NYT-Bericht: Tel Aviv ist nicht in der Lage Atomprogramm Irans zu zerstören
Seit der Wiederaufnahme der Atomverhandlungen in Wien droht Israel permanent mit einem Angriff auf Iran, da das Land nach der Darstellung israelischer Sicherheitsbeamter kurz vor der "Atombombe" stehe. Teheran beklagt inzwischen eine starke Zunahme des israelischen Säbelrasselns gegen Iran. Generalmajor Gholam Ali Rashid, der Kommandeur des Hauptquartiers von Khatam al-Anbiya, drohte kürzlich damit, dass iranische Streitkräfte im Falle eines möglichen israelischen Angriffs auf Atomanlagen in Iran sofort alle Zentren, Stützpunkte, Routen und Räume angreifen würden, die zur Durchführung der Aggression genutzt würden. Das berichtete der iranische Nachrichtsender Press TV.
Unabhängig davon, ob Iran und die internationalen Mächte eine neue Einigung in Wien erzielen könnten, bleibt unklar, wie weit Israel – nach seiner Darstellung der Lage – zu gehen bereit wäre, um Teheran aller drohenden Rhetorik zum Trotz mit eigenen Mitteln davon abzuhalten, eine "Atommacht" zu werden.
Mehrere aktive und ehemalige hochrangige israelische Militärbeamte und Experten haben zudem erklärt, dass Israel nicht in der Lage sei, einen Angriff durchzuführen, der das iranische Atomprogramm erheblich verzögern oder gar zerstören könnte – "zumindest nicht in absehbarer Zeit". Das berichtete The New York Times (NYT). Ein amtierender hochrangiger Sicherheitsbeamter sagte, es werde mindestens zwei Jahre dauern, bis ein Angriff vorbereitet sei, der dem iranischen Atomprojekt überhaupt erheblichen Schaden zufügen könnte. "In der Welt, in der wir leben, ist die einzige Luftwaffe, die eine Kampagne (gegen Iran) durchführen kann, die US-Luftwaffe", sagte Relik Shafir, ein pensionierter General der israelischen Luftwaffe, der 1981 an einem Angriff auf eine irakische Nuklearanlage als Pilot teilgenommen hatte.
Iran verfügt derzeit über mehrere Nuklearanlagen, wobei einige davon tief unter der Erde aufgebaut wurden. Für israelische Bomben sei es insofern schwer durchzuschlagen und Irans Atomanlagen zu zerstören, sagte Shafir. Die unterirdischen Anlagen Irans seien nur mit Raketen zu erreichen, die tief in die Erde eindringen, und über solche Raketen verfügten nur die USA – Israel habe derlei hingegen nicht. Die israelische Luftwaffe besitze zudem keine Kampfflugzeuge, die ausreichend groß seien, um präzisionsgelenkte bunkerbrechende Bomben zu transportieren. Außerdem gestalte sich ein Angriff auf Irans Atomanlagen wegen des Mangels an Tankflugzeugen sehr schwierig. Die Fähigkeit zum Auftanken in der Luft ist entscheidend für einen Bomber, der möglicherweise mehr als 2.000 Flugmeilen zurücklegen muss und arabische Länder durchquert, welche keinen Tankstopp für einen israelischen Angriff gegen Iran ermöglichen möchten. Israel hat bei Boeing jüngst acht neue KC-46-Tanker für 2,4 Milliarden US-Dollar bestellt, aber diese werden wahrscheinlich nicht vor Ende 2024 geliefert.
Jeder Angriff auf Iran würde auch Vergeltungsangriffe der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen auslösen – also der Verbündeten Irans, die versuchen würden, Israel in einen gleichzeitigen Krieg an mehrere Fronten hineinzuzwingen. Zudem seien die Verteidigungsfähigkeiten Irans weitaus stärker als noch 2012, als Israel zuletzt ernsthaft über einen Angriff nachgedacht hatte. Iran besitze darüber hinaus zahlreiche Boden-Boden-Raketen, die rasch aus Tunneln abgefeuert werden könnten.
Es sei möglich, dass die israelischen Flugzeuge nach den Angriffe auf Iran bei ihrer Rückkehr nach Israel feststellen würde, dass die iranischen Raketen bereits ihre Landebahnen zerstört haben, sagte Tal Inbar, ein Luftfahrtexperte und ehemaliger Leiter des Fisher Institute for Air and Space Strategic Studies.
Seit 2015 habe sich nicht zuletzt auch die Ausbildung für einen Angriff auf Iran verlangsamt, sagte ein hochrangiger israelischer Militärbeamter, da sich das Verteidigungsestablishment auf Konfrontationen mit Milizen im Libanon, in Syrien und im Gazastreifen konzentriert habe.
Israel könne sich immer besser ausrüsten, erklärte der pensionierte General Shafir weiter. Aber selbst mit diesen Verbesserungen und einer überlegenen Luftwaffe würden israelische Luftangriffe das iranische Atomprogramm nicht stoppen. "Sie würden jedoch wahrscheinlich die Region in Brand setzen", meinte er.
In diesem Monat hatte der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz bei einem Besuch in den USA öffentlich bekannt gegeben, dass er der israelischen Armee befohlen habe, sich auf einen möglichen Militärschlag gegen Iran vorzubereiten. Nachdem Israel im Zuge der neuen Atomverhandlungen abermals behauptet hatte, dass Iran kurz vor der "Atombombe" stehe, erklärte der Direktor des CIA, die USA hätten keine Beweise dafür gesehen, dass Iran die Entscheidung getroffen habe, eine Atombombe zu bauen.
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