Tatsachen schaffen: Ukraine mit Kriegshilfen und "NATO+"-Status zur Verhandlungsmasse aufblähen
eine Analyse von Dmitry Gukov
In der ersten Runde der Gespräche über gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und den USA in Genf am 10. Januar 2022 zeigten die USA eine unüberwindbare Hartnäckigkeit in Bezug auf einen von Russland vorgeschlagenen blockfreien, neutralen Status der Ukraine. Stattdessen empfängt das Land weiterhin verschiedentliche Militärhilfen von NATO-Staaten: Nicht nur die USA planen allen Anzeichen nach, solche Hilfen auch in Zukunft regelmäßig zu leisten – die USA allerdings in einem ganz beträchtlichen Wert, wie eine jüngste bewilligte Tranche zeigt. Auch versuchte die US-Delegation, die Ukraine noch deutlich stärker in den Fokus der Gespräche zu rücken als es sogar nach der von Russland vorgesehenen Agenda angebracht wäre. Zusammen betrachtet, erweckt dies alles den Eindruck, dass der Westen den Wert der Ukraine als Verhandlungsmasse künstlich aufzublähen versucht:
Bei einem Erfolg dabei fiele es den USA und Konsorten leichter, die Verhandlung der nicht minder wichtigen anderen Aspekte der angebotenen gegenseitigen Sicherheitsgarantien zu verschleppen, sowie nach Möglichkeit auch eine Lösung für die Ukraine in dem von Russland vorgeschlagenen Sinne mittels dieser künstlichen Aufblähung ihres Wertes als Verhandlungsmasse zu verhindern oder zumindest stark zu verwässern.
Im Stillen weitere 200 Millionen US-Dollar für Militärhilfen bewilligt
Bei den Bemühungen der NATO-Staaten, den Wert der Ukraine als Verhandlungsmasse aufzublähen, stehen natürlich die USA an erster Stelle. Am 11. Januar berichteten Journalisten des US-Senders CNN mit Verweis auf anonyme Quellen mit Kenntnissen zur Lage, dass die Biden-Regierung Ende Dezember 2021 weitere 200 Millionen US-Dollar für militärische Hilfeleistungen für die Ukraine bewilligt hat. Ein Kommentar lautete:
"Das könnte natürlich weitaus höher ausfallen, falls Russland sich entscheidet, in der Ukraine einzufallen."
Dabei betrage die Summe weiterer im vergangenen Jahr dafür bewilligter Gelder immerhin 400 Millionen US-Dollar, schreibt die Zeitschrift Air Force Magazine mit Verweis auf Daten des US-Außenministeriums (Antony Blinken sprach gegenüber dem australischen Sender ABC sogar von beinahe einer halben Milliarde Dollar). Der Wert der vom US-Präsidenten außerordentlich bewilligten Tranche an militärischen Hilfen macht also immerhin fast die Hälfte des Wertes der Lieferungen aus den USA an das ukrainische Militär im gesamten Jahr 2021 aus.
Die Obere Kammer des US-Parlaments hatte die zusätzlichen Hilfen bereits im November 2021 gebilligt – doch die US-Regierung und Joe Biden gaben ihr endgültiges Einverständnis erst Ende Dezember – und zwar im Stillen –, angesichts des angeblichen Ausbaus russischer Truppenaufgebote an der Grenze zur Ukraine.
The Biden administration quietly authorized an additional $200 million in security assistance to Ukraine in late December amid a Russian troop buildup along Ukraine’s borders that has sparked fears of a renewed invasion, 4 sources tell me, @NatashaBertrand & @MarquardtA.
— Kylie Atwood (@kylieatwood) January 10, 2022
Die zitierten Quellen hätten dies ebenfalls jüngst erst erfahren – über Kanäle, die der Geheimhaltung unterliegen, hieß es. Damals, im November, ging es um eine Belieferung der Ukraine vorwiegend mit Handfeuerwaffen samt Munition, abhörsicheren Funkgeräten und medizinischem Gerät – aber auch mit Javelin-Panzerabwehrsystemen, dazugehörigen Lenkflugkörpern sowie Mörsern samt Granaten. Zudem drängte das US-Verteidigungsministerium aber auch darauf, Einmann-Luftabwehrsysteme FIM-92 Stinger in die Ukraine zu liefern, sowie Hubschrauber des Typs Mil Mi-17 (Exportversion der Mi-8MT).
