War die DDR-Wirtschaft wirklich marode? Interview mit einem Kombinatsdirektor – Teil 1 von 2
Wir sprachen mit Dr. Adolf Eser, dem ehemaligen Generaldirektor des Chemiekombinats Bitterfeld und Autor des Buches "Von Alaun bis Zitronensäure", in dem er die Geschichte der Chemieindustrie – mit seinem Fokus auf den Bitterfelder Raum – darstellt. Das Gespräch führte Hasan Posdnjakow. (Den zweiten Teil finden Sie hier.)
Wie wirkte sich die deutsche Teilung auf die wirtschaftlichen Grundlagen der DDR aus?
Man muss davon ausgehen, dass der Osten schon zur Zeit Bismarcks als "Armenhaus Deutschlands" bezeichnet wurde. Das bedeutete, dass mit wenigen Ausnahmen, wie das mitteldeutsche Industrierevier (Buna, Leuna, Bitterfeld, Zeitz, Magdeburg, Dresden, um nur einige Beispiele zu nennen), fast die gesamte Montan- und Schwerindustrie traditionell in Westdeutschland, beispielsweise im Ruhrgebiet, angesiedelt und die ostdeutsche Wirtschaft dadurch von der Kooperation mit den Firmen im Westen zum Zeitpunkt der Teilung Deutschlands ab Mitte der 1940er Jahre absolut abhängig war. Alle Kooperations- und Lieferbeziehungen wurden mit der separaten Währungsreform, der Gründung der BRD und der einseitigen Kündigung der Handelsabkommen durch die BRD hinfällig. Dazu kam noch das von den Westmächten verhängte Embargo für strategisch wichtige Erzeugnisse. Der renommierte Wirtschaftshistoriker Prof. Abelshauser schreibt dazu in seinem Buch "Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945":
Aufgrund der den Ostblockstaaten entstandenen zusätzlichen Kosten und des Entwicklungsrückstandes kann dieses Embargo als erfolgreich bezeichnet werden.
Immerhin musste auch die DDR zunächst aus eigener Kraft, später auch mit der Unterstützung der UdSSR, damit leben. Die Anwendung der Embargobestimmungen gegen die DDR fand ihren Höhepunkt am 30.9.1960, als die Regierung der BRD überraschend das Abkommen über den innerdeutschen Handel vom 20.9.1951 samt Zusatzabkommen einseitig kündigte. Mit dem durch die Regierung der BRD verhängten Embargo wurden auch Großrohre sanktioniert, zum Bau der Erdöl- und Erdgasleitungen aus der Sowjetunion zur Versorgung der Volkswirtschaften der DDR und der sozialistischen Länder mit diesen strategischen Rohstoffen unverzichtbar.
Es blieb den Verantwortlichen der DDR nichts anderes übrig, als die "Störfreimachung" der Wirtschaft der DDR auf die Tagesordnung zu setzen, also der Willkür- und Erpressungspolitik der Regierung der BRD mit dem Aufbau einer eigenen Schwerindustrie mit großen Investitionsvorhaben zu begegnen, z. B. durch:
- den Ausbau der "Maxhütte in Unterwellenborn", unter der Losung "Max braucht Wasser",
- den Aufbau des Eisenhüttenkombinates Ost, EKO, mit polnischem Koks und sowjetischem Erz, für Stahl zum Aufbau der Republik,
- den Aufbau des Gaskombinates "Schwarze Pumpe" zur Braunkohlenveredelung zu BHT-Koks,
- den Bau des Niederschachtofenwerkes Calbe an der Elbe zur Verhüttung "armer Eisenerze" aus dem Harz,
- den Aufbau der Werften an der Ostsee und der Bau von Überseehäfen in Rostock, Warnemünde, Stralsund, Mukran sowie der Ausbau des Fährhafens Sassnitz,
- das Chemieprogramm zum Auf- und Ausbau der Petrochemie in Schwedt, Böhlen, Leuna, Buna und Bitterfeld und dazu der Bau der Erdöl- und Erdgasleitungen aus Sibirien (UdSSR),
- die Melioration der Wische zur Steigerung der Hektarerträge und Aufbau einer leistungsfähigen Viehwirtschaft in Mecklenburg zur Sicherung der Ernährung der Menschen in der DDR und weitere Großvorhaben zur Sicherung unseres Lebens und Überlebens.
