Nur eine Spiegel-Erfindung? Die Bystron-"Schmiergeld-Affäre" und ihr jähes Ende
Von Wladislaw Sankin
So ist es mit den unsäglichen russischen Geheimdiensten. Wenn sie etwas beweisen wollen, dann tun sie es. Wollen sie der Welt über die Angriffspläne der Bundeswehr gegen die Kertsch-Brücke erzählen, reden sie nicht über die abgehörten Gespräche, sondern veröffentlichen diese. Wollen sie beweisen, dass die Ukraine hinter dem Mord an der russischen Publizistin Darja Dugina steht, veröffentlichen sie die Aufnahmen der Videoüberwachung, die mutmaßliche Täter aus der Ukraine in verschiedenen Situationen bei der Vorbereitung ihrer Tat zeigen.
Mit den Festnahmen aufgedeckter Terrorzellen verhält es sich genauso – sie werden immer mit einer Kopfkamera gefilmt. Das hier geltende Prinzip: Die Beweislast liegt immer bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden.
Wenn es in Deutschland aber darum geht, eine oppositionelle Partei wie etwa die AfD in vermeintlich falsches Licht zu rücken, ist es umgekehrt. Zunächst werden Gerüchte aus den "Sicherheitskreisen" gestreut und dann wird auf allen Kanälen darüber geredet. Geredet und noch mal geredet – ohne das erste vorzulegen, was bei einem politischen Skandal eigentlich naheliegend wäre, nämlich Beweise für die angebliche Schuld.
Auch zwei Wochen nach der Erstveröffentlichung beim Spiegel und dem tschechischen Nachrichtenportal Deník N tauchen keine Beweise dafür auf, dass der AfD-Abgeordnete Petr Bystron Gelder in sechsstelliger Höhe aus Russland angenommen hat – RT DE berichtete. Noch mittendrin in der Medien-Affäre stellte die Zeit fest:
"Mehrere Quellen aus Sicherheitskreisen bestätigten der 'Zeit' den Verdacht. Bewiesen ist bislang nichts."
Und es wird wohl auch nicht mehr dazu kommen.
Der Sprecher des tschechischen Geheimdienstes, Ladislav Šticha, sprach in der größten tschechischen Tageszeitung iDNES den AfD-Politiker noch am Freitag von jeder Schuld frei. Unter der Überschrift "Der Name Bystron wurde von uns nie genannt" heißt es wörtlich:
"Wenn Sie auf unsere Äußerungen zurückblicken, stellen Sie fest, dass weder der Premierminister, noch die Minister, noch BIS selbst jemals irgendeinen Namen genannt haben, außer (der beiden Ukrainer), die wir auf die Sanktionsliste gesetzt hatten."
Wir erinnern uns. Anfangs war die Rede von Audioaufnahmen, die Bystron angeblich belasten. Was hinderte die tschechischen Geheimdienste daran, sie zu veröffentlichen, so wie es die Russen mit dem abgehörten Taurus-Gespräch der deutschen Generäle gemacht haben? Nichts. Natürlich vorausgesetzt, dass solche Aufnahmen je existiert haben.
Am nächsten Tag schmiss der Spiegel in einem weiteren Longread unter Autorenschaft von drei Personen noch ein bisschen Dreck nach: Bystron habe dem Veranstalter einer Konferenz in Prag 200 Euro für ein Mittagessen mit den Gästen spontan geliehen. Dieser hatte plötzlich kein Geld dabei. Ein Spionage-Thriller erster Güte! Der Spiegel reist nach Prag, um mit Menschen, mit denen Bystron – selbst ein gebürtiger Tscheche – irgendwann einmal in Kontakt stand, zu sprechen und irgendetwas Verdächtiges zu finden.
Auch hegten Bystron und der ehemalige tschechische Präsident Václav Klaus, der natürlich ein "Rechtsextremer" sei, Sympathien füreinander. Zudem soll der polnische Geheimdienst im Besitz von Videoaufnahmen sein, die Kuriere beim Transport der Schmiergelder in die EU zeigen. Aber auch diese Beweise werden seltsamerweise nicht veröffentlicht. Sich der Schwäche der eigenen Position als "Ankläger" durchaus bewusst, formuliert der Spiegel den Verdacht gegen Bystron noch diffuser als in der Erstveröffentlichung. Es heißt nun nur noch, Bystron verkehre gern innerhalb eines "prorussischen Netzwerks".
Damit stellte das Blatt klar: Ziel der Medienkampagne war es nicht, irgendetwas zu beweisen. Penibel hat der Spiegel beobachtet, wie sich der Schmiergeld-Verdacht auf die Verhältnisse innerhalb der AfD auswirken würde. Es ging darum, den proatlantischen und den prorussischen Flügel in der AfD gegeneinander auszuspielen. Fast täglich lieferte der Spiegel auf seiner Nachrichtenseite eine Aktualisierung dazu, wie die "Enthüllungen" innerhalb der Partei diskutiert wurden.
