Ermittlungen zu US-Kriegsverbrechen: Washington setzt Chefanklägerin auf Sanktionsliste
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) hatte im März dieses Jahres den Weg für Ermittlungsverfahren zu möglichen Kriegsverbrechen in Afghanistan freigemacht. Es geht um Taten, die seit 2003 verübt wurden. Untersucht werden sollen die Kriegsverbrechen der Taliban, der afghanischen sowie auch der amerikanischen Streitkräfte und die von Mitarbeitern des US-Geheimdienstes CIA. Seit Jahren sammelt die Staatsanwaltschaft bereits Beweise.
Die USA jedoch sind kein Vertragsstaat des Gerichtshofes und lehnen diesen schon seit Jahren strikt ab. Bereits 2019 hatte Washington angekündigt, Mitarbeitern des Weltstrafgerichts die Einreise zu verweigern, wenn sie gegen US-Bürger im Zusammenhang mit deren Handeln in Afghanistan ermitteln. Kurz darauf entzogen sie der Chefanklägerin das Einreisevisum.
Nun kündigte US-Außenminister Mike Pompeo Sanktionen gegen IStGH-Spitzenvertreter an, darunter auch Chefanklägerin Fatou Bensouda. Als Strafmaßnahmen nannte der US-Chefdiplomat Visa-Beschränkungen. Neben Bensouda werde auch der Abteilungsleiter Phakiso Mochochoko auf eine schwarze Liste gesetzt – weil er der Staatsanwaltschaft "materiell geholfen" habe, sagte Pompeo Reportern.
Mehr zum Thema - BPK: Strafgerichtshof in Den Haag nicht zuständig für Menschenrechtsverbrechen gegen Palästinenser
Pompeo bezeichnete den Internationalen Strafgerichtshof als "eine durch und durch kaputte und korrupte Institution" und ergänzte, dass die USA "seine rechtswidrigen Versuche, US-Amerikaner seiner Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, nicht tolerieren" würden. Die USA unterzeichneten das Gründungsdokument des Gerichtshofs, das Statut von Rom, nicht und stehen somit außerhalb von dessen Einfluss. 123 Staaten ratifizierten inzwischen den Grundlagenvertrag des Gerichtes. Laut Statut werden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verfolgt.
US-Präsident Donald Trump hatte bereits per Erlass ein Vorgehen gegen Mitglieder des IStGH autorisiert, die sich mit mutmaßlichen US-Kriegsverbrechen in Afghanistan befassen. So könnte unter anderem etwaiger Besitz von Mitarbeitern des Gerichtshofs in den USA eingefroren werden.
Die Tatsache, dass die USA Chefanklägerin Bensouda auf die schwarze Liste setzten, läuft auf einen "inakzeptablen Versuch hinaus, in die Rechtsstaatlichkeit einzugreifen", hieß es vom IStGH, nachdem die Ankündigung von US-Außenminister Pompeo erfolgt war.
Diese Angriffe stellen eine Eskalation und einen inakzeptablen Versuch dar, die Rechtsstaatlichkeit und die Gerichtsverfahren des Gerichtshofs zu beeinflussen", sagte der Sprecher des IStGH, Fadi El Abdallah, in einer Erklärung als Reaktion auf Pompeos Ankündigung.
Ein Angriff auf den IStGH stelle auch einen Angriff auf die Interessen der Opfer von Gräueltaten dar, von jenen für viele der Gerichtshof die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit sei, ergänzte Abdallah. Er betonte, das Gericht bleibe "unerschütterlich" in seinem Bekenntnis zum Mandat, das ihm durch das Statut von Rom und die Staaten, die es unterzeichnet haben, übertragen wurde.
Mehr zum Thema - Pompeo bedroht Familienmitglieder von ICC-Staatsanwälten wegen Untersuchung zu US-Kriegsverbrechen
Nachdem die USA in den 1990er-Jahren die internationalen Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda unterstützt hatten, sprachen sie sich von Anfang an gegen den IStGH aus und weigerten sich, den Grundlagenvertrag des Gerichtes zu ratifizieren. In den 2000er-Jahren, während der Amtszeit von George W. Bush, verabschiedete Washington sogar den "American Service-Members' Protection Act" – ein Gesetz zum Schutz der US-Regierung, des US-Militärs und anderer offizieller US-Vertreter vor Strafverfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof. Es erlaubt gar die Anwendung von Gewalt zur Befreiung aller US-amerikanischer sowie auch Staatsangehöriger verbündeter Staaten, die in einem IStGH-Gefängnis festgehalten werden sollten.
Bei den Ermittlungsverfahren des IStGH gegen die US-Soldaten geht es etwa um die Tätigkeit des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA auf afghanischem Territorium. In Reaktion auf die Anschläge in New York vom 11. September 2001 habe die CIA gegen potenzielle Täter eigene Ermittlungen in Afghanistan durchgeführt, schreibt der Gerichtshof in einer vorläufigen Untersuchung 2017. Dabei sollen die US-Militärs vermeintliche Anhänger der Terrorgruppe Al-Qaida und der Taliban zwangsweise in Internierungslager untergebracht und im Rahmen der Befragungen gefoltert oder auch sexuell misshandelt haben. Zudem geht es um die Geheimgefängnisse der CIA in Polen, Rumänien und Litauen. Seit 2006 laufen dazu Vorermittlungen.
Die afghanische Regierung will ebenfalls nicht mit dem Gerichtshof kooperieren und gründete ein eigenes Komitee, das Kriegsverbrechen aufdecken und die Täter zur Rechenschaft ziehen soll. Die USA marschierten 2001 – nach den Anschlägen vom 11. September – unter dem Vorwand, die Taliban bekämpfen zu wollen, in Afghanistan ein. Der bis heute andauernde Konflikt führte jedoch nach Angaben der Vereinten Nationen zum Tod von über 30.000 Zivilisten.
Mehr zum Thema - Westliche Werte als Rohrkrepierer
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.