Sie konnte der Willkür- und Erpressungspolitik durch die BRD nur begegnen, indem sie sich leistungsstarke Partner auf den Märkten der westlichen Welt wie Österreich, Frankreich, Japan, Großbritannien, Schweden und u. a. auch in der BRD suchte.
Dies fiel nach der Anerkennung der DDR als selbstständiges Völkerrechtssubjekt durch die Aufnahme als gleichberechtigtes Mitglied der Staatengemeinschaft in die UNO (durch die Konferenz von Helsinki) umso leichter. Der Alleinvertretungsanspruch der BRD für Gesamtdeutschland blieb mit allen nachteiligen Folgen dennoch bestehen, mit z. B. großen Einschränkungen für die Menschen etwa im Reiseverkehr, in der Währungsparität usw.
Es ist eine beweisbare Tatsache, dass beispielsweise in die Chemieindustrie der DDR deshalb in der Mitte der 1970er-Jahre noch extensiv investiert werden musste, während die BRD durch den Marshall-Plan mit zinsgünstigen Krediten und Zugang zu allen benötigten Technologien, Ausrüstungen und Rohstoffen bereits zur Modernisierung, Rekonstruktion und Umstrukturierung ihrer Wirtschaft und damit zur Expansion bzw. "Verlagerung angeblich unwirtschaftlicher, energieintensiver Produktionen" in Billiglohnländer übergehen konnte.
Es ist daher bloße Demagogie, wenn man heute behauptet, die DDR habe damals eine Autarkiepolitik betrieben, die an jene der Nationalsozialisten erinnert (siehe etwa Spiegel 9/53). In der DDR stand ein autarkes Streben zu keiner Stunde auf der Tagesordnung, konnte es gar nicht, wenn man die volle Abhängigkeit der Volkswirtschaft der DDR von Importen wie u. a. Koks, Schwefel, Anthrazit, Erdöl, Erdgas, Bauxit, Quecksilber, Eisenerz, Naturkautschuk, Phosphaten und Tiefziehblechen bedenkt. Es war außerdem eine ethische Grundfrage der Politik der DDR, stets die Förderung und Ausweitung der internationalen Beziehungen und der Zusammenarbeit auf gleichberechtigter Grundlage, vor allem mit den jungen Nationalstaaten, den Ländern der sozialistischen Staatengemeinschaft und auch Konzernen auf der Basis des gegenseitigen Vorteils, der Achtung und der Solidarität zu betreiben.
Mit der BRD verfolgte die DDR das Ziel, eine friedliche Koexistenz zu erreichen. Der Hallstein-Doktrin zufolge wurde die Aufnahme oder Unterhaltung diplomatischer Beziehungen durch dritte Staaten mit der Deutschen Demokratischen Republik von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihres Alleinvertretungsanspruchs für das gesamte deutsche Volk als unfreundlicher Akt ("acte peu amical") betrachtet und in der Regel mit dem Abbruch beziehungsweise der Nichtaufnahme diplomatischer Beziehungen beantwortet. Die Hallstein-Doktrin wurde nach der Moskaureise Konrad Adenauers und der damit verbundenen Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion im September 1955 formuliert und im Dezember des gleichen Jahres auf einer Botschafterkonferenz in Bonn erstmals öffentlich verkündet. Sie war eine bundesdeutsche Leitlinie, die darauf bestand, dass die Bundesrepublik Deutschland (Westdeutschland) aufgrund des Alleinvertretungsanspruchs der einzige legitime deutsche Staat sei.