Die Mil-Helikopter wurden seinerzeit von den USA selbst erst aus Russland für das Militär des damals noch besetzten Afghanistan zugekauft, aber wegen des Abzugs der westlichen Besatzer nicht mehr dorthin ausgeliefert. Bezüglich der beiden letztgenannten Positionen wurden vom Rest des US-Regierungskabinetts jedoch Bedenken geäußert, dass Russland ihre Lieferung in die Ukraine als ausgewachsene, provokante Eskalation betrachten würde – alldieweil sogar Funktionäre des Verteidigungsministeriums zugeben mussten, dass ihnen der sprichwörtliche "rauchende Colt, oder ein entscheidendes Anzeichen für Putins Absichten" schlicht und ergreifend fehle.
Ob die ursprünglich für Afghanistan beschafften russischen Universal-Hubschrauber tatsächlich Teil der militärischen Hilfslieferungen werden, darüber fehlen bisher Informationen. Dafür vermeldete Pentagon-Sprecher John Kirby auf einem Pressebriefing aber, eine Delegation des US-Militärs habe speziell die Luftabwehrkapazitäten der ukrainischen "Kollegen" begutachtet. Irgendwelche weitere Details gab Kirby allerdings nicht bekannt, schrieb die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Zuvor berichtete der US-Sender NBC mit Verweis auf anonyme Quellen, die USA würden sich aktuell zumindest mit anderen NATO-Staaten über die Möglichkeit beraten, Stinger-Luftabwehrraketen an die Ukraine zu liefern.
Dies wurde nochmals von einer Sprecherin des US-Außenministeriums bei einem Pressebriefing bestätigt, schrieb die russische Nachrichtenagentur TASS. Auf die Frage, ob man denn in Washington, D.C. bereit sei, die Lieferung dieser Raketen aus Beständen von Drittstaaten – wie etwa aus dem NATO-Mitglied Estland – zu bewilligen, hatte sie keine konkrete Antwort parat. Jedoch wusste sie mit Sicherheit, dass das Thema der Stinger aufgegriffen worden sei. Eine Lieferung aus Beständen von Drittstaaten würde zwar den Unwillen des Pentagons umschiffen, die Raketen für die Ukraine außerordentlich und außerplanmäßig aus US-Militärbeständen zu entnehmen (genau diese Vorgehensweise sei nämlich nun für die gesamte Lieferung im Wert von 200 Millionen US-Dollar geplant, schreibt die US-Zeitung Politico mit Verweis auf weitere anonyme Quellen und unter stolzem Werbebanner "Präsentiert von Lockheed Martin"). Dafür müssen sich jedoch diese Drittstaaten Genehmigungen von den Ländern einholen, von denen sie diese Waffen zuvor beschafften: So habe Estland auch Pläne gehegt, einige von den USA gelieferte Javelin-Panzerabwehrsysteme sowie 122-Millimeter-Haubitzen aus deutschen und finnischen Beständen an die Ukraine weiterzugeben – und warte wohl immer noch auf Genehmigungen seitens aller drei Länder. Jedenfalls scheint das Thema der Stinger-MANPADS (Man Portable Air Defense System) keineswegs vom Tisch.
Darüber hinaus sollen Radarsysteme und Schiffsausrüstungen Teil der militärischen Hilfslieferungen sein, teilt Politico unter Verweis auf einen mit der Lieferliste vertrauten US-Beamten und einen Berater des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij mit. Die Fristen auch nur der ersten Lieferungen sollen allerdings bislang noch nicht klar abgesteckt sein.
"Hilfsleistungen" anderer NATO-Staaten
Militärische "Hilfen" an die Ukraine kündigen auch andere NATO-Staaten an.
