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Wer das Kabel hat, bestimmt über die Verbreitung: Google & Co. kaufen Internet-Strukturen auf

Die Freiheit im Internet droht weiter beschränkt zu werden – diesmal nicht von staatlicher Seite. Weltkonzerne wie Google kaufen wichtige Teile der technischen Struktur des "World Wide Web" auf. In Zukunft könnten sie nicht nur über Inhalte, sondern auch über Leitungen bestimmen.
Wer das Kabel hat, bestimmt über die Verbreitung: Google & Co. kaufen Internet-Strukturen aufQuelle: www.globallookpress.com © Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Verheißungen des Internets wie barrierefreier Abruf von Nachrichten und Wissen – nicht kontrolliert und zensiert durch Staaten oder Unternehmen – sowie freier Meinungsaustausch könnten bald der Vergangenheit angehören. Giganten wie Google, aber auch andere transnationale, kapitalstarke Technologie-Konzerne kaufen, von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, entscheidende Teile der Infrastruktur des Internets auf oder schaffen sich eigene Strukturen. Auf diese Entwicklung hat der Wissenschafts- und Politik-Blog tkp.at zum Jahreswechsel aufmerksam gemacht.

Dabei handelt es sich eigentlich um keine so neue Entwicklung. Seit vielen Jahren sind Google und andere IT-Konzerne dabei, massiv in eigene Daten-Netze zu investieren, die die Kontinente verbinden.

Globale Netze von Unterseekabeln

Bereits 2014 wurde ein neues transpazifisches Unterseekabel von Google angekündigt, das Japan mit der US-Westküste verbinden und welches das bereits seit einigen Jahren bestehende transpazifische Netz von Google ergänzen sollte. Mit von der Partie war damals neben anderen Großunternehmen auch der japanische NEC-Konzern, der schon über 30 Jahre Erfahrung mit der Verlegung von Unterwasserkabeln hatte – mit einer Gesamtlänge von über 200.000 Kilometern. Das transpazifische Kabelprojekt von Google wurde seinerzeit damit beworben, dass es das "Internet für Nutzer in Asien eben schneller und zuverlässiger" machen solle – so Urs Hölzle, der 2014 "Senior Vice President für technische Infrastruktur bei Google" war. Hölzle weiter:

"Wir bei Google wollen, dass unsere Produkte schnell und zuverlässig sind."

Im Jahre 2022 bekommen diese und die folgenden Worte des früheren "Leitenden Vizepräsidenten" von Google von vor acht Jahren einen neuen Klang:

"Dafür wird eine großartige Netzwerk-Infrastruktur benötigt, egal ob für mehr als eine Milliarde Android-Nutzer oder für Entwickler, die Produkte für Googles Cloud-Plattform erstellen."

Google hatte bereits in den 2010er Jahren nicht nur in Unterseekabel investiert, sondern setzte auch auf das US-amerikanische Glasfaserkabel-Netz an Land:

"So verlangt der Suchmaschinen-Konzern detaillierte Informationen, wie zum Beispiel Karten der bestehenden Rohrleitungen sowie der Wasser-, Gas- und Stromleitungen, um den Verlauf der Glasfasertrasse optimal planen zu können."

Datennetze an Land

Die Tendenz ging schon vor etlichen Jahren dahin, Informationen über die öffentliche Infrastruktur zu erlangen, und zwar mit dem – sicher erst einmal nachvollziehbaren – Argument, für die Verlegung der privatwirtschaftlich betriebenen Datenkabel exakte Kenntnis über die Lage der öffentlichen Leitungen haben zu müssen.

Die schleichende Übernahme öffentlicher Aufgaben (und perspektivisch auch der Infrastruktur) durch die Tech-Konzerne zeigte sich auch darin, dass bereits 2019 zehn Prozent der weltweiten Unterseekabel unter der Kontrolle von Google, Facebook, Microsoft und Amazon standen, wie das Portal WinFuture berichtete.

