Mainstream empört: Berliner Zeitung zitiert neben westlichen auch russische Nachrichtenagenturen
Das Branchenportal Horizont hat der Berliner Zeitung in einem ungewöhnlichen Artikel vorgeworfen, russische "Staatspropaganda direkt aus dem Kreml" zu verbreiten, weil das Blatt die Nachrichtenagentur TASS als Quelle verwendet. Die Autorin Ulrike Simon mokierte sich darüber, dass die Berliner Zeitung unter ihren neuen Eigentümern Silke und Holger Friedrich ihre überregionale Berichterstattung nicht mehr vom Redaktionsnetzwerk Deutschland bezieht, sondern unter Rückgriff auf Nachrichtenagenturen selbst erstellt:
Mangels eigener Redakteure, die sich um nationale und internationale Themen kümmern, erscheinen in der Berliner Zeitung seither viele Artikel mit den Kürzeln von Nachrichtenagenturen: Einheitsware, wie sie jeder Redaktion zur Verfügung steht.
Die Autorin bemängelt auch, dass die Neueigentümer in einem Interview von Hilfsangeboten "auch aus China und Russland" sprachen, "in denen demokratische Prinzipien so wenig gelten wie freie Presse". Damit aber nicht genug:
Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was nun tatsächlich auf der Webseite der Berliner Zeitung nachzulesen ist. Dort steht, aktuell sogar auf der Homepage, unter der Rubrik 'Politik & Gesellschaft' ein Artikel über Geopolitik. Er speist sich aus den Quellen 'BLZ/Reuters/dpa/TASS'. TASS ist die staatliche russische Nachrichtenagentur und damit nichts anderes als ein direkt vom Kreml gesteuertes Propaganda-Instrument.
Auch das noch! Die @berlinerzeitung arbeitet mit Material der staatlichen russischen Nachrichtenagentur #TASS. In dem Bericht geht es - ausgerechnet - um #Syrien.https://t.co/PHj6AXm6WS
— Ulrike Simon (@ulrikesimon) February 13, 2020
Der bemängelte Artikel gibt tatsächlich – einmal unter dem Teaser und einmal im Text – für eine Äußerung der russischen Regierungssprecherin TASS als Quelle an: "laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS". Diese journalistisch korrekte Verwendung einer russischen Nachrichtenagentur lässt Simon offenbar fassungslos zurück:
Auf die Idee muss man aber erst einmal kommen, in Interviews vom Streben nach "faktenbasiertem Journalismus" zu palavern und dann die TASS als ganz normale Informationsquelle zu handhaben – und das auch noch ausgerechnet beim Thema Syrien.
Bereits im Teaser wird erwähnt, was für die Horizont-Autorin "normale Quellen" und als solche wohl ohne Bedenken zu verwenden sind: dpa und Reuters. Im Artikel folgt eine Einordnung der für sie nicht akzeptablen Verwendung von TASS in die Reihe der bisherigen angeblichen Fehlleistungen der Friedrichs:
Der Vorgang bedeutet eine weitere Eskalationsstufe nach den zahlreichen kuriosen Erklärungen, Verhaltensweisen, dem zweiseitigen Manifest des Verleger-Ehepaars inklusive der Danksagung an Egon Krenz, am Tag des Mauerfalls keinen Schießbefehl erteilt zu haben, sowie der Aufdeckung von Holger Friedrichs bewusst verschwiegener Tätigkeit als IM für die Stasi.
Auch Tagesspiegel-Redakteur Julius Betschka zeigt sich entsetzt über zuviel Pluralität bei der Nutzung von Nachrichtenagenturen:
Kaum sind sie beiden alten Chefredakteure weg, steht auf der Seite der @berlinerzeitung Staatspropaganda aus Russland. Der neue Chefredakteur und Herausgeber haben keine Probleme damit. Berlin today.https://t.co/dcsWyCvLVt
— Julius Betschka (@JuliusBetschka) February 13, 2020
In der vergangenen Woche hatte Horizont erst wohlwollend einen Vortrag des Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt dokumentiert, in dem dieser unter dem Titel "Journalisten waren nie Gatekeeper" seine Sicht auf Journalismus und Medien verbreiten durfte.
Mit dem inhaltlich auf recht dürftiger Grundlage stehenden Artikel schließt sich Horizont den Springer-Medien in ihrer sehr kritischen Berichterstattung über die Berliner Zeitung und ihre neuen Eigentümer an, die mit deren vorsichtiger Ankündigung einsetzte, sich etwas vom deutschen Mainstream entfernen zu wollen. In den sozialen Netzwerken stieß Horizont mit seiner Skandalisierung völlig normaler, professioneller journalistischer Arbeit auf wenig Verständnis. Jakob Augstein, Verleger des Freitag, fragte auf Twitter, wo das Problem liege und unterstellte dem Medium Clickbaiting.
Im Artikel der Berliner Zeitung wird das Zitat einer Sprecherin des russ Aussenministeriums gebracht, als Quelle steht da: "... laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS." Problem? #ClickBaithttps://t.co/vuGjvkl43K
— Jakob Augstein (@Augstein) February 13, 2020
Der Herausgeber der Berliner Zeitung, Michael Maier, beantwortete die Frage von Horizont, wie eine Zeitung TASS als "eine ganz normale Agenturquelle" behandeln könne, so:
Wir vertreten die Auffassung, dass es unseren Lesern zumutbar ist, eine möglichst große Vielfalt von Quellen präsentiert zu bekommen.
Im Übrigen sei ihm "nicht bekannt, ob es im deutschen Pressekodex Regeln gibt, die die Zitierung der TASS verbieten".
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Skandal! #Mainstream rotiert: "@berlinerzeitungbedient sich bei der staatl. russ. Nachrichtenagentur TASS. Sie wird als normale Quelle behandelt, gleichwertig mit @dpa und @Reuters." Russen als gleichwertig & normal behandeln? Wo kommen wir denn da hin?https://t.co/tf8SbOOpXE
— Florian Warweg (@FWarweg) February 14, 2020
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