Diese Hallstein-Doktrin hatte gravierende Auswirkungen auf den Außenhandel mit kapitalistischen Industriestaaten und den freien Reiseverkehr der Bürger der DDR in das westliche Ausland. Die Situation entspannte sich erst etwas nach der weltweiten Anerkennung der DDR als souveräner Staat in Folge der Konferenz von Helsinki, obwohl alle Bundesregierungen diesen Alleinvertretungsanspruch auch danach niemals aufgegeben und nichts unversucht gelassen haben, die DDR als zweiten Deutschen Staat, der im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges entstanden war, zu liquidieren. Trotz dieser erpresserischen Politik aller Regierungen der Bundesrepublik seit 1949 gegenüber der DDR und den Regierungen aller Staaten, die sich an internationale Verträge und Vereinbarungen hielten, hat die DDR ca. 750 Betriebsobjekte und Industrieanlagen auf Kompensationsbasis aus dem Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) zur Modernisierung, Erneuerung und Erweiterung ihrer Industrie importiert. Diese Geschäfte waren notwendig, aber nicht immer nach den Gesetzen der "reinen Ökonomie" wirtschaftlich, weil sie als sog. Gegengeschäftsvereinbarungen zum gegenseitigen Vorteil mit Erzeugnissen aus den Objekten zu "Westwährungskonditionen" zu bezahlen waren. Allein für 12 Milliarden DM wurden Planimporte für Chemieanlagen aus dem NSW realisiert.
Das Bild der DDR-Wirtschaft ist in den BRD-Medien geprägt von Schlagwörtern wie Mangelwirtschaft und niedrige Arbeitsproduktivität. Wie bewerten Sie diese Vorwürfe als Wirtschaftsfachmann aus der DDR?
Diese Vorwürfe sind geprägt von der seit der Gründung der DDR durch die von den Westalliierten gewollte und geförderte Teilung Deutschlands. Dabei ging es nicht um Ost und West, sondern um den Beginn einer brutalen Klassenauseinandersetzung zwischen dem monopolkapitalistisch beherrschten Westen unter der Führung der USA, Großbritanniens und Frankreichs und der damals nach dem Zweiten Weltkrieg befreiten Bevölkerung, die zunächst unter der Führung der KPD/SED gemeinsam mit den Blockparteien die DDR gründeten. Seitdem sind Hass, Neid, Diffamierung und Missgunst der sogenannten "christlichen BRD" unsere Wegbegleiter.
Beispielhaft dafür ist etwa die Diffamierung der DDR und ihrer Eliten durch die Aufforderung Herrn Kinkels auf dem 15. Deutschen Richtertag am 23. September 1991:
Sie, meine Damen und Herren, haben als Richter und Staatsanwälte bei dem, was noch auf uns zukommt, eine ganz besondere Aufgabe (...): mit dem fertig zu werden, was uns das vierzigjährige Unrechtsregime in der früheren DDR hinterlassen hat. (...) Es muss gelingen, das SED-System zu delegitimieren, das bis zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer Gesinnung, angeblich höheren Werten und behaupteter absoluter Humanität hergeleitet hat, während es (...) einen Staat aufbaute, der in weiten Bereichen genauso unmenschlich und schrecklich war wie das faschistische Deutschland. (...) Politische Straftaten in der früheren DDR dürfen nicht verjähren. Die Entscheidung darüber liegt allein bei den Gerichten. (...) Der Gesetzgeber kann aus rechtsstaatlichen Gründen wegen des Problems der Rückwirkung nicht tätig werden.
