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Dekonstruktion: BILD-Zeitung wirft RT Deutsch "Fake News gegen die Bundesregierung" vor

BILD wirft RT Deutsch vor, Fake News verbreitet zu haben. Dazu auch noch "gegen die Bundesregierung". Es geht um die Beteiligung ukrainischer Panzer an der diesjährigen "Tank Challenge" in Grafenwöhr. Doch der Vorwurf erweist sich selbst als Fake.
Dekonstruktion: BILD-Zeitung wirft RT Deutsch "Fake News gegen die Bundesregierung" vor

Der Online-Redakteur der BILD-Zeitung, Julian Röpcke, behauptet, "Fake News" bei RT Deutsch ausgemacht zu haben. Diesen Fund verarbeitet er in einem Artikel, der schon in der Überschrift einen kreativen Umgang mit Fakten erkennen lässt. Doch der Reihe nach: Was genau ist vorgefallen?

Eine Rekonstruktion:

Ein Redakteur von RT Deutsch besuchte die Regierungspressekonferenz am 8. Juni in Berlin und stellte dort unter anderem folgende Frage:

Eine Frage noch ans Bundesverteidigungsministerium: In Medienberichten wird dargelegt, dass sich derzeit die 14. mechanisierte Panzerbrigade der Ukraine in Deutschland befindet, in Grafenwöhr, im Rahmen der Tank Challenge. Können Sie diese Berichte bestätigen?

Daraufhin antwortete der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Frank Fähnrich, zuständig für Grundsatzangelegenheiten und Grundlagen der Pressearbeit, wie folgt:

Die [Berichte] sind mir nicht bekannt und gegebenenfalls werde ich sie prüfen und nachreichen.

Der Redakteur von RT Deutsch hakte daraufhin noch einmal nach:

Es ist der Bundesregierung nicht bekannt, ob ukrainische Panzer sich derzeit in Deutschland befinden?

Worauf Fähnrich erwiderte:

Die ist mir jetzt hier nicht bekannt, ich werde das nachreichen und Ihnen dann zukommen lassen.

Thema des Beitrages war der angegebene Wissensstand 

Damit war die Fragerunde zu diesem Thema beendet. Drei Tage später, am Montag, dem 11. Juni, brachte RT Deutsch einen Beitrag mit der Überschrift:

Regierungspressekonferenz: Ukrainische Panzer in Bayern, Parteienförderung durch deutsche Stiftungen

In diesem Artikel schreibt RT Deutsch zum Thema ukrainische Panzer:

RT hat auf der Bundespressekonferenz nachgefragt, ob der Bundesregierung bekannt ist, dass sich derzeit eine ukrainische Panzereinheit in Deutschland aufhält… […] Auf dem oberpfälzischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr findet seit mehreren Jahren die sogenannte 'Strong Europe Tank Challenge' (SETC) statt. Der Wettbewerb wird von US-Armee und Bundeswehr gemeinsam veranstaltet. Das Bürgerkriegsland Ukraine ist zum zweiten Mal dabei. Auf Nachfrage von RT Deutsch gab der Sprecher der Bundeswehr jedoch erstaunlicherweise vor, weder von dem Panzerwettbewerb noch der Präsenz ukrainischer Panzer in Deutschland zu wissen. Und das, obwohl die Bundeswehr auf ihrer offiziellen Webseite den Wettbewerb entsprechend propagierte.

Einen Tag später veröffentlichte RT Deutsch einen Beitrag im Videoclub [keinen Artikel, wie von Röpcke behauptet] zum selben Thema. Hier lautet die Überschrift:

US-Video zeigt ukrainische Panzer in Deutschland - Bundesregierung will nichts darüber wissen

Im Text heißt es unter anderem:

Seit drei Jahren findet in Deutschland auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr der Panzerwettbewerb 'Starkes Europa' statt. Darüber, dass in diesem Jahr, wie schon im letzten, auch ukrainische Panzer nach Deutschland gekommen sind, will die Bundesregierung auf Nachfrage von RT Deutsch nichts wissen. Auf Nachfrage von RT Deutsch, ob es wahr sei, dass sich derzeit die 14. mechanisierte Panzerbrigade der Ukraine im Rahmen der Tank Challenge in Deutschland, genauer in Grafenwöhr, befindet, hatte sich ein Vertreter des Verteidigungsministeriums unwissend gezeigt. Sogar den Wettbewerb an sich schien er nicht zu kennen.

Aus "sich unwissend geben" macht die BILD-Zeitung "verschweigt"

Am Dienstag, dem 12. Juni, erschien daraufhin auf BILD-Online ein Beitrag von Julian Röpcke mit der Überschrift:

Falsche Behauptungen von "RT DEUTSCH" - Fake News gegen die Bundesregierung

In dem Beitrag wird unter anderem folgendes behauptet:

Laut dem russischen Staatssender "RT Deutsch" gibt sich das Verteidigungsministerium unwissend über die Präsenz einiger Panzer der ukrainischen Armee bei einem Panzerwettbewerb im bayrischen Grafenwöhr. Das behauptet das Propaganda-Medium in einem am Dienstag veröffentlichten Artikel. 

