich versicherter Kassenpatient ernsthaft krank wird, findet zunehmend schwerer medizinische Hilfe. Liegt das wirklich nur am Personalmangel? Die Realität ist wohl komplexer. Immer häufiger sind Krankenhäuser Opfer der desaströsen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Allein in diesem Jahr schlossen 22 Kliniken, 5.400 Ärzte und Pflegekräfte verloren dabei ihren Arbeitsplatz.

Das gab das "Bündnis Klinikrettung" am Dienstag in einer Pressekonferenz bekannt. Seit 2020, als die WHO die Corona-Pandemie ausgerufen hatte, gingen demnach bei insgesamt 66 Krankenhäusern die Lichter aus. Das dürfte Zehntausenden medizinischen Arbeitskräften den Job gekostet haben. Mehr noch: Fast 100 weitere Einrichtungen seien im kommenden Jahr direkt von einer Schließung bedroht, konstatierte der Verein.

Kahlschlag mit System

Der Kahlschlag hat offenbar System: Denn lukrativ für Kliniken sind vor allem häufige Operationen, wie das Einsetzen neuer Knie- oder Hüftgelenke. Geburten, Kinder- und Frauenheilkunde sind dagegen personal- und kostenaufwendiger, bringen aber weniger Zuschüsse ein.

Die Folge: Während die "Fließbandchirurgie" in großen Zentren floriert, sind kleine ländliche Krankenhäuser für die Normalversorgung chronisch unterfinanziert. Schließungen von Geburtsstationen und Kinderkliniken sind längst zur Epidemie geworden. Das Bündnis erläutert dazu:

"Krankenhauspleiten spielen eine wichtige Rolle für die Beschleunigung des Schließungsprozesses. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft verzeichnet seit Beginn vergangenen Jahres 32 Insolvenzverfahren in Krankenhäusern, mit insgesamt mehr als 16.500 Beschäftigten."

Effizienz a lá Lauterbach

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante und viel kritisierte Krankenhausreform sei geradezu "ein Masterplan zur Flurbereinigung", der den Prozess weiter beschleunigen werde, warnt das Bündnis. Danach soll sich die Finanzierung an strikten Leistungskriterien orientieren. Große Krankenhauskonzerne in den Metropolen mit vielen Angeboten sollen danach üppiger bezuschusst werden, auf dem Land dürfte es hingegen immer enger werden. Bündnissprecherin Laura Valentukeviciute sagte:

"Viele kleinere Standorte müssen entweder dicht machen oder werden herabgestuft zu hauptsächlich ambulanten medizinischen und Pflegezentren ohne Notfallversorgung."

Solche Ambulanzen könnten aber keine Kliniken ersetzen. Weder seien diese rund um die Uhr an allen Wochentagen erreichbar, noch böten sie ein vergleichbares Behandlungsspektrum an. Für ernsthaft Erkrankte und Gebärende auf dem Land würden sich die Fahrzeiten dann weiter verlängern.

Der ehemalige Klinikleiter im Ruhestand, Klaus Emmerich, erklärte, warum Lauterbachs Versprechen realitätsfern seien. Der Gesundheitsminister habe zwar eine "leistungsunabhängige Finanzierung" und mehr Sicherheit versprochen. Aber "das Gegenteil ist der Fall", resümierte Emmerich. Denn insgesamt würden dadurch Krankenhäuser nicht besser finanziert und weiterhin pro Monat etwa 650 Millionen Euro fehlen. Wie viel Geld jede Einrichtung erhalte, sei nach wie vor an bestimmte Leistungsgruppen gebunden. Emmerich betonte:

"Der Ruin kleiner Krankenhäuser ist damit vorprogrammiert und wird bewusst in Kauf genommen."

In der Sparfalle

Die Corona-Politik hat den Prozess des Kliniksterbens massiv beschleunigt. So brachen die Belegungszahlen in deutschen Krankenhäusern von über 19,2 Millionen Patienten im Jahr 2019 auf 16,7 Millionen im Folgejahr ein, wie das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (INEK) aufzeigt

In den beiden Folgejahren schrumpften die Patienten sogar noch ein wenig mehr auf jeweils rund 16,6 Millionen. Bis September 2023 meldete das Institut knapp 12,9 Millionen Behandlungsfälle – hochgerechnet dürften es bis Jahresende etwa 17 Millionen werden – noch immer fast zwölf Prozent weniger als 2019.