Dazu betrieb Google schon vor drei Jahren viele der großen Rechenzentren, und der Trend ging dahin, die Datenzentren auch mit den "Backbones" (sozusagen dem Rückgrat des Internets), also den Leitungen, zu verknüpfen und in Besitz zu nehmen. Neben mehreren Leitungen unter dem Atlantik spielt für Google der Pazifik eine besondere Rolle in dieser Strategie – nicht nur für die Verbindungen nach Asien, sondern auch nach Südamerika, etwa von Kalifornien nach Chile.

Die vier großen Betreiber von Internet-Cloud-Strukturen setzen also seit Jahren darauf, auch das Leitungsnetz in ihren Besitz zu bringen oder aber eigene Leitungen zu legen, ob unter Wasser oder an Land (um an dieser Stelle von den medial gefeierten, buchstäblich hochfliegenden Projekten eines Elon Musk zu schweigen). Und was das Eigentum an den Netzen betrifft: Was für manche privatwirtschaftlich geplante und gebaute Erdgas-Pipeline-Projekte in Europa nicht gelten soll, das wird unterseeischen Datentrassen ohne weiteres zugesprochen. Der Wiener Standard meinte noch 2018:

"Den Vorteil in eigenen Kabeln sieht Google vor allem darin, dass man alleine bestimmen kann, wo es an Land geht. […] Ein weiterer Vorteil: Man bekommt so eine garantierte Bandbreite, die über die gesamte Lebenszeit so eines Kabels fix einkalkuliert werden kann."

Die Nutzungsdauer eines Unterseekabels beträgt laut Standard übrigens 15 bis 25 Jahre (am Rande sei angemerkt, nur um nicht weiter in den Vergleich der Regulierungspraxis von Datenleitungen und Pipelines einzusteigen, dass für die Erdgas-Leitung Nord Stream 2 eine Lebensdauer von 50 Jahren vorgesehen ist).

"Metaversum" – ein neues Internet?

Aber zurück zu den neuesten Plänen von Google und Co. Viel ist in letzter Zeit davon die Rede, dass sich die Branche neu erfinden müsse. Man wolle das "Metaverse" oder "Metaversum" bauen, wie Facebook vollmundig verkündete, und "dreidimensionales Spielen und Verbinden" sollen in diesem neuen Cyber-Raum möglich sein. Was so schön und menschenfreundlich klingt, muss es nicht unbedingt werden. Das Fachportal Wired resümierte dazu trocken:

"Es ist ein neuer Name für die wachsende Macht und Reichweite des Silicon Valley. Und es ist für Unternehmen gemacht, nicht für Menschen."

Dabei verlief schon die Entwicklung vom Web 1.0 zum Web 2.0, wie Wired schrieb, als Konzentrationsprozess hin zu immer weniger Unternehmen, die sich zu "Titanen" zusammenschlossen. Übrig blieben "wenige supermassive Akteure", welche im vermeintlich offenen Cyberspace die "Bewegungen von Milliarden von Nutzern kontrollieren und sich aneignen". Wired fährt fort mit der Beschreibung eines sozusagen vollkommen Google-zentrierten Alltags, wie er sich nach der ersten großen Internet-Euphorie eingestellt hatte:

"Nachdem das Interesse an diesen Open-Source-Metaversen nachgelassen hatte, war die Tech-Industrie ein Jahrzehnt lang besessen von der 'totalen Service-Umgebung', in der man den Vormittag mit Gmail und den Nachmittag mit dem Einpflegen von Daten in Google Sheets verbringt, eine Pause auf dem Android-Telefon einlegt und sich dann mit Google Maps zu einer neuen Kneipe navigieren lässt oder die ganze Nacht neben dem Smart-Home-Gerät von Nest Youtube schaut."

Der gegenwärtige "Hype" um das "Metaverse" sei schlicht eine Marketingstrategie, mit der "Big Tech seine umfangreiche Produktpalette anpreist". Eigentlich würde mit diesem Schlagwort bloß die "nächste Stufe der Internet-Konsolidierung" beschrieben. Kennzeichen für diese Entwicklung sei "wachsende Reichweite und Macht von Big Tech. Es wird Big Tech sein – genauso problembeladen wie jetzt, aber größer."