Litauen beabsichtigt, in kurzer Frist Wärmebildkameras an die Ukraine zu liefern – aber auch die Zahl der Ausbilder der nationalen Ausbildungsmission in der Ukraine zu erhöhen sowie die Behandlung und Rehabilitation verletzter ukrainischer Soldaten in seinem Hoheitsgebiet fortzusetzen. Einen entsprechenden Plan zur Unterstützung der Ukraine habe der litauische Verteidigungsrat gebilligt: Dies gibt das russische Nachrichtenportal Sputnik mit Verweis auf den Verteidigungsminister des baltischen Staates sowie auf den Berater von dessen Staatsoberhaupt bekannt. Litauen war unter den ersten Staaten, die nach dem Maidan-Putsch im Frühjahr 2014 mit militärischen Hilfen an die Ukraine begannen – im selben Jahr noch erfolgten die ersten Lieferungen abgeschriebener Handfeuerwaffen noch sowjetischer Kaliber samt der Munition dazu.
Kanadas Verteidigungsministerin Anita Anand erwägt einen Ausbau der momentan 200 Mann starken kanadischen militärischen Ausbildungsmission UNIFIER im Westen der Ukraine um weitere mehrere Hundert Mann, schreibt das kanadische Blatt The Globe and the Mail mit Verweis auf anonyme Quellen. Weitere Optionen seien die Entsendung eines Kampfschiffes ins Schwarze Meer oder aber eine Verlegung eines Teils der aktuell in Rumänien stationierten Kampfflugzeuge des Typs CF-18 – beides würde einer "Abschreckung" Russlands vor "weiterer Aggression" gegen die Ukraine dienen. Zudem plant Kanada, in der Ukraine eine Munitionsfabrik zu bauen: Die einzige Fabrik in der Ukraine, die Munition für Handfeuerwaffen herstellt, fand sich im Laufe des bewaffneten Konflikts im Osten des Landes im Gebiet der Volksrepublik Lugansk wieder und versorgt nun die Volksmilizen der beiden Rebellenrepubliken. An der Umsetzung dieser Initiative sind in der Provinz Ontario ansässige Firmen Gold Leaf Munitions Inc. und Waterbury Farrel sowie der kanadische Staat unter Vermittlerleistungen der staatlichen Canadian Commercial Corporation mit Hauptsitz in Ottawa beteiligt, schreibt das russischsprachige kanadische online-Nachrichtenportal Torontovka.
Auch Deutschland hat weiterhin vor, der Ukraine im militärischen Bereich zu helfen. Dies betrifft den Bau eines Militärkrankenhauses in der Ukraine, die Lieferung von medizinischer Ausrüstung und Verbrauchsmaterial sowie die Behandlung verwundeter ukrainischer Soldaten, auch in Krankenhäusern der Bundeswehr, besagt ein Bericht der ZDF mit Verweis auf Außenministerin Annalena Baerbock. Waffenexporte in die Ukraine seien hingegen nach wie vor tabu.
Ukraine als Verhandlungsmasse
All dies vermittelt zumindest den Eindruck von langfristiger Planung. Nun versicherten jedoch ranghohe Politiker der beiden großen NATO-Hardliner, Präsident Joe Biden für die USA und Verteidigungsminister Ben Wallace für Großbritannien, erst im Dezember 2021, dass eine Entsendung ihrer Truppen in die Ukraine auch bei einem an die Wand gemalten, hypothetischen "Einfall" Russlands kaum infrage käme.
Wohl muten sie sich schon aus innenpolitischen Erwägungen keinen Krieg gegen eine nukleare Großmacht wie Russland auf dem Gebiet eines "stellvertretenden" Drittstaates (auch wenn eine solche Wahl des Schlachtfeldes zumindest einem Atomschlagaustausch vorbeugen würde) zu. Denn mit dem Abzug des Westens aus Afghanistan liegt das jüngste militärische Fiasko nicht einmal ein Jahr zurück, wo doch der Gegner deutlich schmalbrüstiger aufgestellt war. Von einer Aussicht darauf, einen solchen Krieg gar auch noch gewinnen zu können, kann deshalb (wie auch aus weiteren Gründen) wohl kaum die Rede sein. Somit bieten sich für den vordergründigen Enthusiasmus bei der materiellen Militärhilfe an die Ukraine zwei andere Erklärungen an.