Vorübergehend verdienten einige Kliniken sogar an dem Einbruch der Behandlungszahlen. Die Politik gewährte 2020 nämlich Zuschüsse für freigehaltene Betten für (nie eingetroffene) Corona-Patienten. Zugleich hatte das Gesundheitsministerium, damals unter Jens Spahn (CDU), befristet angeordnet, Operationen zu verschieben.

Doch als viele Patienten danach weiterhin wegblieben, sank das Budget für viele Kliniken, die nicht über große Abteilungen für Standardoperationen verfügen, in den Keller.

Viele reagierten mit Kurzarbeit oder gar Entlassungen – während zugleich die Klagen über Personalnotstand und Überlastung immer lauter wurden. Das Resultat: Vor allem kleine Häuser rutschen die politische Sparfalle und schlitterten in die Insolvenz.

Spielfeld für Renditejäger

Der finanzielle Niedergang von Krankenhäusern ist oft ein schleichender Prozess, der nicht immer sofort mit der Schließung endet. Oft beginnt es mit dem Abbau wenig profitabler Abteilungen und endet mit der Spezialisierung auf besonders lukrative Sparten. Daran lässt sich dann zwar mehr verdienen. Das Grundproblem vergrößert sich jedoch: Der sonstige Bedarf bleibt ungedeckt. Was für die Bevölkerung schlecht ist, eröffnet ein breites Spielfeld für Renditejäger.

Eingeläutet wurde dieser Prozess schon in den 1990er-Jahren mit massiven Sparmaßnahmen. Darauf folgte eine Privatisierungswelle, weiter angekurbelt durch die Einführung des Fallpauschalensystems im Jahr 2003. An dieser Sozialabbau-Agenda wirkte seinerzeit der heutige Gesundheitsminister Lauterbach kräftig mit.

Bis heute sank die Anzahl der Kliniken in Deutschland seither von rund 2.400 auf gut 1.800. Befanden sich Anfang der 1990er-Jahre noch rund 2.000 Einrichtungen etwa zur Hälfte in öffentlicher oder gemeinnütziger Trägerschaft, sind dies aktuell nur noch rund 1.000. Derweil verdoppelte sich die Anzahl privat betriebener Kliniken von 370 auf 740 Einrichtungen. Das bedeutet: Ein wachsender Anteil an den Kassenbeiträgen der Versicherten landet am Ende in den Taschen von privaten Eigentümern.

"Kassenbeiträge für Konzerngewinne zweckentfremdet"

Das "Bündnis Klinikrettung" sieht in Lauterbachs Reformplänen einen ähnlichen "Etikettenschwindel", wie schon beim Fallpauschalensystem. Es gehe nicht, wie Lauterbach es suggeriert, um eine fallunabhängige Kostendeckung, die auch der Vorhaltung von Kapazitäten dient. Die Aussicht sei vielmehr:

"Tatsächlich werden in allen Bundesländern pro Leistungsgruppe Vorhaltebudgets in einer beschränkten Höhe festgelegt. In Zukunft werden die Krankenhäuser daher nicht nur wie jetzt um die DRG-Fallpauschalen, sondern auch um Anteile an diesen Budgets konkurrieren."

Kurz gefasst: Der bestehende Mangel wird dann nur anders verwaltet. Dies geschehe, so heißt es weiter, "absehbar zugunsten großer Häuser oder privater Klinikketten, die sich große Verwaltungsapparate leisten können". Das Bündnis plädiert für eine "echte Krankenhausreform", denn die sei "dringend notwendig". Dafür müsse man zuerst "den Elefanten im Raum" benennen:

"Krankenhauskonzerne machen Milliardengewinne mit dem Betrieb von Kliniken, während die Grundversorgung seit Jahren zusammengespart wird. Eine Reform muss deswegen ein Renditeverbot enthalten."

Stattdessen müsse es um den vorhandenen Bedarf gehen. Dazu gehörten auch Mittel für ausreichend Fachpersonal. Die "Zweckentfremdung von Krankenkassenbeiträgen für Konzerngewinne" müsse endlich enden, so der Verein. Fraglich bleibt, ob die Regierung daran überhaupt interessiert ist.

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