Oder Professor Arnulf Baring in seinem Buch "Deutschland, was nun?":
Das Regime (gemeint ist die DDR, Anm.) hat fast ein halbes Jahrhundert die Menschen verzwergt, ihre Erziehung, ihre Ausbildung verhunzt. (…) ob sich heute dort einer Jurist nennt oder Ökonom, Pädagoge, Psychologe, Soziologe, selbst Arzt oder Ingenieur, das ist völlig egal; sein Wissen ist auf weiten Strecken unbrauchbar.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz! Ob die Herren Kinkel, Baring und Co. sich dessen jemals bewusst gewesen sind? Das galt im Klassenkampf während des Kalten Krieges nicht für diejenigen, die die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen hatten. Die Diskriminierung und Ausgrenzung fleißiger Menschen hält bis heute an.
Die DDR hatte bei ihrer mutwilligen Zerstörung 1990 ein Bruttoinlandsprodukt in DM pro Einwohner von 16.796 DM erarbeitet. Legt man den 1987 ausgewiesenen Umrechnungssatz von 1 ECU (damals gültige europäische Währungseinheit) von 2,07 DM zugrunde, kommt man für 1988 zu einer Bruttoinlandsproduktgröße pro Kopf in Höhe von 8.114,32 ECU für die DDR. Im Rahmen der 1988 zur EG gehörenden Länder wäre dies der 9. Platz, mit relativ geringem Abstand zu Großbritannien mit 9.000 ECU, beträchtlich vor Spanien mit 6.130 ECU, Griechenland mit 3.800 ECU und Portugal mit 3.090 ECU gewesen.
Im RGW wäre dies der 3. Platz und in der Welt der 15. bis 17. Platz gewesen.
Das war für die Ökonomie der DDR und die Arbeit ihrer Bürger unter den gegebenen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen ein hervorragendes Zeugnis", schreibt Siegfried Wenzel von der Staatlichen Plankommission in seinem Buch "Was war die DDR wert? Und wo ist dieser Wert geblieben?".
Die chemische Industrie hatte daran mit einem Umsatz von 88,5 Mrd. DDR-Mark mit 308.000 Beschäftigten am 31.12.1988 (davon das Chemiekombinat Bitterfeld am 31.12.1988 mit einem Umsatz von 7,582 Mrd. DDR-Mark und 28.800 Beschäftigten) einen hohen Anteil. Allein der Stammbetrieb in Bitterfeld hatte laut bestätigter Abschlussbilanz vom März 1990 zum 31.12.1989 einen Umsatz (realisierte finanzgeplante industrielle Warenproduktion) von 4,647 Mrd. DDR-Mark ausgewiesen. Dieser hat nach den allgemein gültigen Umrechnungssätzen für Leistungen der DDR-Volkswirtschaft einem Wert von 2,2658 Mio. DM oder 1,159 Mio. Euro entsprochen (Umrechnungsfaktoren DDR-M in DM: Inland 1 €=1,95583 DM; und SW= 0,505, NSW= 0,239 DM).
Der Nettogewinn (Verkaufserlös minus Kosten) betrug 171,3 Mio. DDR-Mark. Damit war es möglich, alle Fonds zu speisen und ständig die Liquidität zu sichern. Drei Prozent der Materialkostensenkung waren darin enthalten. Der Bruttowert der Sachanlagen betrug 9,693 Mrd. DDR-Mark. Die Abschreibungen betrugen 4,813 Mrd. DDR-Mark, das waren 49,7 Prozent. Damit konnte, wie manche meinen, von "marode" keine Rede sein. Die Kreditbelastung betrug 625.879.588,27 DDR-M durch Investitionen – u. a. für neue Chlorat-Anlagen aus Schweden. Es waren 17.495 Personen beschäftigt. Der Stammbetrieb hatte einen Anteil am Aufkommen an industrieller Warenproduktion von 70 Prozent des Kreises Bitterfeld, von 13 Prozent des Bezirkes Halle, von 8,66 Prozent des Ministeriums für chemische Industrie. Der Exportanteil betrug 29, Prozent.