Doch so offen und grenzenlos wird das neue Metaversum nicht sein. Vielmehr besteht es aus vielen kleineren Metaversen, die nach den Regeln und Standards der Unternehmen funktionieren, die sie geschaffen haben. "Proprietär ist das Schlüsselwort", wie Wired die Entwicklung charakterisiert, was übersetzt so viel bedeutet wie in – privatem – Eigentum befindlich, also eben gerade nicht offen.

Fehlende Trennung von Netz und Inhalt

Und übertragen auf die Netzstrukturen bedeutete dies, dass die großen IT- und Tech-Konzerne versuchen, immer größere Teile der Hardware des Internets unter ihre Kontrolle zu bringen. Wie tkp.at weiter schreibt, galt bisher:

"Die Netzwerke wurden und werden noch immer von den klassischen Telekommunikationsanbietern dominiert. Aufbau und Betrieb lokaler und internationaler Verbindungsnetze ist ihre Kernkompetenz."

Doch dies soll sich nach dem Willen der IT-Giganten nun ändern:

"2016 begann ein massiver Boom bei Unterseekabeln, und diesmal sind die Käufer Anbieter von Inhalten. Unternehmen wie Facebook, Microsoft und Amazon scheinen, Googles Bestreben nach Dominanz auf dem Meeresgrund zu teilen."

Dieser Trend sei "wirklich besorgniserregend". Ähnlich wie mit der Android-Software und den -geräten, versuche Google nun, das Geschäft nicht allein den Wettbewerbern zu überlassen. Das Geschäft auch mit der Hardware – als Vergleich dient der PC-Markt – will man selbst machen. Ziel dabei ist, nicht nur eigene Mobiltelefone anzubieten, sondern über die komplette Netzstruktur zu verfügen und sie zu kontrollieren, sodass Google, aber auch die anderen Tech-Giganten-Konzerne alle Geräte und Leistungen, von der Hardware über die Software bis hin zu den Inhalten, aus einer Hand anbieten können. Peter F. Mayer bringt es auf den Punkt:

"Es ist der gleiche alte Kompromiss, den die Verbraucher eingehen: mehr Komfort für weniger Kontrolle – und weniger Privatsphäre. Und wie sich in den letzten beiden Jahren gezeigt hat, folgt die Zensur der Dominanz auf dem Fuß. Missliebige User werden ausgeschlossen, Youtube sperrt und löscht Kanäle mit Hunderttausenden Abonnenten, wenn sie die eigene Geschäftsinteressen – und die der Pharmabranche – auch nur entfernt gefährden könnten. Auch Suchergebnisse sind mittlerweile stark zensiert. Alles, was mit COVID, Corona und Pandemie zu tun hat, wird sehr stark gefiltert."

Gefahren der privatisierten Datennetze

Im Unterschied zu einer kommerziellen Gasröhre drohen den Nutzern durch die privatisierten Datennetze allerdings erhebliche Gefahren, was die Vielfalt des medialen Angebots und den freien Meinungsaustausch angeht. Viele bislang ''kostenlos'' angebotene Inhalte dürften verschwinden.

Sodann könnten

"unliebsame oder unprofitable Inhalte gedrosselt werden. Wenn eine Webseite nur langsam lädt, alle Videos, die nicht von Youtube nur ruckelnd anzusehen sind, leitet man die Kunden um zu den performa[n]teren Diensten, die inhalt[l]ich von den Tech-Konzernen Gewünschtes anzubieten haben."

Und schließlich könnten die privaten Konzernanbieter genauso Inhalte mitlesen, wie es Geheimdienste heute schon tun.

Ein Konglomerat aus Finanz-, Pharma- und Tech-Konzernen werde, so die Befürchtung von tkp.at, "die öffentliche Meinung über wenige Medien lenken" und auf diese Weise eine "eigene Wahrheit schaffen sowie den 'Stand der Wissenschaft' definieren können".

Mayers Artikel endet mit dem Appell an "[m]ündige Konsumenten", keine Internet-Dienste mehr zu nutzen, "die Zensur üben und Monopolstellungen erlangt haben oder erlangen wollen." Bürger und Nutzer sollten auf die Politik "Druck ausüben", damit sie Monopole verhindert – und wenn sie bereits entstanden sind, diese wieder zu zerschlagen.

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