Die erste und bisher dominante ist, dass die Ukraine zu einer gewaltsamen Lösung des Konflikts im Donbass angestachelt werden solle: Sobald Russland befindet, sich schützend vor die beiden Volksrepubliken Donezk und Lugansk stellen zu müssen, soll sein Militär einen Aderlass bekommen. Zusammen mit den für diesen Fall angedrohten und dann umzusetzenden Sanktionen – so wird wohl erhofft –, würde ein solcher Aderlass Russland innenpolitisch in die Knie zwingen. Ein Maidan auf dem Roten Platz könnte dann sehr schnell in greifbare Nähe rücken, den Geschehnissen im benachbarten Kasachstan nach zu urteilen, wo bereits ein ungleich geringerer Anlass dazu gereichte.
Die zweite Erklärung allerdings wird erst im Kontext der aktuellen Verhandlungen um rechtsverbindliche gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland auf der einen und den USA und der NATO auf der anderen Seite sichtbar. Hierbei soll eine Truppenpräsenz der NATO-Staaten in der und um die Ukraine sowie die militärische Hilfen an die Ukraine die Bedeutung dieses Themas bei diesen Verhandlungen künstlich aufpumpen, um es zum alleinigen Dreh- und Angelpunkt der Verhandlungen zu machen. Anzeichen dafür, dass der Westen eine solche Schwerpunktverschiebung beabsichtigt, sind den Kommentaren des russischen Vize-Außenminister Sergei Rjabkow zu den Ergebnissen bereits der ersten Gesprächsrunde Russland-USA am zehnten Januar zu entnehmen: Bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen hielt er es für angebracht, nochmals dringend Entwarnung hinsichtlich eines vom Westen so übereifrig an die Wand gemalten russischen Einfallens in die Ukraine zu geben.
Mit dieser Fokusverschiebung würde alternativ oder auch ergänzend zweierlei bezweckt: Erstens würde es den ganzen Verhandlungsprozess verschleppen – das würde dem Westen Zeit verschaffen, die Ukraine zu einem militärisch soliden Bollwerk (oder auch zu einer Speerspitze einer möglichen militärischen Kampagne) gegen Russland aufzurüsten. Eine solche Befürchtung äußerte der Vorsitzende der Kommission für Informationspolitik und Zusammenarbeit mit den Medien des russischen Föderationsrates Alexei Puschkow in einem Interview mit der Zeitung Wsgljad, und zwar bereits am 21. Dezember.
Dass eine Gruppe von Kongress-Abgeordneten aus der Republikanischen Partei am 9. Januar einen Entwurf für ein Gesetz in den US-Kongress einbrachte, das der Ukraine unter anderem den Status eines Mitglieds in einem "NATO+" genannten Club zugestehen solle, ist ein weiteres Anzeichen dafür. Damit würde die Finanzierung der militärischen Hilfslieferungen von Waffen an die Ukraine drastisch erhöht werden können – sogar ohne zunächst eine Aufnahme der Ukraine in die "richtige" NATO bewerkstelligen zu müssen.
Außerdem würde mit einer einseitigen Ausrichtung der Verhandlungen allein auf die Ukraine die Besprechung aller anderen Punkte auf der russischen Liste der Besorgnisse, die da dringend einer völkerrechtlichen Entschärfung harren, erst recht in weite Ferne verschoben, wenn sie nicht gar letztlich weiter totgeschwiegen werden. Auch solche Absichten des Westens lassen sich leicht anhand von Beobachtungen ableiten, die im russischen Außenministerium gemacht wurden. So musste man sich in Russlands Botschaft in Washington, D.C. doch sehr über die "Logik" wundern, mit der die Unterhändlerin der USA, Vize-Außenministerin Wendy Sherman, zwar von Russland einen Abzug seiner Truppen aus den Grenzgebieten zur Ukraine fordert, gleichzeitig aber die USA selbst keineswegs beabsichtigen würden, über ihre eigene Truppenstärke in Europa zu verhandeln. Und das, obwohl die russischen Truppenaufgebote meist mehrere Hundert Kilometer von besagter Grenze zur Ukraine, und zwar im eigenen Territorium stationiert sind. Und über eine mögliche Verlegung "grenznaher" Truppen im eigenen Land forderten die USA dann auch noch beizeiten Mitteilungen über deren Zweck.