In den Export für die sozialistischen Länder gingen Waren im Wert von 196,2 Mio. Rubel, etwa an die UdSSR, Bulgarien, Rumänien, Polen, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Kuba und Vietnam. An Kunden in dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet gingen Waren im Wert von 55,7 Mio. DM u. a. in die BRD, nach Italien, Frankreich, Großbritannien, die Schweiz, Schweden, Kolumbien, Griechenland, den Niederlanden, in den Iran und den Irak. Der Handel mit den europäischen Ländern des NSW erfolgte auch über sogenannte gemischte Gesellschaften, wie PRIMEX Mailand, SOPROCHIM Paris usw.
Der erste Vertrag mit einem NSW-Partner wurde mit der italienischen Firma Manifattura Chimica Italiana im Jahre 1958 geschlossen. Die 30. Wiederkehr dieses Vertragsabschlusses wurde am 4. und 5. Juni 1988 mit dem Partner, der bis zum Ende des Kombinates zu seinem Lieferanten in der DDR gehalten hatte, in Bitterfeld feierlich begangen. Insgesamt 25 Goldmedaillen wurden auf den Leipziger Messen für Produkte des CKB wegen hervorragender Qualität und/oder wegen ihres Neuheitsgrades vergeben.
Mit seinen Produkten hat das CKB ein Warenproduktionsvolumen in der Volkswirtschaft der DDR in Höhe von schätzungsweise 60,0 Mrd. DDR-Mark beeinflusst. Das CKB war der bedeutendste Produzent von Hütten- und Reinstaluminium in der DDR. Der Stammbetrieb war mit 270 kt/a der größte Chlor-Produzent in der Volkswirtschaft der DDR. Mit einem Anteil von 20 Prozent am Gesamtaufkommen war der Stammbetrieb der bedeutendste Hersteller von Wirkstoffen und Formulierungen für Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel (PSM). Das Kombinat hat 70 Prozent aller in der DDR hergestellten Wirkstoffe bereitgestellt und zwei Prozent der Weltproduktion realisiert.
Für Ionenaustauscher (Wofatite) war die Farbenfabrik weltweit der erste und zu DDR-Zeiten der drittgrößte Hersteller auf der Welt. Der CKB-Stammbetrieb hat den Bedarf der DDR an Farbstoffen, Weißtönern und Hilfsmitteln zu etwa 65 Prozent aus eigenem Aufkommen für die Textil-, Leder-, und Papierindustrie gedeckt, den Export von Farbstoffen und Zwischenprodukten in das NSW (bereits ab 29.9.1958 nach Italien), in die UdSSR und den RGW-Raum bedient. Das CKB gehörte mit einer Syntheseleistung von etwa 10.000 t/a, das waren ca. 16.000 t/a Handelsware in 18 Klassen, zu den leistungsstärksten Produzenten im RGW-Raum.
Bedingt durch die Teilung Deutschlands in Folge der separaten Bildung der Bundesrepublik Deutschland wurden in der volkseigenen Zeit 350 neue Farbstoffmarken, Weißtöner und etwa 50 neue Hilfsmittel für die Papier-, Leder- und Textilindustrie sowie die dafür nötigen Zwischenprodukte überwiegend selbst entwickelt und in die Produktion überführt. Lücken in den Sortimenten wurden durch den Warenaustausch im Rahmen der internationalen Handelsorganisation der sozialistischen Länder "Interchim" und durch Importe aus dem westlichen Ausland geschlossen.
Nach 1945 wurden diese Arbeitsrichtungen grundsätzlich unter dem Aspekt des volkswirtschaftlichen Bedarfes, nicht des Profitstrebens weitergeführt. Es war jedoch notwendig, die Erzeugnisse und die Produktionstechnologien nachzuerarbeiten, die durch die Rationalisierung der IG Farben (ab 1927) in andere Werke verlagert wurden und nach der Teilung Deutschlands für die DDR-Wirtschaft unverzichtbar waren. Das waren keine "Ersatzstoffe", wie behauptet wird, sondern vor allem Farbstoffe, Zwischenprodukte und pharmazeutische Grundsubstanzen, die auf der Embargoliste standen. Das Chemiekombinat Bitterfeld war einst eines der kreativsten Unternehmen der chemischen Industrie der DDR.