Und weiter:

Zum Beweis veröffentlichte der Sender bei Youtube einen Mitschnitt der Bundespressekonferenz vom Freitag, dem 8. Juni 2017. Darin erklärt Ministeriums-Sprecher Frank Fähnrich, über den Sachverhalt sei ihm 'jetzt hier nichts bekannt'. Er werde die Antwort auf die Frage jedoch 'nachreichen und Ihnen dann zukommen lassen'. Vier Tage später veröffentlichte 'RT Deutsch' (ehemals 'Russia Today') ihren Artikel mit den auf der Pressekonferenz gemachten Ausführungen. Von einer etwaigen Nachreichung ist im Artikel keine Rede. Verschweigt das Verteidigungsministerium die Teilnahme ukrainischer Panzer an einer Übung in Deutschland, wie es 'RT Deutsch' berichtet?

Hat RT Deutsch hier tatsächlich Fake News verbreitet? Röpckes konkreter Vorwurf lautet: RT habe berichtet, das Verteidigungsministerium würde die Teilnahme ukrainischer Panzer an der "Tank Challenge" [mutwillig] verschweigen.

Diese Behauptung entbehrt jedoch jeglicher faktischen Grundlage. In den beiden RT-Beiträgen zu dem Thema "Tank Challenge" ist ein derartiger Vorwurf gegen das Verteidigungsministerium schlichtweg nicht zu finden. Der Begriff "Verschweigen" wird lediglich vom BILD-Redakteur selbst verwendet.

Die Berichterstattung von RT Deutsch bezieht sich einzig und allein auf die Tatsache, dass während der Regierungspressekonferenz am 8. Juni die Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums offenbar über die Präsenz ukrainischer Panzer in Deutschland nicht informiert waren. Mehr wird nicht dargelegt. Und diese Behauptung ist durch den Videoausschnitt aus der Regierungspressekonferenz zweifelsfrei belegt. Wer daraus schlussfolgert, dass die Bundesregierung etwas verschweigt, nimmt selbst eine Interpretation vor. Dazu eine gewagte.

"Nachreichung" auf Webseite der BPK

Daran ändert auch die von Röpcke erwähnte "Nachreichung" des Verteidigungsministerium nichts. De facto erklärte das Bundesverteidigungsministerium am 8. Juni, dass es nichts über ukrainische Panzer wisse. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums hat anscheinend erst durch die Nachfrage von RT Deutsch selbst davon erfahren. Und musste sich zuerst erkundigen, um dann die entsprechende "Nachreichung" veranlassen zu können. Die Veröffentlichung erfolgte übrigens ausschließlich auf der öffentlich nicht zugänglichen Homepage der Bundespressekonferenz, obwohl Frank Fähnrich im Videoausschnitt davon spricht, die Information "Ihnen zukommen zu lassen". Es gilt zudem in der BPK als Usus, dass solche Informationen mündlich in der darauffolgenden Regierungspressekonferenz nachgereicht werden.

Entgegen der Darlegung von BILD, hatten die Redakteure von RT Deutsch, die die BPK derzeit abdecken, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gar keinen Zugang zum internen Login-Bereich der BPK-Seite. Diesen erhielten sie erst am 13. Juni. Der Redakteur, der den Sprecher des Verteidigungsministerium zu den ukrainischen Panzer befragt hatte, hat bis heute noch keinen Zugang erhalten. Doch diese "Details" fragte Julian Röpcke in seiner Anfrage an die BPK nicht ab. Genauso wenig folgte er der journalistischen Grundregel, das "Objekt" der Berichterstattung selbst zu befragen. Der verantwortliche Redakteur im Ressort Politik bei der BILD, Julian Röpcke, veröffentlichte seinen Artikel über "Fake News gegen die Bundesregierung", ohne dass RT Deutsch im Vorfeld eine Mail oder einen Anruf erhalten hätte. 

Ebenso aufschlussreich bezüglich der journalistischen Standards der BILD sind die Auslassungen zu der "Nachreichung" des Bundesverteidigungsministeriums. In dem Artikel steht hierzu:

Interessant wird es jedoch im zweiten Teil der Nachreichung, den die BILD [hier verwendet RT Deutsch tatsächlich dieses Verb] verschweigt:

Für weitere Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an die Pressestelle U.S. Army Europe. Beth E. Clemons, U.S. Army Europe Public Affairs, DSN: 314.537.0024, Commercial: +49 611.143.537.0024, Cell: +49 162.271.5805, Webseite: www.eur.army.mil‎

Diese "Nachreichung" könnte so interpretiert werden, dass die Bundesregierung erst selbst bei ihren US-amerikanischen Partnern in Sachen ukrainische Panzer nachfragen musste. Deswegen hat BILD diesen zweiten Teil der Antwort wohl auch lieber weggelassen. Doch das ist, um hier keinen neuerlichen Fake-News-Vorwurf zu provozieren, natürlich reine Spekulation respektive Interpretation. 

Der Fake-News-Vorwurf als beliebig einsetzbare Nebelkerze

Fake News ist ein schwerwiegender Vorwurf, der mittlerweile inflationär verwendet wird. Stichhaltige Beweise für den Kampfbegriff finden sich jedoch nicht immer. Im Grunde sind Fake News auch nichts Neues – es hat sie schon immer gegeben. Nur nannte man sie vorher auf gut Deutsch schlicht "Falschmeldung". Eine wirkliche "Falschmeldung" ist es zum Beispiel, wenn eine große deutsche Tageszeitung behauptet:

Nur um es klar zu stellen: Es geht nicht darum, mit dem Finger nur auf andere zu zeigen. Aber der Vorwurf von Fake News ist schlichtweg unbegründet und damit wohl ein Fall für den BILD-Ombudsmann.

Mehr zum Thema - In eigener Sache: Die selbsterfüllende Prophezeiung von RT Deutsch als Propagandasender

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