Auch Russlands stellvertretender Außenminister Sergei Rjabkow machte im Nachgang zur ersten Verhandlungsrunde darauf aufmerksam, dass die USA bei der sprichwörtlichen Henne-Ei-Frage mit einer sehr offensichtlichen Antwort ausgerechnet von der falschen Ursache ausgehen. Das russische Militär halte eben seine jüngsten intensiven (teils auch grenznahen) Manöver doch in Reaktion darauf ab, dass gerade die NATO selbst zuvor und aktuell ihre Geschäftigkeit in und um die Ukraine provokativ auf Hochtouren hält – mit häufigen Hafeneinläufen von Kriegsschiffen der Allianz-Mitglieder in der Ukraine, mit Patrouillen ihrer Luftfahrzeuge entlang Russlands Grenzen und Flügen strategischer Bomber der USA nahe der Krim, wobei auch Angriffe mit Marschflugkörpern auf die russische Halbinsel geübt werden.
Im Falle eines für den kollektiven Westen geradezu idealen Verlaufes der Verhandlungen, so scheint die Hoffnung im Westen zu sein, würde man Russland mit dieser Verhandlungsstrategie mittels einfachster und schmerzloser Zugeständnisse abspeisen können – nämlich mit einer Begrenzung von Manövern in Grenzgebieten; vielleicht noch einer Begrenzung der Stationierung von Raketen. Bei einem immer noch recht "guten" Verlauf – bei dem sich die Eingeständnisse weitgehend auf die Ukraine begrenzen würden – hätte der Westen dennoch am Ende dort vollendete Tatsachen geschaffen, an denen Russland nur noch schwerlich rütteln könnte:
So wäre etwa eine Situation denkbar, dass eine große Anzahl von Ausbildern aus den Reihen der NATO-Militärs dieses Land eben nicht mehr gemäß den Buchstaben der Minsker Abkommen verlassen müssten. Und zwar, weil sie dank dem von Kiew jüngst eingeführten Schnellverfahren zur Erlangung der ukrainischen Staatsbürgerschaft für Ausländer, die im ukrainischen Militär dienen (das zu durchlaufen sie genügend Zeit hätten), nun kurzerhand als ukrainische Bürger gelten würden. Auch hätte der Westen dann genügend Zeit (und möglicherweise dank "NATO+"-Mitgliedschaft der Ukraine auch bessere Gelegenheiten) gehabt, die Ukraine mit großen Mengen von Kriegsgerät, Waffen und Munition zu beliefern. Und dies könnten auch deutlich ernster zu nehmende Waffensysteme sein als momentan denkbar, weil die frisch eingebürgerten Instrukteure alle Zeit hätten, die ukrainischen Truppen im qualifizierten Umgang damit auszubilden, ohne sich an den Modalitäten der lästigen Minsker Abkommen zu stören.
Nicht zuletzt stünde den USA dann auch die Möglichkeit offen, nicht nur Ausbilder, sondern zum Beispiel auch Mitarbeiter privater Militärunternehmen (also Söldner) unmittelbar als Bedienpersonal für fortschrittliche Waffensysteme und als Besatzungen für Kampffahrzeuge in ausreichender Anzahl in die Ukraine zu entsenden und dort einbürgern zu lassen. Das neue ukrainische Schnelleinbürgerungsverfahren bietet den USA – die sich in einigen Konflikten wie im Irak und Afghanistan bereits mehr als willig erwiesen hatten, Dienste von Söldnern in Anspruch zu nehmen – nun auch in der Ukraine eine solche Option, die zuvor so nicht gegeben war. Bei einem Aufflammen des Kriegs in der Ukraine wäre die verbleibende alte Bürgerschaft dieser Söldner in NATO-Mitgliedsstaaten zudem sehr leicht und gewinnbringend innen- wie außenpolitisch auszuschlachten.