Von 1949 bis 1969 erfolgten unter den neuen Bedingungen des Rechtsschutzes in der DDR 1.158 Patentanmeldungen, ca. 61 Patente pro Jahr, und von 1970 bis 1989 wurden 1.668 Patente, das waren ca. 88 pro Jahr, von Mitarbeitern der Forschung und anderer Fachbereiche des Stammbetriebes des VEB CKB angemeldet.
Der wichtigste Vertragsforschungspartner war die Martin-Luther-Universität Halle (MLU), an der auch Führungskräfte aus der Forschung des Kombinates bis 1990 ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Professoren mit Lehrauftrag an Studenten weitergaben. Insgesamt waren von 1950 bis 1990 aus dem CKB 9 Forscher als Professoren z. T. mit Lehrauftrag und/oder als Institutsdirektoren an die Universitäten nach Halle, Leipzig, Berlin, Dresden und Jena berufen und auch zu Akademiemitgliedern ernannt worden.
Das Chemiekombinat Bitterfeld war ein Initiator der Veredelungsstrategie. Mit dieser Strategie der höheren Veredelung der verfügbaren Rohstoffe wurde mit Beginn der 1970er Jahre in Verbindung mit der technologischen Erneuerung der Grundfonds (RSM = Rationalisierung, Stabilisierung, Modernisierung) auf der Grundlage von eigenen Erneuerungs- und Basisinnovationen der Erneuerungsprozess des Kombinates beschleunigt weitergeführt.
Insgesamt wurden seit der Übergabe der Betriebe Farbenfabrik und Elektrochemisches Kombinat (Chemiekombinat Bitterfeld) in das Volkseigentum Investitionen in Höhe von 8,0 Milliarden DDR-Mark getätigt. Die Forschung hatte an diesen Leistungen einen gewichtigen Anteil und wurde demzufolge, wie das Kombinat auch, nach 1990 entsprechend verleumdet. So kann sich auch das Management vom (wie das Werk heute heißt) P-D ChemiePark von einer gewissen Niedertracht nicht freimachen. In einer Werbebroschüre – in Hochglanz, mehrfarbig und zweisprachig – aus dem Jahr 2005 heißt es:
Die Nachkriegszeit war zunächst geprägt von wirtschaftlicher Stagnation. Erst nach der Wiedervereinigung und der Privatisierung kam wieder Dynamik in den Standort. 1997 wurde der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen gegründet, der vier Jahre später von der privaten Firmengruppe Preiss-Daimler erworben wurde.
Für die chemische Industrie der alten BRD war Bitterfeld, wie die übrigen ehemaligen IG-Farbenbetriebe bis 1990:
- eine unliebsame Konkurrenz und
- für die Aktionäre der IG Farben ein "warmer Regen" auf das eingefrorene Aktienkapital der sogenannten Ostwerte, u. a. mit den Ansprüchen auf das Vermögen in Ostdeutschland (Werke der IG in der sowjetischen Besatzungszone) durch die Umsetzung der Losung "Rückgabe vor Entschädigung" der Treuhand.
Das betraf auch die durch die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens enteigneten Werke der IG Farben in der sowjetischen Besatzungszone zu: BUNA Schkopau, EKB Bitterfeld, Wolfen-Farben, EKL Berlin-Lichtenberg, Wolfen-Film, Staßfurt (Magnesium), Chemiefaser Premnitz.
Mit allen Mitteln Konkurrenz zu vermeiden ist nach Carl Duisberg, dem Vorstandsvorsitzenden der Bayern AG im frühen 20. Jahrhundert und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden des Konzerns zwischen 1926 und 1935, immer das Ziel kapitalistischer, konzernstrategischer Politik, seit es Konzerne gibt.
(Hinweis: Teil 2 erscheint am Sonntag)
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