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ARD-Faktenfinder seppelt sich ins journalistische Abseits

"Seit einem Jahr klärt der ARD-Faktenfinder über Desinformation auf", verkündet die ARD auf ihrer Webseite. Doch statt der proklamierten Aufklärung dominiert faktenfreie Meinungsmache. Paradebeispiel ist der letzte Artikel zu "russischer Propaganda".
ARD-Faktenfinder seppelt sich ins journalistische Abseits

von Florian Warweg

Ein krimineller Journalist, ein Propagandist sei er, der Sportler verleumdet: Schon seit Jahren versuchen russische Staatsmedien, die Glaubwürdigkeit des ARD-Journalisten Seppelt zu zerstören.

Mit diesem schweren verbalen Geschütz beginnt der neuste Beitrag im Faktenfinder der ARD, um dann unverzüglich auf RT Deutsch zu referieren, welches Seppelt angeblich "seit Jahren ins Kreuzfeuer" genommen hätte.

Mediale "Kreuzfeuer" - die es nie gab

Hätten die verantwortlichen ARD-Redakteure des Faktenfinder-Artikels, Patrick Gensing und Silvia Stöbe, allerdings auch nur die banalsten Standards journalistischer Recherche eingehalten, wäre ihnen aufgefallen, dass RT Deutsch im Verlauf von drei Jahren ganze drei (!) Artikel zur Person von Hajo Seppelt veröffentlicht hat: Zwei Artikel im Jahr 2016, keinen einzigen im Jahr 2017 und einen Artikel nach seinem vorläufigen Visumsentzug im Mai 2018. Von einem medialen "Kreuzfeuer" RT Deutschs gegen Seppelt kann also nach objektiven Kriterien keine Rede sein.

Der erste Artikel, publiziert am 16. Juni 2016, ist eine Videoreportage unter dem Titel Hajo Seppelt – Zwischen eigenem Anspruch und Realität, welche nachzeichnet, wie der ARD-"Doping-Experte" in seinen Dokus mit journalistisch zweifelhaften Mitteln gearbeitet hat: Nutzung gefälschter Dokumente, Einsatz frei erfundener Zitate und unerlaubter versteckter Aufnahmen von russischen Sportlern.

Der zweite Artikel, veröffentlicht als Meinungsartikel am 28. Juni 2016, beschäftigt sich mit angeblichen "Enthüllungen" von Hajo Seppelt zu einer Blutbank in Wien, der Humanplasma GmbH, im Jahr 2008. Spitzensportler hätten dort Eigenblutdoping betrieben. Unter den angeblichen Betrügern befänden sich auch "20 deutsche Wintersportler, die zum Teil der Weltspitze angehören". Wenige Tage nach diesen Behauptungen von Hajo Seppelt stellte sich heraus, dass diese völlig haltlos waren.

WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn erklärte damals, bei der Meldung habe es sich um eine "Panne" gehandelt, "die nicht wieder vorkommen sollte". Die FAZ schrieb dazu am 17. Januar 2008:

Die ARD hat die Notbremse gezogen. In bisher nicht gekannter Weise hat sich der öffentlich-rechtliche Fernsehsender von der eigenen Sport-Berichterstattung über die Wiener Blutbank-Affäre distanziert. Zugleich entschuldigte sich die ARD für die erhobenen schweren Doping-Vorwürfe gegen deutsche Wintersportler.

"Pauschalverdächtigungen ohne nachprüfbare Fakten"

"Es ist nicht vertretbar und mit unserer Berufsauffassung nicht vereinbar, wenn solche Pauschalverdächtigungen erhoben werden, ohne dafür belegbare und nachprüfbare Fakten zu haben", ließ die ARD damals zu Beginn der Live-Übertragung vom Biathlon-Weltcup im Südtiroler Antholz ihren Zuschauern mitteilen.

Doch für solche "Details" interessiert sich der Faktenfinder nicht. Im ganzen Artikel findet sich nicht ein Nebensatz, der darauf eingeht, dass sich die ARD höchstpersönlich von Hajo Seppelt wegen "Pauschalverdächtigungen ohne belegbare und nachprüfbare Fakten" distanziert hatte. Aber damals ging es ja auch um deutsche Sportler.

Würde der Faktenfinder sich tatsächlich seinem Namen verpflichtet fühlen, dann müsste er, neben dem Verweis auf die damalige explizite Distanzierung der ARD gegenüber Seppelt, auch darlegen, das die Vorwürfe ihres "Doping-Experten" gegen russische Sportler auf ebenso zweifelhaften Grundlagen beruhen.