Und im für den Westen ungünstigsten Verhandlungsverlauf schließlich hätte dieses Vollpumpen der Ukraine mit Waffen und mit NATO-Personal immer noch den Vorteil, dort im Voraus für eine Verhandlungsmasse gesorgt zu haben: Davon ausgehend müsste Russland den Grad der militärischen Kooperation des Westens mit der Kiewer Regierung bestenfalls scheibchenweise herunterfeilschen – in einem noch zeitaufwendigeren und mühseligeren Verhandlungsprozess als er sich jetzt schon abzeichnet.
Unterschätzung von Russlands Ernsthaftigkeit der Lagebeurteilung und militärischen Fähigkeiten
Alle obigen Szenarien lassen beim Westen einen schwerwiegenden Irrtum vermuten – einerseits nämlich Russlands Kapazitäten für die Umsetzung seiner angekündigten reziproken "militärtechnischen Maßnahmen" massiv zu unterschätzen und andererseits auch zu unterschätzen, wie ernst es Russland um die geforderten wie angebotenen gegenseitigen Sicherheitsgarantien ist.
Anzeichen für einen solchen Irrtum hatte im Vorfeld der Genfer Verhandlungen der Vorsitzende des Staatsduma-Ausschusses zu internationalen Angelegenheiten Leonid Sluzki bemerkt. Dafür folgt ein Zitat aus dem offiziellen Staatsduma-Organ, der Parlamentskaja Gaseta:
"Den Äußerungen der US-Seite nach zu urteilen, ist man sich in Washington noch immer nicht über die Ernsthaftigkeit und die umfassende und zusammenhängende Natur der russischen Angebote zur globalen Sicherheit im Klaren. […] Davon, wie tief sich gerade die westlichen Partner auf Kompromisse einstimmen, hängen Fragen der weltweiten Sicherheit ab. Russland wird niemandem mehr Nötigung und Betrug unter dem Deckmäntelchen scheinbarer Aufrichtigkeit erlauben."
Im Nachgang an die erste Verhandlungsrunde hatte der Leiter der russischen Verhandlungsdelegation in Genf, Vize-Außenminister Rjabkow, zu beklagen:
"Obwohl die US-Delegation eigens zwecks 'ernsthafter' Besprechungen der Angebote Moskaus bezüglich der europäischen Sicherheit anreiste, konnten [ihre Mitglieder] keineswegs vorweisen, dass sie etwas davon verstehen, wie man die [vorgelegten] Schlüsselfragen lösen muss."
Dabei, so zitiert ihn die Prawda, "hat Russland alle seine Karten offen auf den Tisch gelegt, [und zwar in Form] der Angebote, die im letzten Monat veröffentlicht wurden." Und diese, betont Sergei Lawrows Stellvertreter, stellen "Forderungen dar, von denen wir nicht zurücktreten können."
Rjabkow erinnerte daran: Bei einer direkten Abweisung dieser Forderungen oder einem zu hartnäckigen Unwillen, über die unverzüglich zu lösenden Probleme zu verhandeln, müsse Moskau um die europäische Sicherheit bangen: Auf eine Stationierung von NATO-Waffensystemen hin, die Russland bedrohen könnten, wird Russland seinerseits Waffensysteme der einen oder anderen Art in entsprechenden Gebieten dislozieren müssen, um die Balance wiederherzustellen, gibt die russische Nachrichtenagentur TASS seine Worte wieder. Der Politologe und Spezialist für internationale Beziehungen Igor Schatrow, Leiter des Expertenzentrums bei der Regierung der Russischen Föderation, merkte noch Ende Dezember an, dass die angedachten Dislozierungsorte der bislang nicht näher benannten Waffensysteme sehr wahrscheinlich sehr nahe an der Grenze liegen dürften – auch an der Grenze Russlands zur Ukraine (zunächst) – wer hätte das auch geahnt. Bittere Ironie des Schicksals.
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