Dieser Plan ging zumindest teilweise auf. Zwar stellte sich sowohl die Partei- als auch die Fraktionsspitze hinter Bystron. Tino Chrupalla nahm ihn bereits einen Tag vor den formalen Beschlüssen der beiden Gremien in den Medien in Schutz. Doch es gab auch andere Reaktionen. Mehrere Quellen bestätigten, dass Transatlantiker wie Beatrix von Storch und Albrecht Glaser die Krisensituation nutzten, um intern gegen Bystrons außenpolitischen Kurs der friedlichen Beilegung des Ukraine-Krieges sowie der Beendigung der Sanktionen Stimmung zu machen.
Außer der Treibjagd quer durch die Medien schaltete sich auch noch das Außenministerium hinzu und der Bundestag widmete Bystron eine Aktuelle Stunde – mit erwartungsgemäß unzähligen Statements vonseiten der politischen Gegner. Doch angesichts dieses Ausmaßes hat Bystron den Skandal ruhig und souverän überstanden und teilte gegen die Kampagnen-Journalisten der Mainstream-Medien bei jeder Gelegenheit selbst aus.
Zumal er sich nicht zu verstecken brauchte. Am 13. April reiste er demonstrativ zu einem Volksfest des Compact-Magazins in Sonneberg. Dort trat die russische Aktivistin Elena Kolbasnikova (in den Medien nur noch als Putins Fan-Girl bezeichnet) auf einer Bühne auf. Es gab russische Musik und Volkstanz.
Auch der Spiegel reiste mit einem Drehteam nach Sonneberg, um Bystron in dieser "passenden" Umgebung zu filmen. Der Spiegel-Reporter erwischte den Politiker mit einem Bier im Plastikglas und einer angebissenen Bratwurst in der Hand. Bystron wiederum stellte ihm spitze Gegenfragen und das von einem Zeugen gefilmte Gespräch ging in den sozialen Medien viral. "Spiegel hat die Tagebücher von 'Führer' Bystron gefunden", macht er sich auf Meta über die Hamburger Journaille lustig.
In zahlreichen Interviews, die er dieser Tage mit alternativen Medien und Bloggern geführt hat, stellte Bystron fest: Bei dem Skandal handelt es sich zum wiederholten Mal um eine vorsätzliche Diffamierungskampagne, die für die Beteiligten eventuell juristische Folgen wegen Rufschädigung haben könnte.
Dass es zu einem Rechtsstreit kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn der AfD-Politiker ist nicht der Typ dafür. Außerdem wurde der "dreifache Konjunktiv" im Rahmen der Verdachtsvermutung von den Medien nicht zufällig gewählt. Dies war eine Sicherheitsvorkehrung, eben für eventuelle Klagefälle.
Die Kampagne gegen Bystron ist schlicht der mediale Alltag in der Bundesrepublik kurz vor einer wichtigen Wahl. Die Gegner der Waffenlieferungen in die Ukraine aus dem rechtsnationalen Spektrum werden laut allen Prognosen eine viel breitere Präsenz im EU-Parlament bekommen als bisher. Das macht ausgerechnet die Regierungen in Prag und Berlin besonders nervös, denn sie haben sich als notorische Ukraine-Unterstützer und Waffenlieferanten des Kiewer Regimes hervorgetan.
Wie seltsam das auch klingen mag, aber nicht sie wurden im Endeffekt zu Nutznießern der Schmiergeld-Kampagne, sondern das vermeintliche "Opfer" selbst. Die Affäre, der Sturm im Wasserglas, hat – völlig kostenlos – den Bekanntheitsgrad des Politikers um ein Vielfaches gesteigert. Dass die AfD angeblich russlandnah ist, ist an sich kein neuer Vorwurf. Ob er der Partei im Wahljahr zum Nachteil gereicht, ist allerdings anzuzweifeln. Und das auch noch zu einer Zeit, wo sich immer deutlicher abzeichnet, dass Russland aus dem Ukraine-Krieg als Sieger hervorgehen wird.
Europa braucht heute objektiv keine Kriegstreiber, sondern Politiker – egal aus welchem Parteienspektrum –, die sich für Ausgleich und Verhandlungen einsetzen; und nicht für eine Fortsetzung des Krieges mit der wachsenden Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen der EU und Russland. Und das spüren die Menschen. Das Ergebnis an den Wahlurnen am Tag der EU-Wahl wird den antirussischen Kriegstreibern in den Redaktionsstuben deutscher Medien wohl eher nicht gefallen.
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