Mehr zum Thema - Causa Seppelt: ARD-“Dopingexperte” darf zur WM einreisen

Denn Dreh- und Angelpunkt von Seppelts "Doping-Enthüllungen" ist sein "Kronzeuge", der ehemalige Leiter des russischen Anti-Doping-Labors, Grigori Rodtschenkow. Seppelts Vorwurf des Staatsdopings stützt sich beinahe ausschließlich auf dessen Aussagen. Doch dieser Kronzeuge hat inzwischen einen großen Teil seiner Glaubwürdigkeit eingebüßt. Rodtschenkow hat gegenüber der WADA seine früheren Aussagen mittlerweile in weiten Teilen widerrufen.

Internationaler Sportgerichtshof hinterfragt Glaubwürdigkeit von Seppelts Kronzeugen

Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors und spätere Kronzeuge des Welt-Antidopingverbandes WADA hatte im Wege einer Videozuschaltung vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zum Fall ausgesagt. Die Jury fand es bezüglich der Einordnung seiner Aussage wesentlich, dass Rodtschenkow in seinen mündlichen Darlegungen zugegeben hat, nie mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass einer der Athleten aus der sogenannten Duchess-Liste tatsächlich den gleichnamigen Cocktail zu sich genommen habe. Auch der Internationale Sportgerichtshof hält die von Rodtschenkow vorgetragenen Beweise für nicht gerichtsfest und sprach die russischen Athleten vom Vorwurf des Dopings frei.

Diese neuen Erkenntnisse rücken die angeblichen "Doping-Enthüllungen" Seppelts über "russisches Staatsdoping", die er via ARD verlautbaren ließ, in ein sehr zweifelhaftes Licht. Eigentlich ein klassischer Fall für den Faktenfinder und dessen selbstgewählten Auftrag, Desinformation aufzudecken.

Doch der ARD-Faktenfinder erwähnt all diese Fakten über den ARD-Kollegen und seinen Kronzeugen mit keinem Wort. Im Gegenteil. Als hätte es die Entwicklungen und Entscheidungen des CAS nie gegeben, wird Seppelt im Artikel des Faktenfinders ohne weitere Einordnung mit den Worten zitiert: 

Für die WADA, den Weltleichtathletikverband und auch für das sonst so zögerliche IOC war im Fall Russland die Beweislage erdrückend.

Zu Seppelts Kronzeugen heißt es lapidar im Abschlusssatz des Artikels "Im Visier der russischen Propaganda":

Rodtschenkow war früher Chef eines Moskauer Labors, das im Zentrum des Dopingskandals steht, und eine der wichtigsten Quellen von Seppelts Bericht über die Dopingpraktiken im russischen Sport. Er lebt versteckt in den USA.

Selbstreferenzielle Verweiskette

Keine einzige Silbe verliert der Faktenfinder über die aktuelle Einordnung des Internationalen Sportgerichtshofs zum "Kronzeugen". Diese Einseitigkeit durchzieht den gesamten Artikel. Befragt und zitiert wird zudem ausschließlich Seppelt selbst. So auch im Fall eines Interviews von Seppelt mit dem russischen TV-Sender Rossija 1, welches eskalierte und in dessen Verlauf Seppelt die russische Journalistin Olga Skabejewa als "Idiotin" beschimpfte und gegen sie und ihren Kameramann handgreiflich wurde. Im Faktenfinder heißt es dazu:

Um die Aussage zu belegen, verlinkt der Faktenfinder auf einen Beitrag des Deutschlandfunks. Doch auch der Beitrag des Deutschlandfunks gibt lediglich die persönliche Sicht des ARD-Journalisten zum Interview mit Rossija 1 wieder. Dabei ist das Videomaterial des erwähnten Interviews öffentlich auf Youtube zugänglich.

Die Tatsache, dass der Faktenfinder nicht auf die Videoaufnahmen verweist, mag einen einfachen Grund haben: In den gesamten Aufnahmen gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, dass Seppelt, wie von ihm behauptet und vom Faktenfinder unhinterfragt wiedergegeben, tatsächlich gefragt wurde, "ob er das russische Volk beleidigen wolle und vom Geheimdienst bezahlt werde".

Ein Faktenfinder, der den Namen verdient, hätte im Rahmen einer Recherche auch die andere Seite angefragt, und nicht nur Platz für die Version des eigenen Kollegen eingeräumt. Eigentlich eine journalistische Grundregel. Doch noch nie haben die Kollegen des ARD-Faktenfinders je bei RT Deutsch um eine Stellungnahme angefragt, bevor sie haltlose Anschuldigungen gegen RT in die Welt setzten.

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Genau sowenig haben sie im konkreten Fall des Seppelt-Interviews die betroffene russische Journalistin Olga Skabejewa kontaktiert. Deren Version des Geschehen unterscheidet sich fundamental von der Darstellung des ARD-Journalisten.

Doch wie Jens Berger bereits treffend auf den NachDenkSeiten zum ARD-Faktenfinder schreibt:

Das hat mit dem 'Finden von Fakten' nichts zu tun, sondern ist ganz klar Meinungsmache.

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